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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Im Schaufenster: die Erde erforschen

Erdbeben vorhersagen, Schwingungen im Boden messen, Wellen aufzeichnen: 1898 wurde das Geophysikalische Institut in Göttingen eingerichtet. Es war das erste weltweit. Ihr Direktor: der Geophysiker Emil Wiechert. Mit ihm war die Richtung vorgegeben: die Erdbebenforschung, auch Seismik genannt.

Fuß des transportablen Seismographen

Erdbeben messen

Daher befinden sich in der Geophysikalischen Sammlung auch viele Seismographen aus dem 20. Jahrhundert. Einer davon misst die horizontalen Wellenbewegungen von Erdbeben. Mit 12 Kilogramm ist er relativ schwer, dennoch haben ihn die Wissenschaftler in den 1930er-Jahren wohl mit ins Feld genommen.

Der Seismograph wurde 1937 an der Uni Göttingen gebaut.

Die Bewegung der Welle wird über Hebel und Faden auf einen Spiegel übertragen. Mit Hilfe von Licht, das der Spiegel reflektiert, konnten die Geophysiker dann die Bewegung auf Fotopapier aufzeichnen. Aber das ist nur ein Objekt, das ihr im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen entdecken könnt.

Wind und Wetter bestimmen

Hier findet ihr auch ein Anemometer. Das ist ein Instrument, mit dem die Windgeschwindigkeit gemessen wird.

Schalenanemometer aus dem 20. Jahrhundert

Der Wind bringt die Schalen zum Rotieren. Die Geschwindigkeit kann dann gemessen werden. Solche sogenannten Schalenanemometer findet ihr an wichtigen Wetterstationen, zum Beispiel auf Flughäfen oder Schiffen.

Magnetfeld erfassen

Die heutigen Geophysik*innen an der Uni Göttingen untersuchen noch immer die Erde und fragen unter anderem, wie leitfähig ihr Inneres ist. Der Doppelkompass hier ist zwar schon älter, aber das Prinzip ist noch immer aktuell.

Doppelkompass nach Bidlingmaier von 1935/40

Der Kompass besitzt zwei magnetische Nadeln, die sowohl mit dem Erdmagnetfeld als auch untereinander kommunizieren. So sind Aussagen über die Stärke des Magnetfeldes möglich.

Objekte besuchen

Ihr merkt schon: Die Objekte der Sammlung geben einen kleinen Einblick in die Geschichte der Geophysik. Wenn euch diese interessiert, schaut am besten nicht nur im Forum Wissen vorbei, sondern besucht auch die Wiechert’sche Erdbebenwarte. Hier gibt es die originalen Seismographen, die Emil Wiechert entwickelt hat und: sie funktionieren noch.

Fotos: Martin Liebetruth

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Sammlung

100 und mehr: die Göttinger Sammlungen

Eine Ausstellung, eine Datenbank, ein Raum – für alle gemeinsam. Mittlerweile gibt es das und trotzdem treffen sie sich noch, die Kustod*innen aus den Sammlungen der Uni Göttingen. Nun schon zum einhundertsten Mal.

100. Forum in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen

Angefangen hat es 2009: Damals wollte sich die wissenschaftliche Kommission Niedersachsens (sie berät die Landesregierung) ein Bild von den akademischen Sammlungen machen. Ihr Weg führte sie daher auch nach Göttingen. „Wir hatten damals kaum Kontakt untereinander. Umso überraschender war es daher für uns zu merken: Wir haben die gleichen Interessen, die gleichen Bedürfnisse, auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Fächern kommen“, beschreibt Daniel Graepler die Situation. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Objekte von drei archäologischen Sammlungen. Er ist einer von rund 40 Kustod*innen an der Uni Göttingen.

Die Ausstellung

Sie setzen sich dafür ein, dass Münzen, Musikinstrumente oder mathematische Modelle artgerecht untergebracht sind und gepflegt werden. Immerhin wollen Forscher*innen und Student*innen sie nutzen, und auch Besucher*innen ihre Freude daran haben. Das war unter anderem 2012 der Fall: Zum 275-jährigen Jubiläum der Uni Göttingen luden die Kustod*innen zur Ausstellung „Dinge des Wissens“ in die Göttinger Paulinerkirche ein. Ein voller Erfolg! Über Zehntausend kamen damals. Viele von ihnen staunten über die Vielfalt der Objekte und die ungewöhnliche Welt des Sammelns, Ordnens und Erkennens.

Mathematische Modelle und Algenkulturen: die Kustodinnen Ina Kersten und Maike Lorenz

„Von der ersten Idee bis zu den Führungen oder dem Abbau der Ausstellung, wir haben damals alles gemeinsam organisiert und umgesetzt“, sagt Graepler immer noch stolz. Doch er und seine Mitstreiter merkten auch schnell, was fehlte: eine gemeinsame Plattform, in der alle Objekte beschrieben und auffindbar sind.

Das Sammlungsportal

Mit den Kolleg*innen vom Bibliotheksverbund, der Zentralen Kustodie und der Staats- und Universitätsbibliothek der Uni Göttingen haben sie daher begonnen, eine Datenbank aufzubauen – das Sammlungsportal. Aktuell verzeichnet es über 80.000 Objekte aus den Göttinger Sammlungen. Jeder kann darauf zugreifen, egal wo er oder sie sich befindet. „Das Portal war eine Antwort auf die Frage, wie wir Ressourcen besser und vor allem gemeinsam nutzen können“, erklärt der Kustos. Denn von sanierungsbedürftigen Räumen über die Restaurierung von Objekten bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – der Bedarf ist in den meisten Sammlungen gleich. „Er wird auch eher größer, ohne dass wir mehr Leute werden“, so Graepler. Daher war er froh, als 2012 die Zentrale Kustodie an der Uni Göttingen ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Kustod*innen in all diesen Anliegen zu unterstützen. Zumal die meisten von ihnen hauptberuflich in Forschung und Lehre unterwegs sind, die Pflege der Sammlungen daher überwiegend freiwillig ist.

Im Austausch – mit Daniel Graepler (steht) und Karsten Heck von der Zentralen Kustodie

Der gemeinsame Raum

Und obwohl die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist – zu unterschiedlich sind manchmal die Vorstellungen davon, was wie gemeinsam genutzt werden kann – ein Ergebnis fällt auf: das Forum Wissen. „Seit den 1980er-Jahren gab es die Idee eines gemeinsamen Raumes, eine Art Schaufenster unserer Sammlungen“, so Graepler. Im 2022 eröffneten Wissensmuseum ist die Idee nun verwirklicht: Hier sind Objekte aus den Sammlungen der Uni Göttingen öffentlich ausgestellt. Ob Reagenzglas, Schublade oder Fossil – mit ihnen lässt sich zeigen, wie Wissen entsteht.

Ryoto Akiyama (Musikinstrumentensammlung) mit seinem selbst gebackenen, diatonisch geschnittenen Kuchen

Ein besonderer Reiz dabei: Die Objekte kommen wie die Kustod*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Dadurch wechseln die Perspektiven und Geschichten. Langweilig wird es nicht.

Lust auf mehr

Das motiviert auch zu gemeinsamen Aktionen wie dem Tag der offenen Sammlung, der Vortragsreihe „Sachverstand“ oder den Sonntagsspaziergängen. Jeden Sonntag öffnen das Geowissenschaftliche Museum, die Kunstsammlung und die Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihre Türen für Besucher*innen. “Das ist möglich, weil wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen”, so Graepler, der auch Sprecher der Kustod*innen ist. Alle sechs Wochen kommen sie in einer ihrer Sammlungen zusammen, reden darüber, wo ihnen der Schuh drückt, entwickeln Visionen und – schauen sich natürlich auch Objekte an. „Egal ob die Kunsthistorikerin von ihren Bildern erzählt oder der Informatiker von seinen Rechnern, es hören trotzdem alle zu.“ Das ist für Graepler faszinierend und bestärkt offenbar nicht nur ihn, das Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen.

Fotos vom 100. Sammlungstreffen: Martin Liebetruth

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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Farbenfroh und lebendig: die Algenkulturen

Ob grün, blau oder rot – die Algen und Cyanobakterien sind vor allem mikroskopisch klein und: sie leben. In verschiedenen Gläsern, schön temperiert, mit und ohne Tageslicht in der Sammlung von Algenkulturen der Uni Göttingen (SAG). Sie ist eine der weltweit größten und ältesten Sammlungen dieser Art.

Blick in die Sammlung von Algenkulturen der Universität Göttingen. Foto: Jan Vetter

Warum es sich lohnt, Algen zu sammeln

Wer weiß schon vom Landgang der Pflanzen? Vor Millionen Jahren begannen einige Algen, das Leben auf dem Land dem im Wasser vorzuziehen. Ein einmaliger Vorgang in der Erdgeschichte, der die Vielfalt unserer heutigen Pflanzenwelt einleitete. Um erklären zu können, was damals geschah, untersuchen Forscher*innen der Universität Göttingen zum Beispiel die Nachkommen jener Algen.

Petrischalen mit verschiedenen Algenkulturen für Forschung in aller Welt. Foto: Maike Lorenz

Dazu gehört auch die Alge Mesotaenium endlicherianum, die seit 25 Jahren in der Göttinger Sammlung lebt. Hier pflegt sie Maike Lorenz mit ihrem Team. „Wir haben Anfragen aus aller Welt, von Wissenschaftlerinnen oder Lehrern, Künstlern oder Architektinnen“, erklärt die Kustodin. Sie weiß, dass ihre Algen begehrt sind sowohl in der Klimaforschung als auch beim Mikroskopieren im Studium. Selbst Unternehmen, die mit Giftstoffen experimentieren, Häuser bauen oder nach alternativen Energien suchen, fragen an. Seit 1954 gibt es die Sammlung an der Uni Göttingen. Mittlerweile beherbergt sie rund 2.900 Algenkulturen aus aller Welt.

Stars der Sammlung

Dazu gehört natürlich die älteste Algenkultur, die Grünalge Chlorella vulgaris (SAG 211-11b). Sie wurde bereits 1889 aus einer Wasserprobe isoliert, also aus der Natur gewonnen – so auch die Blutregenalge oder korrekt gesagt: eine Kultur der Blutregenalge. „Sie stammt aus einem sauren Tümpel im Harz und ist seit 1959 hier bei uns“, so Lorenz.  Die Blutregenalge gehört auch zu den Grünalgen. Sie ist jedoch in der Lage, ihre Farbe zu wechseln: Wenn es in der Umwelt ungemütlich wird, nimmt sie dieses schöne Rot an. Hervorgerufen wird das durch den Farbstoff Astaxanthin. Das ist ein Carotinoid, das für Fische zum Beispiel sehr gesund ist und ihr Fleisch häufig lachsrot färbt.

Mikroskopische Aufnahme der Blutregenalge, Stamm SAG 192.80 Haematococcus pluvialis. Foto: Maike Lorenz

Algen im Forum Wissen

Wer sich die Blutregenalge einmal anschauen möchte, der kann dazu ins Forum Wissen gehen. Im Sammlungsschaufenster ist die mikroskopische Aufnahme zu sehen. “Wir können leider keine lebenden Organismen hier ins Schaufenster stellen,” erklärt die Algenexpertin. Denn die feuchten Nährmedien, mit denen sie die Algen am Leben hält, könnten andere, oft sehr empfindliche Objekte gefährden. Gute Nachbarschaft im Schaufenster geht daher vor! Aber auch die Bilder und Informationen erzählen viel über das Leben in der Sammlung. Wer mehr möchte, der kann darüber hinaus in die Räume “Schränke” und “Labor” gehen. Was es dort zu finden gibt, verraten wir jetzt nicht. Wünschen aber viel Freude beim Entdecken.

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Sammlung

Kisten voller Überraschungen

Wenn sich im Althistorischen Seminar die Bananenkisten stapeln, bedeutet dies für das Altertumswissenschaftliche Filmarchiv und dessen Mitarbeiter zunächst drei Dinge: 1. Die Sammlung Stern hat wieder Zuwachs bekommen. 2. Eine Menge schwere Tragearbeit ins zweite Obergeschoss. 3. Eine spannende Zeit beim Öffnen der Kisten, die immer wieder neue Schätze und auch Kuriositäten offenbaren.

Bücher, Filmtechnik, Dias und Memorabilia aus den Neuzugängen

Die Sammlung Stern im Althistorischen Seminar

Unser Archiv ist zum größten Teil eine Sammlung von Filmen zu archäologischen, althistorischen und anderen altertumswissenschaftlichen Themen. Der Kern geht zurück auf eine Stiftung aus dem Nachlass des Archäologen, Filmforschers und Museumspädagogen Tom Stern (1958–2016). Er hatte sich mit diesen Filmen eine umfangreiche und vielfältige Privatsammlung aufgebaut. Die Filme bieten ein großes Spektrum an Formaten: von Spielfilmen über Kinderprogramme, Werbung und Propaganda hin zu Dokumentarfilmen und -serien, die den Großteil des Bestandes ausmachen.

DVDs, VHS-Kassette und eine Filmrolle aus den Neuzugängen

Der Alltag in der Sammlung

Eine unserer Hauptaufgaben als studentische Hilfskräfte in der Sammlung ist die Digitalisierung des Bestandes. Besonders Filme, die aufgrund ihrer alten Datenträger bald nicht mehr abspielbar sein werden, gilt es zu sichern. Auch gibt es Filme, die sonst kaum noch anderweitig erhalten oder sogar noch ganz unpubliziert sind. Das Ziel unserer Arbeit ist, jenseits der Bewahrung, das Material für Lehre und Forschung nutzbar und zugänglich zu machen. Neben dieser alltäglichen Arbeit gibt es immer abwechslungsreiche Aufgaben, zum Beispiel rund um Vorträge, Workshops, Nutzeranfragen oder Filmvorführungen. Vor allem aber gehören dazu das Sichten und Ordnen von Neuzugängen, die in den Bestand der Sammlung mit eingegliedert werden müssen. Und eine große Lieferung solcher Neuzugänge hat uns nun aus Essen erreicht.

Das sind wir beim Sichten des neuen Materials.

Kisten voller Überraschungen

Die Kisten mit ihren Inhalten stammen aus dem Nachlass von Tom Stern. Nachdem wir sie in die Räume der Sammlung gebracht haben, machen wir uns daran, das Material zu sichten. Auch wenn einige der Kisten beschriftet sind: Was genau sich darin befindet, sehen wir immer erst, wenn wir sie zum ersten Mal öffnen. Und dabei haben wir schon einige überraschende Entdeckungen gemacht. Unter anderem haben wir zwischen den Objekten und Unterlagen schon private Andenken wie Urlaubsfotos und Gebasteltes der Kinder gefunden. Das sammeln wir zunächst separat, um es dann wieder an die Familie zurückzugeben.

Bücher und Spiele aus der Sammlung

Unter den rund 500 neu eingetroffenen Büchern spielt Film die Hauptrolle. Aber dazu kommt eine Menge an geschichtlichen, archäologischen und museumspädagogischen Themen. Dabei handelt es sich nicht nur um Sach- und Fachbücher, sondern auch um eine Vielzahl an Kinderbüchern und Comicheften. Einige Ordner mit Arbeitsmaterialien beinhalten Tom Sterns Nachforschungen zu Filmthemen, für Vorträge, Ausstellungen oder Publikationen. Dazu kommt Material verschiedener Filmfestivals. Außerdem können wir unsere Sammlung um einige weitere Filme ergänzen, aber auch um Technik zum Abspielen und Reparieren von Filmen. So können wir teilweise Lücken schließen. Daneben sind auch neue Medien, etwa CDs und Dias, aufgetaucht.

Am meisten überrascht hat uns jedoch die Vielzahl an Memorabilia, die sich in den Kisten verstecken. Dies sind verschiedenste Objekte, die mit den Themen zu tun haben, zu denen Tom Stern geforscht hat. Sie reichen von Plakaten, über Spiele und Puppen bis hin zu haarigen Lampen. Diese sollen nun als die neuen „Bewohner“ der Sammlung aufgenommen werden.

Puppen und eine Lampe im „Steinzeit-Stil”

Der Weg in den Bestand

Wenn alle Bananenkisten gesichtet sind, ist der nächste Schritt, die Neuzugänge in den bisherigen Bestand der Sammlung einzupflegen. Alle Objekte bekommen Signaturen und werden entweder zu ihren bestehenden Kategorien, wie Medien und Technik, hinzugefügt oder es werden neue Kategorien, wie für die Memorabilia, erstellt. Wichtig ist zudem, dass wir die Objekte fotografieren und anschließend in die Objektdatenbanken der Universität einspeisen. So werden wir auch diesen Teil der Sammlung zugänglicher machen, damit er etwa für Ausstellungsprojekte oder Forschungsvorhaben recherchiert werden kann.

Den Buchnachlass von Tom Stern haben wir mit unserem Sammlungsleiter Martin Lindner thematisch nach Schwerpunkten sortiert. Diese Themengebiete machen die vielfältigen Arbeitsschwerpunkte des Forschers Tom Stern deutlich: Archäologie und ihre Theorie, Museumspädagogik, Ur- und Frühgeschichte, Germanien, Orient- und Afrikaforschung, historische Reiseberichte und Antikenrezeption in verschiedenen Medien. In einem neu dafür eingerichteten Nutzerraum bereichern diese Facetten die Bestände der Sammlung.  Alle Neuzugänge, wie auch der Rest der Sammlung, werden somit nutzbar für Forschung und Lehre, damit die Arbeit von Tom Stern erhalten und fortgeführt wird.

Autor*innen: Carolin Franziska Pilz und Konstantin Schwenke

Fotos: Xikai Chen

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Forum Wissen Sammlung

Das Verborgene sichtbar machen

Wie sieht eigentlich das Herz eines menschlichen Embryos aus? In unserem Sammlungsschaufenster könnt ihr es sehen. Denn hier ist ein zerlegbares Modell eines sechs Wochen alten Embryos ausgestellt. Der ist zu diesem Zeitpunkt ungefähr sechs Millimeter groß. Mit bloßem Auge also kaum zu sehen, zumal im Mutterleib. Jörg Männer versteht sich daher als jemand, der das normalerweise Verborgene sichtbar macht – mit den Objekten aus seiner, der Humanembryologischen Sammlung Blechschmidt.

PD Dr. Jörg Männer mit dem zerlegbaren Modell eines menschlichen, embryonalen Herzens.

Wie das Blut fließt

„Bereits in der vierten Woche nach der Befruchtung beginnt das menschliche Herz Blut zu pumpen,“ erklärt der Kustos. Zu diesem Zeitpunkt ist es lediglich ein schlauchförmiges Gebilde, dessen Pumpaktion an die des Darmes erinnert. Während der folgenden drei Entwicklungswochen aber wird der embryonale Herzschlauch in ein vierkammeriges Herz umgebaut. Nun ähnelt es dem eines Erwachsenen. Welchen Weg das Blut innerhalb des Herzens nimmt, zeigen die farbigen Ausgüsse. Sie stehen für verschiedene Hohlräume im Herzen – eines Erwachsenen und eines Fetus (so wird der Embryo nach der achten Entwicklungswoche genannt). Grün heißt: Hier fließt sauerstoffarmes Blut. Gelb zeigt die Bahn für das Blut an, das reich an Sauerstoff ist.

Ausgüsse der Hohlräume im Herzen von Fetus (links) und Erwachsenem (rechts).

Auf den ersten Blick scheint das Herz eines Fetus genauso zu funktionieren wie das nach der Geburt. Schaut man aber genauer hin, sind die Unterschiede zu erkennen: Die linke und die rechte Hauptkammer des fetalen Herzens arbeiten parallel. Das heißt, beide pumpen ihr Blut in den Körperkreislauf. Nur ein sehr kleiner Anteil fließt durch den Lungenkreislauf. Das hängt mit der vorgeburtlichen Atmung zusammen, die jetzt noch über die Plazenta läuft. Nach der Geburt hingegen arbeiten die beiden Hauptkammern seriell: Die rechte pumpt das sauerstoffarme Blut in den Lungenkreislauf und die linke pumpt es von dort – nachdem es sich wieder mit Sauerstoff angereichert hat – zurück in den Körperkreislauf.

Blick in den Sammlungsraum. Foto: Michael Markert

Repliken sind öffentlich ausgestellt

So kann es der Kustos auch im Seminar erklären. „Die Objekte erleichtern es den Studierenden, die vorgeburtliche Entwicklung des Menschen zu verstehen“, so Männer. Denn gerade das Herz-Kreislauf-System erfährt mit der Geburt und dem Verlust der Plazenta einen grundlegenden Umbau. Das nachzuvollziehen, ist nun im Forum Wissen möglich. Wer darüber hinaus mehr über die Sammlung und ihre Geschichte erfahren möchte, liest am besten hier weiter. Und wer sich für 3D-Repliken von Embryos interessiert, der kann die einzigartigen, überlebensgroßen Objekte im Institut für Anatomie und Embryologie besichtigen.

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Hinter den Kulissen Sammlung

Vom Projektor zu Indiana Jones: die Sammlung Stern

Aus dem Sammlungsschaufenster im Forum Wissen stellen wir euch heute das Altertumswissenschaftliche Filmarchiv vor. Es ist eine unserer jüngsten Sammlungen, die es erst seit rund sechs Jahren gibt.

Bell & Howell-Projektor für 16-mm-Filme. Die Audiospur liegt als sogenannter Lichtton mit auf der Rolle.

Mit diesem Gerät fing alles an: Deshalb stellt Carolin Pilz den 16-mm-Projektor auch gut sichtbar ins Sammlungsschaufenster des Forum Wissen. „Der Projektor ist das Gründungsobjekt des Göttinger Filmarchivs“, erklärt die Studentin stolz. Damit hat der Archäologe Tom Stern Filme gezeigt – nicht nur zu Forschungszwecken, sondern auch in vielen Schulen oder Museen. Kaum vorstellbar, dass dieses 20 Kilo schwere Gerät jahrzehntelang als mobiles Kino beliebt war. Gerade weil es so gut zu handhaben, leicht beweglich und robust war. „Für mich ist das ein doppelter Blick in die Vergangenheit“, erzählt Carolin weiter: Denn sie erfährt durch solche Objekte nicht nur, wie die Vorführpraxis vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Auch die Filme selbst sieht sie gern.

Antike im Film

Denn das wollte der Archäologe und Filmforscher Tom Stern (1958–2016) wissen: Welches Bild vom Altertum erzeugt ein Film? Wie und warum werden die Geschichten erzählt? Auch Ausgrabungen hielt der Forscher im Bewegtbild fest und schuf so besondere Einblicke in wissenschaftliches Arbeiten. Carolin studiert selbst Geschichte und Klassische Archäologie und findet diese andere Art des Zugangs zu ihren Fächern enorm erfrischend.

Filmrollen, VHS-Kassette und der letzte Film von Tom Stern, den Regisseur Enzio Edschmid fertiggestellt hat.

Auch Martin Lindner, der Kurator der Sammlung Stern, freut sich über diesen Türöffner: „Noch sind nicht alle Objekte unseres Archivs digitalisiert. Mit so einem Projektor können wir Filme, die 50 oder 60 Jahre alt sind, sogar unter Originalbedingungen zeigen.“ Und damit ein wenig in die Kinoatmosphäre dieser Zeit eintauchen.

Leidenschaft: Sammeln

Das scheint umso wichtiger, je mehr die Antike aus den Lehrplänen des Unterrichts verschwindet. Doch das war wohl nur ein Grund, warum Tom Stern begann, Filme zu sammeln – vor allem jene, die er analysierte oder an denen er mitwirkte. Sein Nachlass ist heute der Grundstock des Altertumswissenschaftlichen Filmarchivs. Zu ihm gehören auch Sterns Bücher, Zeitschriften und Arbeitsmappen wie die zu Leo Frobenius – Ethnologe, Archäologe und Hauptfigur eines Stummfilms über die Ruinenstätte Groß-Simbabwe von 1929.

Zeugnisse der Filmgeschichte von Tom Stern sowie dem Kieler Regisseur und Archäologen Kurt Denzer (1939–2021).

Aber auch Klassiker wie „Indiana Jones“ oder moderne Terra X-Sendungen schlummern in der Sammlung, die längst über Sterns Aktivitäten hinausgewachsen ist.

Herzlich willkommen

Wer sich davon ein Bild machen möchte, besucht am besten das Sammlungsschaufenster im Wissensmuseum. Es ist aber auch möglich, den einen oder anderen Film zu schauen und sich auf die Suche nach den alten Zeiten zu begeben. In dem Fall bittet am besten Martin Lindner um einen Termin im Althistorischen Seminar der Uni Göttingen.

Fotos: Uni Göttingen

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Sammlung

Schaufenster der Dinge

Was haben ein Buntwaran, ein Doppelkompass und Oberschenkelknochen gemeinsam? Sie gehören zum Sammlungsschaufenster des Forum Wissen.

Blick ins Sammlungsschaufenster des Wissensmuseum.

Doch wer kennt die vielen Objekte aus den Laboren und Werkstätten, Bibliotheken und Büros der Uni Göttingen schon? Daher wollen wir euch einige von ihnen in den kommenden Wochen hier auf unserem Blog und auf Instagram, Facebook und Twitter vorstellen. Ihr könnt also gespannt sein. Soviel vorab: Alle Objekte kommen aus unseren über 40 Sammlungen. Ihr könnt sie im Sammlungsschaufenster sehen. Sie zeigen, wie an einer Universität geforscht und gelehrt wird.

Buntwaran (Biodiversitätsmuseum), Doppelkompass (Geophysik) und Oberschenkelknochen (Anthropologie).

Und wenn ihr selbst mehr über eine Sammlung erfahren möchtet, dann schreibt es uns in die Kommentare. Wir nehmen eure Fragen und Anregungen gern mit auf. Ansonsten freut euch auf den 6. März 2023. Dann starten wir und laden euch ein, jeden Montag mit uns einen Blick ins Schaufenster zu werfen. Los geht es mit der Sammlung Stern, dem Althistorischen Filmarchiv. Lasst euch überraschen!

Fotos: Martin Liebetruth

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Ausstellung Forum Wissen

Moving Things – bewegte und bewegende Dinge rund um Flucht und Migration

Von Louisa Marie Hartmann und Eva Völker –

Foto: Martin Liebetruth

Welche Geschichten erzählt ein Smartphone? Welche Hoffnungen sind mit einem Paar abgelaufener Schuhe verbunden? Was bedeuten solche und andere Dinge für Menschen auf der Flucht? Wie kommt es, dass alltägliche Dinge so eine besondere Bedeutung bekommen? Unsere Sonderausstellung MOVING THINGS nähert sich den Themen Flucht und Migration, in dem sie einfache Dinge in den Fokus rückt.

Foto: Martin Liebetruth

Ein zentrales Objekt, das die Sonderausstellung untersucht, sind Schuhe. Diese unscheinbaren Alltagsgegenstände sind intime Zeugnisse von Flucht und Migration. Sind sie doch eng mit den Menschen verknüpft, die sie zum Schutz ihrer Füße trugen, während sie über Grenzen hinweg ihren Weg gegangen sind – oft trugen sie auch nicht nur die Menschen selbst, sondern auch ihre Hoffnung auf ein neues Leben, auf eine bessere Zukunft. Drei Fotografen haben ihren Blick auf die Schuhe von Geflüchteten und die ihnen eingeschriebenen Geschichten gelenkt.

Foto: Martin Liebetruth

Die Ausstellung widmet sich auch dem sinnlichen Thema Essen. Essen kann Verbindung schaffen zwischen Menschen, zum Beispiel wenn man zusammen kocht oder gemeinsam isst. Es kann aber auch zum Spannungsfeld werden, etwa wenn man sich an ungewohnte Kost und an festgelegte Essenszeiten gewöhnen muss. In Geflüchtetenunterkünften bewegen sich Migrant*innen zwischen Schutz und Fremdbestimmung – in kaum einem anderen Bereich wird das deutlicher als beim Thema Essen. Essen kann Menschen ausgrenzen, aber auch eine Brücke in die Heimat darstellen.

Foto: Martin Liebetruth

So etwas wie eine Brücke in die Heimat ist für viele Migrant*innen auch das Smartphone. Es ist häufig viel mehr als ein Kommunikationsmittel, verbindet es die Menschen, die unterwegs sind, doch mit allen und allem, was sie zurückgelassen haben – mit Familie und Freunden, mit der oft gehörten Lieblingsmusik. Das Smartphone wird so gewissermaßen zu einem Zuhause in der Hosentasche. MOVING THINGS wirft einen ganz neuen Blick auf diesen täglichen Begleiter.

Foto: Martin Liebetruth

Berührend ist auch das raumfüllende Schlauchboot, das so gezeigt wird, wie es 2017 von der Hilfsorganisation Sea Eye auf dem offenen Meer aufgefunden wurde – als graue, schlaffe Hülle, ohne Luft, ohne Leben, trieb es auf dem Mittelmeer. Wie viele Menschen an Bord waren, was aus ihnen geworden ist, darüber ist nichts bekannt. Das Boot ist Teil einer Kampagne der Seenotrettungsorganisation Seebrücke, die für sichere Fluchtwege, die Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine humanitäre Aufnahme für Geflüchtete wirbt. In diesem Zusammenhang ist das Boot zum Ausstellungsobjekt geworden.

Foto: Martin Liebetruth

Einen sehr passenden Epilog zu MOVING THINGS bildet die künstlerische Arbeit HELPERS CHANGING HOMES von Yuka Oyama aus Berlin. Sie geht der Frage nach, wie man die Leere ausfüllt, die dadurch entsteht, dass man sein Zuhause verlassen hat. Dazu hat Yuka Oyama Menschen befragt, die wie sie selbst ein nomadisches Leben führen. Die Künstlerin kommt zu dem Ergebnis, dass es in erster Linie materielle Dinge sind, viel mehr als Kultur, ethnische Communities, Geschlechterrollen oder Traditionen, die den Menschen, die unterwegs sind, Stabilität und Identität schenken.

Die Ausstellung ist das Ergebnis des Forschungsprojektes „Zur Materialität von Flucht und Migration“, das von drei Verbundpartnern getragen wurde: dem Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen, dem Museum Friedland und dem Berliner Ausstellungsbüro Die Exponauten. Ausstellungen et cetera. Ausgangspunkt für das Projekt waren ethnografische Forschungen im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen. Die Wege der Recherche, die Gespräche und Begegnungen führten nach Moria und in die Türkei, nach Syrien und zu afghanischen Communities im Iran. In Göttingen laufen nun die Fäden zusammen. MOVING THINGS läuft noch bis zum 15.01.2023.

Foto: Martin Liebetruth

Unter dem Titel MOVING THINGS ist auch eine Publikation erschienen, die die Themen der Ausstellung zum Teil vertieft, zum Teil ergänzt. Das Buch ist online beim Wallstein Verlag erhältlich und in unserem Shop, direkt im Forum Wissen. Die Autor*innen schreiben über bewegte und bewegende Dinge im Kontext von Flucht und Migration und liefern Hintergrundinformationen zu den Ausstellungsthemen.

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Forum Wissen

Wir eröffnen das Forum Wissen 🎈

Pfingsten ist es soweit! Wir öffnen unsere Türen und laden alle ganz herzlich ins Forum Wissen der Uni Göttingen ein.

Aufnahme von der Einweihung des Forum Wissen. Foto: EBR

Um 10 Uhr geht es am Samstag los: Wer möchte, kann dann die Räume des Wissens entdecken. Unsere Kommunikator*innen freuen sich schon darauf, sie den Besucher*innen zu zeigen.

Pelin, Louisa und Dion im Raum Schränke. Foto: Martin Liebetruth

Zur Eröffnung gibt es die Chance, die Köpfe hinter der Ausstellung kennenzulernen und einen Blick ins Making-Of des neuen Göttinger Wissensmuseum zu werfen. Alle Infos zu unserem Programm finden sich auch auf unserer Website www.forum-wissen.de

Die Bubble Chairs im Salon. Foto: Louisa Hartmann

Übrigens: Angehörige der Uni Göttingen können bereits am Freitag (3.6.) kommen. Für alle anderen sind wir ab Samstag – und sogar Pfingstmontag – von 10 bis 18 Uhr da. Der Eintritt ist frei! 🤗

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Forum Wissen

Dachschmuck fürs Forum Wissen

In rot leuchtenden Buchstaben ist nun der Name am neuen Wissensmuseum der Universität Göttingen zu lesen: FORUM WISSEN. Mit einem Hydraulikkran wurden die Lettern an der Technikzentrale befestigt.

Foto: Martin Liebetruth

Möglich gemacht hat das der Förderkreis Forum Wissen: Dieser spendete 30.000 Euro und finanzierte so den Dachschmuck.

Foto: Peter Heller

„Wir freuen uns, auf diese Weise das Forum Wissen fördern und sicher stellen zu können, dass alle Besucherinnen und Besucher das neue Wissensmuseum finden“, so Wolfgang Meyer, Vorsitzender des Vereins. Er übergab im zukünftigen Museumscafé den Scheck an den Präsidenten der Universität, Prof. Dr. Metin Tolan.

Foto: Peter Heller

Mit dabei Andrea Ruhstrat, Sigrid Lüttge und Kai Dietrich vom Förderkreis Forum Wissen und die Projektleiterin Dr. Marie Luisa Allemeyer sowie Prof. Dr. Christoph Bleidorn, der zukünftige wissenschaftliche Leiter des Hauses. Zu diesem werden neben dem Forum Wissen auch das Biodiversitätsmuseum und das Thomas-Oppermann-Kulturforum gehören.

Foto: Martin Liebetruth