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Blick in die Schatzkammern der Universität

Wie atmen Insekten unter Wasser? Warum läuft ein Doppelkegel bergauf? Was verraten Skelette über Krankheiten und Urkunden über das Mittelalter? Am Internationalen Museumstag können Sie es erfahren: Am Sonntag, 13. Mai 2018, haben Sie die Chance, von 10 bis 18 Uhr einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und die Schatzkammern der Universität Göttingen kennenzulernen. Die Sammlungen, Museen und Gärten heißen Sie in Göttingen herzlich willkommen!

Von der Mechanik bis zur Quantenphysik: historische Instrumente im Physicalischen Cabinet entdecken.

Ein Programm für die ganze Familie

„Wir haben zusammen mit den Kustodinnen und Kustoden der Sammlungen ein vielfältiges und spannendes Programm auf die Beine gestellt, das für alle etwas bietet“, so Marie Luisa Allemeyer. Die Direktorin der Zentralen Kustodie hebt die verschiedenen Sammlungen vom Filmarchiv bis zur Ägyptologie hervor, die ansonsten nicht öffentlich zu sehen sind und sich nur an diesem Tag im Auditorium vorstellen. Hier begrüßt die Unipräsidentin um 11 Uhr alle Gäste. Der Förderkreis Forum Wissen informiert über das zukünftige Wissensmuseum und das „boat people projekt“ präsentiert eine szenische Collage, inspiriert von den Bildern der Kunstsammlung. Auch Mitmachaktionen, Führungen, Kurzvorträge, viel Musik und leckere Waffeln gibt es.

„Wir freuen uns über alle großen und kleinen Bücherwürmer,“ erklärt Hartmut Hombrecher von der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur und lädt alle zum Stöbern, Malen und Entdecken ein. Auch in der Paulinerkirche geht es um Bücher und Bibliotheken, Karten und Handschriften. Wenn Sie sich für ihre Erhaltung interessieren, schauen Sie am besten den Restauratorinnen und Restauratoren der SUB Göttingen über die Schulter.

Im Herbarium können Sie Pflanzen entdecken, die Georg Forster während der zweiten Südseereise von James Cook sammelte.

Durch die Erdgeschichte reisen

Wie leben Algen mit anderen Lebewesen zusammen? Welche Erkenntnisse gewinnen Forschende aus getrockneten Pflanzen des 18. Jahrhunderts? Warum läuft ohne Wasser nichts? Entdecken Sie mit uns die Katakomben des Alten Botanischen Gartens und die Buntheit der Antike. Das Angebot reicht vom Schmuckbasteln über den 3D-Druck bis hin zur Versteigerung von Gemälden, deren Erlös ghanaischen Künstlerinnen und Künstlern zugutekommt.

„Mit uns können Sie durch die Erdgeschichte reisen, die Vielfalt der Gesteine kennenlernen und einen exklusiven Blick hinter die Kulissen unserer derzeit entstehenden mineralogischen Ausstellung werfen“, so Kustos Alexander Gehler, der damit nur auf einige Highlights im Geowissenschaftlichen Museum verweist. Werkstattbesuche und Flohmärkte, Entdeckungen am Sternenhimmel, Gartenspaziergänge und Schatzsuchen runden das Programm der Sammlungen am Nordcampus ab.

Auch für Kaffee, Crêpes und einen herzhaften Imbiss ist gesorgt. Wer gern selbst Objekte sammelt, kann in allen geöffneten Sammlungen das Sticker-Album „Göttinger Sammelsurium“ und die Aufkleber erhalten.

Doppelte Aufkleber? Kein Problem: Große Tauschbörse in der Zentralen Kustodie.

Musik liegt in der Luft …

Erstmals schließt sich auch die Erdbebenwarte Göttingen e.V. mit einer Führung auf dem Hainberg unseren Aktionen an. Mit dabei sind zudem viele Musikerinnen und Musiker: das Duo Corda e Ventor, die Sängerin Beray Dincay, die Hornets von der IGS Geismar sowie Katharina Trabert und Michael Frey mit ihrem Programm „Eben lacht es, bums da weint es“. Italienische Arien und barocke Sonaten, Alt-Berliner Chansons und Ohrwürmer des modernen Pop – überzeugen Sie sich am besten selbst vom besonderen Klang des #IMT18 an der Uni Göttingen.

Noch Fragen? Schauen Sie auf unsere Website www.uni-goettingen.de/museumstag oder in unsere Programmhefte, die wir in Stadt und Region verteilen.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

 

 

 

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Forum Wissen Hinter den Kulissen

Digitale Zeitreise: Die virtuelle Rekonstruktion des Königlich Academischen Museums

Die Idee, in Göttingen ein öffentliches Wissenschaftsmuseum einzurichten, ist nicht neu. Sie ist sogar ziemlich alt. Denn so etwas wie das Forum Wissen gab es schon einmal: das Könglich Academische Museum, das 1773, kurz nach der Universitätsgründung, seine Türen öffnete. Mehrere tausende Objekte des einstigen Museums liegen heute noch in den Depots der Georgia Augusta – verteilt auf die einzelnen Institute der Universität. Mit digitalen Mitteln wird es nun möglich, den Bestand des Academischen Museum virtuell wieder zusammenzuführen.

Karsten Heck digitalisiert ein historisches Mikroskop aus der Physikalischen Sammlung
Bei der Arbeit: Foto-Station zur Herstellung von Objekt-Digitalisaten

Das erste Wissenschaftsmuseum im 18. Jahrhundert

Eine der zahlreichen Neuerungen der frisch gegründeten Georg-August-Universität war es, dass – neben der Einrichtung einer zentralen Universitätsbibliothek – auch „Artificialien“ und „Naturalien“, also materielle Forschungsobjekte, zentral aufbewahrt wurden. Ganz im Sinne der Aufklärung sollte Wissen durch das genaue Betrachten, Handhaben und Vermessen von Dingen überprüft werden. Diese Dinge wurden dann katalogisiert und archiviert und immer wieder in Forschung und Lehre eingesetzt.

Gleichzeitig war es den Gründervätern der Universität wichtig, die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Direkt neben der Bibliothek am Papendiek betreute Johann Friedrich Blumenbach, der erste Aufseher des Academischen Museums, die von seinem Zeitgenossen Georg Christoph Lichtenberg sogenannten „akademischen Kabinette“ der Universität – die Keimzelle der heute über den Campus verteilten, über 70 akademischen Sammlungen. Eine erstaunliche Vielfalt an Dingen war dort zu sehen: Gesteine, Mineralien und Fossilien, Gipsabgüsse antiker Skulpturen und archäologische Fundstücke, Tierpräparate, Münzen und Medaillen, botanische Herbarien, Gemälde und Grafiken, historische Messinstrumente, Schädel, Mumien, anatomische Präparate.

Ansicht des Acadmischen Museums. Lithographie von Friedrich Besemann, ca. 1830.
Ansicht des Acadmischen Museums. Lithographie von Friedrich Besemann, ca. 1830.

Aus einem zentralen Museum werden viele spezialiserte Sammlungen

Im 19. Jahrhundert brachte die Ausdifferenzierung der Fachdisziplinen ein enormes Wachstum der Sammlungsbestände mit sich, an der oftmals die Geschichte ganzer Disziplinen nachvollziehbar ist. 1840 führte dies zur Aufspaltung des zentralen Academischen Museums. Bis heute sind die Sammlungen auf über dreißig Standorte in der Stadt verteilt. Von Kriegszerstörung weitgehend verschont geblieben, ist das akademische Erbe in den Göttinger Sammlungen – im deutschlandweiten Vergleich – in ungewöhnlich vollständiger Form erhalten geblieben.

Heute versteckt sich der Grundstock des Academischen Museums in der Objektfülle des modernen Sammlungsbestandes. Deshalb besteht der erste Schritt der digitalen Rekonstruktion im Durchforsten alter Inventare und Schriftquellen wie dem „Catalogus Musei Academici“. Welche Objekte gehörten zum Kernbestand der Ursprungssammlungen? Was verraten uns die Reiseberichte europäischer Gelehrte, die das Museum besuchten? Und wie beschreiben die damaligen Professoren den Einsatz der Objekte in ihrer Lehre?

 

Digitaliserung: Das Academische Museum entsteht virtuell von Neuem

Die so identifizierten Objekte werden derzeit von den Kustodinnen und Kustoden in Zusammenarbeit mit einem Team aus wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitern in den jeweiligen Sammlungen ausfindig gemacht. Das Team erfasst grundlegende Informationen über das Objekt (z. B. Größe, Material, Datierung, Quellen etc.) und trägt sie in eine zentrale Sammlungsdatenbank ein, die allen Sammlungen am Campus zur Verfügung steht. Für die fotografische Reproduktion baut das Digitalisierungsteam die mobile Ausrüstung an den jeweiligen Standorten auf. Die Objekte werden vor farbneutraler Hohlkehle individuell ausgeleuchtet und inszeniert. Die Fotografen erstellen isolierte Ansichten der Objekte aus mehreren Perspektiven.

Digitalisierung einer "Naturalie" aus dem Bestand des Academischen Museums
Digitalisierung einer “Naturalie” aus dem Bestand des Academischen Museums

 

 

Die in die Breite der Bestände zielende fotografische Digitalisierung und Basiserschließung der Altbestände der Göttinger Sammlungen dient als Grundlage für die weitergehende Bearbeitung und Tiefenerschließung der Bestände im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben. So widmet sich z.B. das Editionsprojekt „Johann Friedrich Blumenbach – Online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen speziell dessen Schriften (mehr als 1.025 Texte, mit ca. 80.000 Seiten) sowie den mit Blumenbach und seiner Forschung verbundenen, noch erhaltenen Objekten aus seinen naturkundlichen Sammlungen (mehr als 4.500 Objekte). Diese werden in Auswahl zusätzlich durch stereoskopische Aufnahmen dreidimensional erfasst und en Detail wissenschaftshistorisch und hinsichtlich ihrer Provenienzen tiefenerschlossen, um Objekte und Schriften gemeinsam und verknüpft in digitaler Form zugänglich machen.

Auch das Projekt „Sammeln erforschen – Geschichte und wissenschaftliche Aktualisierung der Göttinger Universitätssammlungen im Kontext museumstheoretischer und ethnologischer Diskurse“ setzt an der derzeitigen Basiserschließung an und nimmt die Altbestände insbesondere der Ethnologischen Sammlung dahingehend unter die Lupe, die Bedeutung wissenschaftlicher Sammlungspraxis für die Entwicklung des Faches Völkerkunde/Ethnologie/Ethnographie zu beleuchten und diese materialbasiert wissenshistorische Perspektive in aktuelle Theoriediskurse der Ethnologie, Museumswissenschaft und der Material Culture Studies einzubringen.

Die wissenschaftliche Zeitreise in die historische Sammlungspraxis und vielschichtige Göttinger Sammlungslandschaft des 18. und 19. Jahrhunderts beginnt mit der digitalen Öffnung der historischen Sammlungen. Stück für Stück erschlossen, um sodann in kollaborativer Forschung mit digitalen Methoden ausgeleuchtet zu werden, wird das einstige Academische Museum der Georgia-Augusta künftig virtuell wiederentstehen und erfahrbar werden.

[grey_box] Die digitale Rekonstruktion der Göttinger Altbestände bildet einen Schwerpunkt der laufenden Digitalisierungsarbeit der Zentralen Kustodie und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Die technische und personelle Ausstattung des Projekts wird durch die finanzielle Unterstützung des Landes Niedersachsen möglich gemacht. Die Ergebnisse werden im Sammlungsportal der Universität veröffentlicht, das im Herbst 2017 freigeschaltet werden wird (zur Beta-Version).[/grey_box]