Categories
Forum Wissen Hinter den Kulissen

Digitale Zeitreise: Die virtuelle Rekonstruktion des Königlich Academischen Museums

Die Idee, in Göttingen ein öffentliches Wissenschaftsmuseum einzurichten, ist nicht neu. Sie ist sogar ziemlich alt. Denn so etwas wie das Forum Wissen gab es schon einmal: das Könglich Academische Museum, das 1773, kurz nach der Universitätsgründung, seine Türen öffnete. Mehrere tausende Objekte des einstigen Museums liegen heute noch in den Depots der Georgia Augusta – verteilt auf die einzelnen Institute der Universität. Mit digitalen Mitteln wird es nun möglich, den Bestand des Academischen Museum virtuell wieder zusammenzuführen.

Karsten Heck digitalisiert ein historisches Mikroskop aus der Physikalischen Sammlung
Bei der Arbeit: Foto-Station zur Herstellung von Objekt-Digitalisaten

Das erste Wissenschaftsmuseum im 18. Jahrhundert

Eine der zahlreichen Neuerungen der frisch gegründeten Georg-August-Universität war es, dass – neben der Einrichtung einer zentralen Universitätsbibliothek – auch „Artificialien“ und „Naturalien“, also materielle Forschungsobjekte, zentral aufbewahrt wurden. Ganz im Sinne der Aufklärung sollte Wissen durch das genaue Betrachten, Handhaben und Vermessen von Dingen überprüft werden. Diese Dinge wurden dann katalogisiert und archiviert und immer wieder in Forschung und Lehre eingesetzt.

Gleichzeitig war es den Gründervätern der Universität wichtig, die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Direkt neben der Bibliothek am Papendiek betreute Johann Friedrich Blumenbach, der erste Aufseher des Academischen Museums, die von seinem Zeitgenossen Georg Christoph Lichtenberg sogenannten „akademischen Kabinette“ der Universität – die Keimzelle der heute über den Campus verteilten, über 70 akademischen Sammlungen. Eine erstaunliche Vielfalt an Dingen war dort zu sehen: Gesteine, Mineralien und Fossilien, Gipsabgüsse antiker Skulpturen und archäologische Fundstücke, Tierpräparate, Münzen und Medaillen, botanische Herbarien, Gemälde und Grafiken, historische Messinstrumente, Schädel, Mumien, anatomische Präparate.

Ansicht des Acadmischen Museums. Lithographie von Friedrich Besemann, ca. 1830.
Ansicht des Acadmischen Museums. Lithographie von Friedrich Besemann, ca. 1830.

Aus einem zentralen Museum werden viele spezialiserte Sammlungen

Im 19. Jahrhundert brachte die Ausdifferenzierung der Fachdisziplinen ein enormes Wachstum der Sammlungsbestände mit sich, an der oftmals die Geschichte ganzer Disziplinen nachvollziehbar ist. 1840 führte dies zur Aufspaltung des zentralen Academischen Museums. Bis heute sind die Sammlungen auf über dreißig Standorte in der Stadt verteilt. Von Kriegszerstörung weitgehend verschont geblieben, ist das akademische Erbe in den Göttinger Sammlungen – im deutschlandweiten Vergleich – in ungewöhnlich vollständiger Form erhalten geblieben.

Heute versteckt sich der Grundstock des Academischen Museums in der Objektfülle des modernen Sammlungsbestandes. Deshalb besteht der erste Schritt der digitalen Rekonstruktion im Durchforsten alter Inventare und Schriftquellen wie dem „Catalogus Musei Academici“. Welche Objekte gehörten zum Kernbestand der Ursprungssammlungen? Was verraten uns die Reiseberichte europäischer Gelehrte, die das Museum besuchten? Und wie beschreiben die damaligen Professoren den Einsatz der Objekte in ihrer Lehre?

 

Digitaliserung: Das Academische Museum entsteht virtuell von Neuem

Die so identifizierten Objekte werden derzeit von den Kustodinnen und Kustoden in Zusammenarbeit mit einem Team aus wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitern in den jeweiligen Sammlungen ausfindig gemacht. Das Team erfasst grundlegende Informationen über das Objekt (z. B. Größe, Material, Datierung, Quellen etc.) und trägt sie in eine zentrale Sammlungsdatenbank ein, die allen Sammlungen am Campus zur Verfügung steht. Für die fotografische Reproduktion baut das Digitalisierungsteam die mobile Ausrüstung an den jeweiligen Standorten auf. Die Objekte werden vor farbneutraler Hohlkehle individuell ausgeleuchtet und inszeniert. Die Fotografen erstellen isolierte Ansichten der Objekte aus mehreren Perspektiven.

Digitalisierung einer "Naturalie" aus dem Bestand des Academischen Museums
Digitalisierung einer “Naturalie” aus dem Bestand des Academischen Museums

 

 

Die in die Breite der Bestände zielende fotografische Digitalisierung und Basiserschließung der Altbestände der Göttinger Sammlungen dient als Grundlage für die weitergehende Bearbeitung und Tiefenerschließung der Bestände im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben. So widmet sich z.B. das Editionsprojekt „Johann Friedrich Blumenbach – Online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen speziell dessen Schriften (mehr als 1.025 Texte, mit ca. 80.000 Seiten) sowie den mit Blumenbach und seiner Forschung verbundenen, noch erhaltenen Objekten aus seinen naturkundlichen Sammlungen (mehr als 4.500 Objekte). Diese werden in Auswahl zusätzlich durch stereoskopische Aufnahmen dreidimensional erfasst und en Detail wissenschaftshistorisch und hinsichtlich ihrer Provenienzen tiefenerschlossen, um Objekte und Schriften gemeinsam und verknüpft in digitaler Form zugänglich machen.

Auch das Projekt „Sammeln erforschen – Geschichte und wissenschaftliche Aktualisierung der Göttinger Universitätssammlungen im Kontext museumstheoretischer und ethnologischer Diskurse“ setzt an der derzeitigen Basiserschließung an und nimmt die Altbestände insbesondere der Ethnologischen Sammlung dahingehend unter die Lupe, die Bedeutung wissenschaftlicher Sammlungspraxis für die Entwicklung des Faches Völkerkunde/Ethnologie/Ethnographie zu beleuchten und diese materialbasiert wissenshistorische Perspektive in aktuelle Theoriediskurse der Ethnologie, Museumswissenschaft und der Material Culture Studies einzubringen.

Die wissenschaftliche Zeitreise in die historische Sammlungspraxis und vielschichtige Göttinger Sammlungslandschaft des 18. und 19. Jahrhunderts beginnt mit der digitalen Öffnung der historischen Sammlungen. Stück für Stück erschlossen, um sodann in kollaborativer Forschung mit digitalen Methoden ausgeleuchtet zu werden, wird das einstige Academische Museum der Georgia-Augusta künftig virtuell wiederentstehen und erfahrbar werden.

[grey_box] Die digitale Rekonstruktion der Göttinger Altbestände bildet einen Schwerpunkt der laufenden Digitalisierungsarbeit der Zentralen Kustodie und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Die technische und personelle Ausstattung des Projekts wird durch die finanzielle Unterstützung des Landes Niedersachsen möglich gemacht. Die Ergebnisse werden im Sammlungsportal der Universität veröffentlicht, das im Herbst 2017 freigeschaltet werden wird (zur Beta-Version).[/grey_box]

Categories
Ausstellung Forum Wissen

“on/off. Vom Nobelpreis und den Grenzen der Wissenschaft” – Ein Rückblick in Bildern

Gut einen Monat ist es her, dass die Ausstellung “on/off. Vom Nobelpreis und den Grenzen der Wissenschaft” ihren feierlichen Abschluss fand. Vom 11. Dezember 2016 bis 28. Mai 2017 war die Teaser-Ausstellung für das Forum Wissen in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz zu sehen. Wir wollen noch einmal zurückblicken und die Etappen der Ausstellung Revue passieren lassen.

Aufbau

Anfang Dezember 2016 begann der Aufbau der Ausstellung: Die Ausstellungsmöbel wurden angeliefert.
Hier wird mit Feingefühl die Schutzfolie von einer Ausstellungswand abgezogen.
Im Vordergrund wird das STED-Mikroskop aufgebaut, im Hintergrund wartet noch Arbeit auf das Ausstellungsteam.
Geschafft: Die Ausstellung steht und wartet auf die ersten Besucherinnen und Besucher. Bild: Jan Vetter

Das “making of” der Ausstellung haben wir übrigens auch filmisch festgehalten, hier gehts zum Video.

Eröffnung

Am 11. Dezember wurde die Ausstellung dann durch die Präsidentin der Universität Göttingen, Prof. Dr. Ulrike Beisiegel, eröffnet. Zuvor hatten die Gäste des Jahresabschlussempfangs und Alumni der Universität Göttingen bereits Gelegenheit, an einer Führung mit Ausstellungsmacher Joachim Baur teilzunehmen und einen Blick in die Ausstellung zu werfen.

Gäste des Alumni-Tages am 10. Dezember 2016 erhalten eine “Sneak-Preview” der Ausstellung. Bild: Peter Heller
Besucher an der Vitrine mit den historischen Mikroskopen aus den universitären Sammlungen. Foto: Jan Vetter

Besucher

on/off war die erste große Teaser-Ausstellung auf dem Weg zum Forum Wissen. Rund 6.500 Besucherinnen und Besucher haben die Ausstellung besucht und uns viel positives Feedback beschert. Vor allem die Ausstellungsführungen durch unsere wissenschaftliche Hilfskraft Jessica Korschanowski erhielten großes Lob.

Im Besucherbuch der Ausstellung finden sich viele nette Komentare zur Ausstellung.
Jessica Korschanowski während einer Führung durch die Ausstellung bei der 3. Nacht des Wissens am 23. Januar 2017. Foto: Peter Heller

Rahmenprogramm

Die Ausstellung wurde zudem über ihre gesamte Laufzeit von einem vielfältigen Programm begleitet: eine Vortragsreihe, Filmvorführungen, ein Theaterstück, Stadtführungen, ein Science Slam sowie verschiedene Mitmachangebote für Schülerinnen und Schüler knüpften thematisch an die Ausstellung an. Ein Highlight des Begleitprogramms waren die vom Y-LAB angebotenen Schülerführungen durch die Ausstellung.

Ein Schülerscout führt Schülerinnen und Schüler durch die Ausstellung. Bild: Peter Heller

Finissage

Nach knapp sechsmonatiger Laufzeit feierte die Ausstellung am 28. Mai 2017 Finissage. Nach einem Grußwort von Frau Beisiegel und einem kurzen Vortrag von Dr. Marie-Luisa Allemeyer, Direktorin der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen, erhielten die Besucherinnen und Besucher ein letztes Mal die Gelegenheit, durch die Ausstellung zu schreiten.

Frau Allemeyer begrüßt die Besucherinnen und Besucher am letzten Ausstellungstag. Foto: Peter Heller
In lockerer Atmosphäre und bei einem Glas Sekt hatten die Gäste ein letztes Mal Gelegenheit, sich die Ausstellung anzuschauen. Bild: Peter Heller

Nächste Schritte: Virtuelle Ausstellung

Zurzeit wird daran gearbeitet, die Ausstellung noch einmal virtuell zum Leben zu erwecken: Vor dem Abbau der Ausstellung wurde der gesamte Ausstellungsraum mit Kugelpanoramen fotografiert. Diese Fotos werden nun, angereichert mit Ausstellungstexten, Videos und Bildern, zu einem virtuellen Rundgang durch die Ausstellung zusammengefügt. Sobald die Ausstellung online ist, erfahrt ihr es hier auf unserem Blog!

Categories
Ausstellung Forum Wissen

Rückblick: Internationaler Museumstag am 21. Mai 2017

Was für ein herrlicher Tag! Bei bestem Wetter begrüßten die Sammlungen, Museen und Gärten der Universität Göttingen viele neugierige Besucherinnen und Besucher zum Internationalen Museumstag. Neben den permanenten Ausstellungen wurde ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen, Vorträgen und Mitmachaktionen für Groß und Klein geboten. Wir haben ein paar bildliche Impressionen vom Museumstag zusammengetragen und freuen uns schon jetzt auf das nächste Mal!

Die Öffnung der Universität in die Gesellschaft ist eines der Hauptanliegen des geplanten Forum Wissen. Zu zeigen, was an der Universität passiert, woran gearbeitet und geforscht wird, welche Schätze sich hier verbergen und wie Erkenntnisse und Wissen überhaupt entstehen – das wird die zentrale Aufgabe des Forum Wissen sein. Das Präsentieren der Sammlungsschätze und das vielseitige Zusatzprogramm am Museumstag waren somit ein Vorgeschmack auf das, was im Forum Wissen gesehen und erlebt werden kann.

 

Im Geologischen Museum gab es allerlei Mitmachangebote für Kinder…
… zudem lernten Groß und Klein Spannendes über die Erdgeschichte und Fossilien.
In der Musikinstrumentensammlung konnten Workshops zum balinesischen Gongspielorchester “Gamelan Beleganjur” besucht werden.
Die sammlungsübergreifende Führung “Forscher auf Reisen” startete im Alten Botanischen Garten.
Die Ethnologische Sammlung bot ihren jungen Gästen ein spielerisches Programm zum Thema “Südsee” an.
In der Kunstsammlung wurden spannende Erkenntnisse über die Entwicklung der Fotografie und die Geschichte der Orientbilder in der frühen Fotografie präsentiert.
Im Rechnermuseum der GWDG wurde den Besucherinnen und Besuchern die Entwicklung der Computertechnik nahegebracht.

Alle Bilder: Peter Heller

Categories
Ausstellung Forum Wissen

ON/OFF. Interview mit Ausstellungsmacher Joachim Baur

Noch bis zum 28. Mai 2017 ist die Ausstellung „on/off. Vom Nobelpreis und den Grenzen der Wissenschaft” im Tagungs- und Veranstaltungshaus Alte Mensa zu sehen. Der Historiker und Kulturwissenschaftler Dr. Joachim Baur war maßgeblich an der Konzeption der Ausstellung beteiligt. Mit ihm haben wir uns getroffen und darüber gesprochen, was es in der Ausstellung zu entdecken gibt.

Joachim Baur (Mitte) im Gespräch mit Stefan Hell und Marie Luisa Allemeyer

Herr Baur, worum geht es in der aktuellen Ausstellung?

Es geht um die Geschichte, wie der Göttinger Physiker Stefan Hell im Jahr 2014 den Nobelpreis erhielt. Und dabei streifen wir ganz unterschiedliche Themenfelder: Die Frage etwa, wie jemand zum Spitzenforscher wird – mit allen Hochs und Tiefs. Aber natürlich auch Hells wissenschaftliche Leistung: die Erfindung einer neuen, superscharfen Mikroskopie-Technik. Schließlich diskutieren wir auch die Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft in unserer Gesellschaft.

Was gibt es in der Ausstellung zu sehen?

Viel und ganz Unterschiedliches! Wir starten mit einer raumgreifenden Videoprojektion, die die Besucher direkt am Ereignis der Nobelpreisverleihung teilhaben lässt. Neben persönlichen Objekten zur Karriere Stefan Hells und erklärenden Filmen zu seiner bahnbrechenden Forschung zeigen wir eine Auswahl sehr schöner alter Mikroskope aus den Göttinger Sammlungen – im direkten Kontrast zu einem supermodernen STED-Mikroskop von Stefan Hell. Wer will, kann hier auch selbst Hand anlegen. Hinzu kommen Interviews mit zahlreichen Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die einen kritischen Einblick in die Bedingungen und Grenzen wissenschaftlicher Arbeit geben.

Was macht einen Ausstellungsbesuch in Ihren Augen lohnenswert?

Ich denke, in der Ausstellung finden sich sehr facettenreiche Fragen: Wie funktioniert das System Wissenschaft? Wie sieht es darin aus mit Konkurrenz und Anerkennung? Wie lassen sich scheinbar unüberwindliche Grenzen überschreiten? Das sind wichtige Debatten, weit über einzelne Disziplinen hinaus. Zudem ist die Ausstellung recht kreativ gestaltet, hoffentlich ganz unterhaltsam – und noch dazu kostenlos!

 

ON/OFF. VOM NOBELPREIS UND DEN GRENZEN DER WISSENSCHAFT

bis 28. Mai 2017

Tagungs- und Veranstaltungshaus Alte Mensa, Wilhelmsplatz 3, Erdgeschoss

Dienstags bis sonntags, 12 bis 19 Uhr

 

Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Programm begleitet. Mehr Informationen dazu finden Sie auf: www.uni-goettingen.de/on-off