Die Sonderausstellung “Face the Fact. Wissenschaftlichkeit im Portrait” feierte am 3. März 2019 ihre Finissage. Seit dem 27. September 2018 war sie in den Räumen der Kunstsammlung der Universität Göttingen zu sehen. Anna Luise von Campe, Studentin der Kunstgeschichte, war beim feierlichen Abschluss dabei.
Ein Traum von Wissenschaftlichkeit
„Schon als Kind hatte ich voller Stolz meinen Eltern vorgeschwärmt, dass ich ihnen eines Tages in einer Dokumentation im Fernsehen etwas erklären und dabei mein Name eingeblendet sein würde. Dieses Bild hat meinen alten Traum von Neuem entfacht.“ So schreibt Lara Döring, die gemeinsam mit der Schreibwerkstatt der Universität des Dritten Lebensalters die Ausstellung besucht hat, über das Portrait einer Wissenschaftlerin. Ein Bild, das den Traum einer angehenden Wissenschaftlerin neu entfachen kann – diese Inspiration überkam viele Besucherinnen und Besucher der Ausstellung „Face the Fact. Wissenschaftlichkeit im Portrait“.
Schlözer is one of my new heroes!
Christian Vogel, Referent für Wissensforschung der Zentralen Kustodie, leitete durch den Abend und stellte den Erfolg der Ausstellung heraus. Dieser ist auch durch die aktive Teilhabe der Besucherinnen und Besucher zu verzeichnen. „2.710 haben Face the Fact gesehen“, berichtet Isabel Pagalies, wissenschaftliche Volontärin der Zentralen Kustodie, stolz. Anerkennender Beifall vom Publikum folgt. Mit einigen Passagen aus dem Gästebuch bietet die Volontärin einen Rückblick auf die Stimmen des Publikums. Vorrangig wird deutlich, dass die Ausstellung nicht nur als spannend, übersichtlich und gendersensibel wahrgenommen wurde, sondern auch zur Motivation veranlasste: „Schlözer is one of my new heroes!“ – lautet es beispielsweise im Gästebuch. Dorothea von Schlözer (1770–1825) wurde als zweite Frau Deutschlands promoviert und zählt zu den sogenannten „Universitätsmamsellen“, die als Wissenschaftlerinnen an der Geschichte der Emanzipation beteiligt waren.
Habitat Ausstellung
„Eine Ausstellung ist so eine Art Lebensraum“, erklärt Karsten Heck, Referent für Sammlungsmanagement. In diesem Sinne regte „Face the Fact“ besonders im Göttinger Umfeld Diskussionen um Wissenschaftlichkeit und deren Präsentation an. Bei Führungen von verschiedenen Fachbereichen habe es unter dem Eindruck der fokussierten Forschungsblicke Erkenntnisse und Diskussionen gegeben, berichtet der Referent. Beliebt waren unter anderem die sogenannten Cartes de Visite, die es in vergangenen Zeiten in Buchläden zu kaufen gab. „So konnte man sich seinen Professor kaufen“, beschreibt Heck mit einem leichten Schmunzeln.
Restaurierte Wissenschaftlichkeit
Im Zuge der Ausstellung konnte das Portrait von Johann David Michaelis (1717–1791) restauriert werden. Dr. Anne-Katrin Sors, Kustodin der Kunstsammlung und Dozentin am Kunstgeschichtlichen Seminar, dankte Dr. Martin Reulecke für seine Bildpatenschaft an dem Gemälde. Das Portrait erstrahlt nun in neuem Glanz; die Signatur ist wieder lesbar. Damit ist ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung der Gemälde geleistet worden.
Forum Wissen: Selbstreflexion der Wissenschaftlichkeit
Mit der „Face the Fact“-Ausstellung konnte gezeigt werden, welchen Ansatz das zukünftige Forum Wissen in Göttingen verfolgen wird. „Wir wollen ein Zentrum schaffen, in dem objektbasiert geforscht wird. Gleichzeitig soll es ein Museum werden über das Wissen-Schaffen!“, so Marie Luisa Allemeyer, Direktorin der Zentralen Kustodie. In einem Vortrag stellte sie nachvollziehbar die Planung und den Stand der Realisierung des Projekts dar. Ende 2020 soll eröffnet werden. Es werden Räume des Wissens ausgestellt und erlebbar gemacht: das Labor, die Bibliothek, der Schreibtisch, die Werkstatt, der Salon, der Markt, „…aber auch der Holzweg!“ – wie die Allemeyer berichtet. „Face the Fact“ hat bereits einen wichtigen Aspekt des Forum Wissen geteasert: die Darstellung der Selbstreflexion der Wissenschaftlichkeit.
Wie gelehrt dürfen Frauen gezeigt werden?
Ruth Finkh eröffnet während der Finissage eine Innenschau der Portraitierten auf das Portraitieren: In ihrem Vortrag verdeutlicht die Literaturwissenschaftlerin den Einfluss des Gemaltwerdens auf die Portraitierten und deren Umfeld. Die junge Philippine Gatterer (1756–1831) wurde von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722–1789) portraitiert und durchlief damit eine soziale Initiation: Sie entsprach nicht dem Schönheitsideal ihrer Zeit, doch der Maler Tischbein verlieh ihr ein geschöntes Antlitz, sodass sich ihre Selbstsicht und die Sicht der Anderen wandelte. Vor allem aber malte Tischbein sie als Dichterin mit Lorbeerkranz und Harfe und verlieh ihr damit eine soziale Rolle, die damals hauptsächlich Männern vorbehalten war. Dies ist eine der vielen Fragen, die während der Finissage zum Ausdruck kommen: „Wie gelehrt dürfen Frauen im 18. Jahrhundert gezeigt werden?“.
Face the Fact – jetzt auch digital
Zum Abschluss der Finissage wurde die digitale Ausstellung eröffnet – so können Besucherinnen und Besucher auf https://facethefact.gbv.de/start/ weiterhin virtuell „face the fact“ in einzelnen Sektionen und als 360° Rundgang erfahren. Der Sehnsucht nach alten Epochen, nach verschiedenen Klischees von Professorinnen und Professoren, nach Wissenschaftlichkeit und nach Portraits aus verschiedenen Zeiten kann nun auch digital nachgegangen werden.