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Ausstellung Sensible Objekte

Göttingen – eine Kolonialmetropole?

Was ist koloniales Wissen? Wie wurde es Anfang des 20. Jahrhunderts vermittelt? Welche Rolle spielte dabei die Uni Göttingen? Um das herauszubekommen, durchstöberten Studierende der Geschichtswissenschaft das Universitätsarchiv. Ihre aktuellen Forschungsergebnisse präsentieren sie nun in der Ausstellung „Göttingen – eine Kolonialmetropole?“ im Kulturwissenschaftlichen Zentrum am Heinrich-Düker-Weg 14. Wer sich für den Einfluss Göttingens in der Kolonialzeit interessiert, sollte sich also beeilen: Die Plakatpräsentation ist nur noch bis Sonnabend, 7. April 2018, zu sehen. Julian Schima war beim Aufbau dabei und hat mit Lehrenden und Studierenden gesprochen.

Seminarleiterinnen und Studierende beim Aufbau der Ausstellung

Einblicke in das Universitätsarchiv

Um einen Einblick in die Rolle und Position der Universität Göttingen zur Kolonialzeit zu erhalten, sichteten die Studierenden am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte unter anderem Schriften aus dem Universitätsarchiv. Das Archiv ist eine nahezu vollständige Sammlung mit Verwaltungsschriften der Universität seit 1737. Die Archivalien sind von unschätzbarem Wert. Hier sind auch die Bestände des Kuratoriums, Rektorats und der verschiedenen Fakultäten archiviert. Jeder Interessierte hat Zugang zu den Materialien. Die Sammlung dient der Universitäts- und Wissenschaftsforschung als wichtige Quellengrundlage.

Die Studierenden werteten Dokumente aus dem Archiv aus, die vorher noch nicht untersucht wurden. Sie sahen zum Beispiel die Vorlesungsverzeichnisse der Universität von 1899 bis 1932 durch. Hierbei entdeckten sie, selbst zum Erstaunen der Seminarleiterinnen, dass nach 1900 quer durch alle Fakultäten Wissen vermittelt wurde, das auf kolonialen Zusammenhängen beruhte. Theologische, philosophische und sogar medizinische Lehrveranstaltungen gaben somit Wissen weiter, das die deutsche Kolonialherrschaft unterstützte. Der Einfluss der Universität – das belegen die Vorlesungsverzeichnisse der Archivsammlung – war also ungeahnt groß.

Seminare, die an der Universität Göttingen zwischen 1899 und 1832 angeboten wurden, gefunden in archivierten Vorlesungsverzeichnissen

„Ich hätte nicht gedacht, dass die Universität Göttingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts so sehr zur Legitimation des Kolonialismus beigetragen hat“, ist Masterstudent Andreas Weis von den Ergebnissen der Recherchen überrascht. „Andererseits finde ich es spannend, dass damalige Studierende vereinzelt auch antikoloniale Kritik äußerten.“

Studentische Forschung – in der Öffentlichkeit

Die Ergebnisse des Projektseminars sind nun auf großen Plakaten ausgestellt. Der Aufbau und die Ausstellungseröffnung bilden den Abschluss der Lehrveranstaltung. „In dem Projektseminar wurde den Studierenden Forschungsarbeit praktisch zugänglich gemacht“, sagt Karolin Wetjen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere Geschichte. „Auch in die Konzeption der Ausstellung waren die Studierenden einbezogen.”

Aufbau der Ausstellung im Kulturwissenschaftlichen Zentrum
Aufbau der Ausstellung im Kulturwissenschaftlichen Zentrum

Mit solchen Lehrveranstaltungen wird neben dem Forschergeist auch die Fähigkeit und Lust gefördert, Ausstellungen zu konzipieren, wie sie auch zukünftig im Forum Wissen zu sehen sein werden. Andreas Weis freut sich darüber, dass seine und die Forschungsergebnisse seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen über die Ausstellung den Weg an die Öffentlichkeit finden. „Üblicherweise ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die wissenschaftliche Arbeit, die man als Student im Studium unternimmt, wie etwa in Hausarbeiten, nicht so groß. Hier beschäftigt sich die Öffentlichkeit aber damit.“

Die koloniale Geschichte der Universitätssammlungen

Prof. Dr. Rebekka Habermas, die gemeinsam mit Karolin Weitjen das Seminar leitete, plant bereits weitere Lehr- und Projektveranstaltungen zu der Frage, wie kolonial das Wissen ist, das mithilfe der Göttinger Sammlungen produziert wurde. Geplant ist unter anderem, die koloniale Geschichte der Universitätssammlungen und deren Objekte genauer zu untersuchen. Studierende und Forschende werden dann auch über den Umgang mit Sammlungsobjekten aus den Kolonien, die künftig im Forum Wissen in Göttingen ausgestellt werden, diskutieren.

Materielle Kulturgüter, die aus den Kolonien in Sammlungen und Museen gebracht wurden, gelten als sensible Objekte, da ihre Inbesitznahme möglicherweise mit unrechten Mitteln erfolgte. Die Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft dieser Dinge und wie sie in den Besitz der Sammlungen gelangten. Aktuelles Wissen, das sich auf Objekte aus den Kolonien und den Forschungsreisen in diese stützt, bezeichnet man als postkolonial.

„Unsere Ergebnisse werden sicherlich auf das Forum Wissen in der Frage ausstrahlen, welches Wissen auf kolonialen Verflechtungen beruht und wie man in Ausstellungen – gerade im Forum Wissen – mit sensiblen Objekten aus den Kolonien umgeht“, sagt Habermas.

 

 

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Sensible Objekte

Embryonen und Feten unbekannten Ursprungs. Provenienzforschung in der Sammlung Blechschmidt

Mit der „Humanembryologischen Dokumentationssammlung Blechschmidt“ verfügt das Zentrum Anatomie der Göttinger Universität über eine außergewöhnliche Sammlung. Zum einen sind Sammlungen von Schnittserien menschlicher Embryonen heute sehr selten und weltweit existiert weniger als ein Dutzend. Zum zweiten sind beeindruckende, fast einen Meter hohe Kunststoffmodelle zur menschlichen Entwicklung auf Grundlage der Präparate ein wesentlicher Teil der Sammlung. Diese waren lange Zeit eine Forschungsgrundlage der Göttinger Anatomie und werden bis heute in der Ausbildung von Mediziner*innen eingesetzt.

Embryo 3,4 mm aus einem Buch Blechschmidts von 1973
Zeichnung eines Modells des Embryo 3,4 mm (09.04.1954) aus der Sammlung in einem Buch Blechschmidts von 1973. Mehrere Modelle zu diesem Präparat stehen bis heute im Zentrum Anatomie.

Eine fragwürdige Vergangenheit

Leider ist die Sammlung aber nicht nur besonders, sondern auch besonders umstritten. Der frühere Institutsleiter und Sammler Erich Blechschmidt (1904-1992) schuf die Sammlung in seiner Göttinger Zeit von 1942 bis in die 1970er Jahre. Ihm wird seit mindestens 30 Jahren vorgeworfen, er hätte zumindest einige der Präparate aus nationalsozialistischen Verbrechen gewonnen und diese Herkunft nach Ende des Krieges gezielt verschleiert.

Die nun untersucht wird

Zum 1. August 2017 startete ein Forschungsprojekt zur Provenienz, also Herkunft, der Sammlung , das diesen Vorwürfen nachgeht und das ich durchführe. Vor diesem Projekt hatte ich mich als Wissenschaftshistoriker vor allem die Geschichte von Lehrmitteln der Biologie an Schule und Hochschule, ihrer Entwicklung und Nutzung erforscht. Als ich die Stelle antrat, interessierten mich an der Sammlung vor allem die großen Modelle.

Blick in den Sammlungsraum der Anatomie ca. 1964.
Blick in die Modellsammlung in der ursprünglichen, von Blechschmidt vorgenommenen Aufstellung im Zentrum Anatomie, ca. 1964. Die Fotografie war in einem Ordner abgeheftet.

Weshalb der Blick in die Vergangenheit wichtig ist

Mit Provenienzforschung zu Sammlungsobjekten, zumal mikroskopisch kleinen, hatte ich mich bis dahin nur am Rand beschäftigt. Klar war mir aber, welchen Zielen eine solche Forschung dient. Über die Aufklärung von Sammlungsgeschichte, Erwerb und Verwendung der Sammlungsobjekte entsteht eine Grundlage für die ethische Beurteilung der Sammlung und deren Einsatz in Forschung und Lehre, sofern eine Benutzung nach der Herkunftsklärung überhaupt noch ethisch vertretbar ist. (vgl. dazu auch den einführenden Beitrag von Christian Vogel).

Die Sammlung wächst durch die historische Forschung

Für meine Forschung steht mir eine große Vielfalt von Quellen zur Verfügung, die ich teilweise erst im Laufe meiner Nachforschungen im Zentrum Anatomie in entlegenen Schränken fand. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel zwischenzeitlich bedeutungslos gewordenes Material sich in manchen Institutionen erhalten hat und ‚wiederentdeckt‘ werden kann. So existiert ein umfangreicher Briefwechsel zur Einlieferung von Embryonen, woran in den 1940er bis 1960er Jahren mehr als 200 Personen beteiligt waren. Weitere Quellen sind eine Sammlungskartei mit Präparationsdaten und Abbildungen der Präparate, ein Schuber mit handschriftlichen Protokollen zu mehreren Hundert Präparationen und eine riesige Sammlung fotografischer Platten, die Präparate und Modelle zeigen.

Dankesbrief Blechschmidts zum Embryopräparat 3,4 mm (09.04.1954).
Dankesbrief Blechschmidts an den Einlieferer des oben gezeigten Präparates eines Embryo von 3,4 mm (09.04.1954), gewonnen bei einer Operation wegen Gebärmutterhalskrebs.

Mit der Sammlung wachsen die Aufgaben

Derzeit bin ich dabei, dieses Material auszuwerten sowie es miteinander und mit anderen Quellen und Aussagen von Zeitzeugen abzugleichen. Für einige der gefundenen Materialien habe ich sogar eigene kleine Projekte beantragt; sie werden in den nächsten Monaten von Hilfskräften digital erfasst. Ich hoffe, am Ende die Geschichte vieler der über 400 Präparate detailliert nachvollziehen zu können.

Karteikarte mit Foto zum Präparat 3,4 mm.
Karteikarte zum Embryo 3,4 mm (09.04.1954) aus der Sammlungskartei. Die Fotografie zeigt das Präparat vor der Aufarbeitung als Schnittserie, was auf der Karte detailliert dokumentiert ist.

Unprofessionelle Dokumentation

Erste Ergebnisse meiner Forschung habe ich am 16.03.2018 im Rahmen eines öffentlichen Symposiums zur Sammlung im Zentrum Anatomie vorgestellt (Bericht im Göttinger Tageblatt und NDR-Hörfunk).Schon jetzt ist deutlich, dass Blechschmidt nur wenige Informationen zu den Präparaten in seiner Sammlung notierte oder überhaupt bei den liefernden Medizinern anfragte. Mit den zahlreich vorhandenen Archivalien werde ich für viele Präparate eine Herkunft aus Menschenrechtsverletzungen ausschließen können. Es wird aber ein Teil mit unklarem Ursprung übrig bleiben, der möglicherweise aus einem Unrechtskontext wie etwa Zwangsabtreibungen im Nationalsozialismus stammt. Meine Aufgabe  für die übrige Projektlaufzeit ist es daher, die Dokumentation der Sammlung zu verbessern und damit die Zahl fragwürdiger Präparate zu reduzieren.

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Baustelle

Das Forum Wissen und seine Architekten

“Wir haben hier ein altes Haus, das vollkommen verbaut ist“, betont Felix Flechtner. Deshalb wollen er und sein Kollege das Gebäude wieder zum Atmen bringen. Das heißt, all die Verbauungen aus den letzten Jahrzehnten sollen wieder herausgenommen werden: nach dem Krieg eingezogene Wände, Türen, Decken. „Ich sehe diese riesengroßen Säle vor mir“, schwärmt Alexander Pfohl. Wer heute über die Baustelle streift, kann diese nur erahnen. Die Abrissarbeiten beginnen in den nächsten Wochen; dann werden die Strukturen des Baus aus dem 19. Jahrhundert deutlicher zu erkennen sein.

Spuren historischer Wandmalereien, die bei der Überprüfung der Farbschichten gefunden wurden.

Damals war es das Naturhistorische Museum der Universität Göttingen, gegründet 1877. Den Göttingerinnen und Göttingern ist das Haus an der Berliner Straße 28 eher als Zoologisches Institut bekannt, dessen Museum bis vor kurzem ein 17 Meter langes Walskelett beherbergte. Jetzt soll hier ein modernes Wissensmuseum errichtet werden. Flechtner und Pfohl gehören zu seinen Architekten. Hinter ihnen stehen die Weimarer Architekturbüros „gildehaus.partner architekten“ und „Dr. Krause & Pfohl“. Was alle vereint ist der Wunsch, das Alte geschickt mit dem Neuen zu verbinden. Das Forum Wissen ist daher ein willkommenes Projekt.

Von der historischen Wandmalerei bis zum gläsernen Neubau

„Wir ringen täglich um die richtige Lösung“, betont Flechtner. Gefragt ist ein Bau mit Ausstellungsräumen und Café, Hörsaal und Labor, Depot und Werkstatt. Das neue Museum soll modern, nachhaltig, funktional sein – aber seinen historischen Charme nicht verlieren. „Wir haben Stuckreste und historische Wandgestaltungen gefunden“ – nicht viel für Pfohl, aber immerhin einiges, das erhalten werden soll. Die Architekten verstehen sich nicht nur als Erneuerer, sondern auch als Denkmalpfleger. Ihr Ziel ist es, die Großzügigkeit des alten Hauses wieder zu gewinnen.

Darüber hinaus planen sie einen gläsernen Neubau: ein lichtdurchflutetes, großes Atrium, das wie im antiken Rom die Besucherinnen und Besucher empfängt und zum Verweilen einlädt. Durch dieses Foyer werden sie in die Ausstellungen, zum Objektlabor oder zur nächsten Veranstaltung geleitet. Eine Herausforderung sind zudem die Fenster, denn die zukünftig im Forum Wissen ausgestellten Objekte müssen vor intensivem Licht geschützt werden. „Sie bekommen daher eine Art Sonnenbrille, die zurzeit entwickelt wird“, so Flechtner.

Entwurfsskizze: Vorderansicht des zukünftigen Forum Wissen.
In Planung: Innenhof mit gläsernem Atrium.

Was verbindet die beiden?

Der Niedersachse Flechtner ist gern wieder in Göttingen. Wöchentlich kommen er und Pfohl an die Leine, um den Bau zu begleiten. Beide zog es zum Studium in die Bauhaus-Stadt Weimar, während der „Wende“ eine aufregende Zeit. „Denkmalpflege war in der in der DDR von untergeordneter Bedeutung“, so Pfohl. Ab Anfang der 90er-Jahre aber konnte er sich auf diesem Gebiet ausprobieren. Eines seiner ersten Projekte war die „Rettung“ des Neuen Museums in Weimar. Die Modernisierung der Handweberei in Besenhausen geht unter anderem auf Flechtner zurück. Nun heißt ihr gemeinsames Ziel: das Forum Wissen. „Der Zeitplan ist sportlich“, bestätigt Flechtner. Ende 2019 soll das neue Wissenshaus eröffnet werden.

Die Architekten im Video: Ein Rundgang durch die Forum Wissen-Baustelle

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Titanwurz blüht in Göttingen

Zum ersten Mal blühte in Göttingen eine Titanwurz: am Sonnabend, 3. März 2018, im Alten Botanischen Garten. Die Pflanze aus dem tropischen Regenwald Sumatras zeigte wie üblich nur kurz, einen Abend lang, ihre dunkelrote Blüte. Wer diesen Moment verpasst, muss nun rund drei Jahre warten! Wir haben daher das Aufblühen der Titanwurz mit der Kamera verfolgt – viel Spaß beim Staunen. Wer mehr erfahren möchte, kann hier schauen http://www.uni-goettingen.de/de/10865…

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Forum Wissen: Die Architektur

Die Architekten Felix Flechtner und Alexander Pfohl berichten von Ihren Plänen für den Umbau des ehemaligen Naturhistorischen Museums und Instituts für Zoologie in das Forum Wissen. Wir haben die beiden auf einem Rundgang durch die Baustelle begleitet. Zum Blog-Beitrag.