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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Im Schaufenster: die Erde erforschen

Erdbeben vorhersagen, Schwingungen im Boden messen, Wellen aufzeichnen: 1898 wurde das Geophysikalische Institut in Göttingen eingerichtet. Es war das erste weltweit. Ihr Direktor: der Geophysiker Emil Wiechert. Mit ihm war die Richtung vorgegeben: die Erdbebenforschung, auch Seismik genannt.

Fuß des transportablen Seismographen

Erdbeben messen

Daher befinden sich in der Geophysikalischen Sammlung auch viele Seismographen aus dem 20. Jahrhundert. Einer davon misst die horizontalen Wellenbewegungen von Erdbeben. Mit 12 Kilogramm ist er relativ schwer, dennoch haben ihn die Wissenschaftler in den 1930er-Jahren wohl mit ins Feld genommen.

Der Seismograph wurde 1937 an der Uni Göttingen gebaut.

Die Bewegung der Welle wird über Hebel und Faden auf einen Spiegel übertragen. Mit Hilfe von Licht, das der Spiegel reflektiert, konnten die Geophysiker dann die Bewegung auf Fotopapier aufzeichnen. Aber das ist nur ein Objekt, das ihr im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen entdecken könnt.

Wind und Wetter bestimmen

Hier findet ihr auch ein Anemometer. Das ist ein Instrument, mit dem die Windgeschwindigkeit gemessen wird.

Schalenanemometer aus dem 20. Jahrhundert

Der Wind bringt die Schalen zum Rotieren. Die Geschwindigkeit kann dann gemessen werden. Solche sogenannten Schalenanemometer findet ihr an wichtigen Wetterstationen, zum Beispiel auf Flughäfen oder Schiffen.

Magnetfeld erfassen

Die heutigen Geophysik*innen an der Uni Göttingen untersuchen noch immer die Erde und fragen unter anderem, wie leitfähig ihr Inneres ist. Der Doppelkompass hier ist zwar schon älter, aber das Prinzip ist noch immer aktuell.

Doppelkompass nach Bidlingmaier von 1935/40

Der Kompass besitzt zwei magnetische Nadeln, die sowohl mit dem Erdmagnetfeld als auch untereinander kommunizieren. So sind Aussagen über die Stärke des Magnetfeldes möglich.

Objekte besuchen

Ihr merkt schon: Die Objekte der Sammlung geben einen kleinen Einblick in die Geschichte der Geophysik. Wenn euch diese interessiert, schaut am besten nicht nur im Forum Wissen vorbei, sondern besucht auch die Wiechert’sche Erdbebenwarte. Hier gibt es die originalen Seismographen, die Emil Wiechert entwickelt hat und: sie funktionieren noch.

Fotos: Martin Liebetruth

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Ausstellung Forum Wissen Hinter den Kulissen

Die Anderen Räume – eine Ausstellung von Studierenden

Die Sonderausstellung “Die Anderen Räume” zeigt studentische Perspektiven auf den Universitätsalltag und studentische Räume, die darin eine Rolle spielen. Die Ausstellung ist noch bis 18.02.2024 auf verschiedene Freiflächen in den “Räumen des Wissens” zu sehen.

Besucher*innen der Sonderausstellung betrachten bei der Vernissage eine der von den Studierenden gestalteten Vitrinen.
Vernissage, Foto: Martin Liebetruth

Mit unserer Sonderausstellung „Die Anderen Räume. Studentische Perspektiven im Forum Wissen“ werfen wir einen Blick hinter die Kulissen unseres Universitätsalltags. Zwei Semester lang haben wir als Seminargruppe an diesem Projekt gearbeitet, das uns die Möglichkeit gab, studentische Räume jenseits der traditionellen „Räume des Wissens“ zu erkunden.

Der Entstehungsprozess

Im Wintersemester 2022/23 haben wir uns mit wissenschaftlichen Räumen auseinandergesetzt und auf dem Göttinger Campus erforscht, wie das, was Wissenschaftler*innen tun, durch universitäre Räume bedingt wird. Hier haben wir die Räume vor allem aus der Perspektive der Wissenschaftler*innen kennengelernt. Beispielsweise durften wir in der Algensammlung nicht nur die akribischen Hygienemaßnahmen beobachten, sondern auch die faszinierende Arbeit mit den Algenkulturen. So durften wir dabei zuschauen, wie eine Mitarbeiterin eine Algenkultur unter Einhaltung zahlreicher Sicherheitsmaßnahmen vervielfältigt hat. Wir hatten auch die Möglichkeit uns einige Algen unter dem Mikroskop oder im Dunkeln leuchtende, biolumineszierende Algen anzuschauen.

Nach diesen spannenden Einblicken ging es im Sommersemester dieses Jahres daran, ein Ausstellungsformat zu erarbeiten. Ursprünglich war geplant, einen Rundgang durch die Universitätssammlungen zu gestalten, doch irgendwie konnte uns diese Idee nicht vollends begeistern – uns fehlten die studentischen Perspektiven. Schließlich wurde klar: Wir wollten unsere eigene Sichtweise und die Räume, die unseren Alltag prägen, in den Mittelpunkt stellen. Denn Studierende und ihre Räume sind genauso wesentliche Bestandteile der Universität und deren Räumen des Wissens! So entstand die Idee, eine Ausstellung in den Freiflächen des Forum Wissen zu realisieren.

Auf einer Karte haben die studentischen Kurator*innen die für sie wichtigen Räume in der Stadt Göttingen vermerkt.
Karte von studentischen Räumen in Göttingen, Foto: Martin Liebetruth

Planänderung

Zum Glück konnten wir unsere Dozentinnen von unserer Idee überzeugen und auch das Forum Wissen mit ins Boot holen. Während der Umsetzung der Ausstellung konnten wir viel über die Arbeit im Museum lernen und praktische Erfahrungen sammeln. Unter anderem haben wir gelernt, ein eigenes Konzept, für die gesamte Sonderausstellung sowie für einzelne Vitrinen zu erarbeiten und auch wie man Ausstellungstexte schreibt. Der Kurationsprozess verlief nicht immer wie geplant, auch die Umsetzung war viel langwieriger als wir es erwartet hatten. Unsere Objekte wurden beispielsweise sechs Wochen lang in einer Stickstoffkammer von möglichen Schädlingen befreit. Diesen Prozess kannten wir vorher nicht. Wir hätten wohl auch nicht damit gerechnet, wie viele Gedanken man sich zur Anordnung der Objekte in einer Vitrine machen sollte. Aber nun freuen wir uns umso mehr, das Ergebnis präsentieren zu können.

Auch im Raum Bibliothek gibt es Freiflächen, die von den Studierenden gestaltet wurden.
Auch im Raum Bibliothek gibt es Freiflächen, die von den Studierenden gestaltet wurden. Foto: Martin Liebetruth

Die Anderen Räume

Ergänzend zur Basisausstellung, die die Entstehung von Wissen anhand ‚typischer‘ wissenschaftlicher Räume wie z. B. des Hörsaals erzählt, bringen wir Räume ein, die unseren Universitätsalltag prägen. Wir zeigen in den Freiflächen der Räume Schreibtisch, Labor, Feld und Bibliothek bisher wenig sichtbare Perspektiven auf heutige studentische Räume des Lernens, Wohnens, Ausprobierens oder Erholens.

Göttingens Grünflächen sind bei Studierenden beliebt, einfach um dort zu chillen, aber auch weil auf dem Campus Räume für sozialen Austausch fehlen, wenn die Mensa geschlossen ist. In Göttingen fehlt es auch an bezahlbarem Wohnraum für Studierende. Das belastet viele mental und finanziell stark, kann aber auch dazu führen, dass Häuser besetzt werden. Einige Studierende pendeln auch in die Stadt, weil sie vor Ort kein Zimmer finden.

Während der Corona-Pandemie fanden viele Lehrveranstaltungen online statt. Dafür steht die Vitrine im Raum Schreibtisch.
Während der Corona-Pandemie fanden viele Lehrveranstaltungen online statt. Foto: Martin Liebetruth

Seit Corona hat sich auch die Lehre verändert: Im digitalen Raum von Videokonferenzen ist Universität von jedem Ort aus möglich. Es entsteht aber auch eine allgemeine Zoom-Müdigkeit, wenn die Vorlesung plötzlich im eigenen WG-Zimmer stattfindet. Gleichzeitig schaffen Studierende seit jeher lebendige Räume in der Stadt oder eignen sich akademische Orte kreativ an: Auf der Bühne des Theaters im OP (ThOP) beispielsweise erfinden sich Studierende spielend neu und experimentieren mit den Elementen der Theaterproduktion.

Maske aus der Vitrine über das studentische Theater im OP, Foto: Martin Liebetruth

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Sammlung

100 und mehr: die Göttinger Sammlungen

Eine Ausstellung, eine Datenbank, ein Raum – für alle gemeinsam. Mittlerweile gibt es das und trotzdem treffen sie sich noch, die Kustod*innen aus den Sammlungen der Uni Göttingen. Nun schon zum einhundertsten Mal.

100. Forum in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen

Angefangen hat es 2009: Damals wollte sich die wissenschaftliche Kommission Niedersachsens (sie berät die Landesregierung) ein Bild von den akademischen Sammlungen machen. Ihr Weg führte sie daher auch nach Göttingen. „Wir hatten damals kaum Kontakt untereinander. Umso überraschender war es daher für uns zu merken: Wir haben die gleichen Interessen, die gleichen Bedürfnisse, auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Fächern kommen“, beschreibt Daniel Graepler die Situation. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Objekte von drei archäologischen Sammlungen. Er ist einer von rund 40 Kustod*innen an der Uni Göttingen.

Die Ausstellung

Sie setzen sich dafür ein, dass Münzen, Musikinstrumente oder mathematische Modelle artgerecht untergebracht sind und gepflegt werden. Immerhin wollen Forscher*innen und Student*innen sie nutzen, und auch Besucher*innen ihre Freude daran haben. Das war unter anderem 2012 der Fall: Zum 275-jährigen Jubiläum der Uni Göttingen luden die Kustod*innen zur Ausstellung „Dinge des Wissens“ in die Göttinger Paulinerkirche ein. Ein voller Erfolg! Über Zehntausend kamen damals. Viele von ihnen staunten über die Vielfalt der Objekte und die ungewöhnliche Welt des Sammelns, Ordnens und Erkennens.

Mathematische Modelle und Algenkulturen: die Kustodinnen Ina Kersten und Maike Lorenz

„Von der ersten Idee bis zu den Führungen oder dem Abbau der Ausstellung, wir haben damals alles gemeinsam organisiert und umgesetzt“, sagt Graepler immer noch stolz. Doch er und seine Mitstreiter merkten auch schnell, was fehlte: eine gemeinsame Plattform, in der alle Objekte beschrieben und auffindbar sind.

Das Sammlungsportal

Mit den Kolleg*innen vom Bibliotheksverbund, der Zentralen Kustodie und der Staats- und Universitätsbibliothek der Uni Göttingen haben sie daher begonnen, eine Datenbank aufzubauen – das Sammlungsportal. Aktuell verzeichnet es über 80.000 Objekte aus den Göttinger Sammlungen. Jeder kann darauf zugreifen, egal wo er oder sie sich befindet. „Das Portal war eine Antwort auf die Frage, wie wir Ressourcen besser und vor allem gemeinsam nutzen können“, erklärt der Kustos. Denn von sanierungsbedürftigen Räumen über die Restaurierung von Objekten bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – der Bedarf ist in den meisten Sammlungen gleich. „Er wird auch eher größer, ohne dass wir mehr Leute werden“, so Graepler. Daher war er froh, als 2012 die Zentrale Kustodie an der Uni Göttingen ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Kustod*innen in all diesen Anliegen zu unterstützen. Zumal die meisten von ihnen hauptberuflich in Forschung und Lehre unterwegs sind, die Pflege der Sammlungen daher überwiegend freiwillig ist.

Im Austausch – mit Daniel Graepler (steht) und Karsten Heck von der Zentralen Kustodie

Der gemeinsame Raum

Und obwohl die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist – zu unterschiedlich sind manchmal die Vorstellungen davon, was wie gemeinsam genutzt werden kann – ein Ergebnis fällt auf: das Forum Wissen. „Seit den 1980er-Jahren gab es die Idee eines gemeinsamen Raumes, eine Art Schaufenster unserer Sammlungen“, so Graepler. Im 2022 eröffneten Wissensmuseum ist die Idee nun verwirklicht: Hier sind Objekte aus den Sammlungen der Uni Göttingen öffentlich ausgestellt. Ob Reagenzglas, Schublade oder Fossil – mit ihnen lässt sich zeigen, wie Wissen entsteht.

Ryoto Akiyama (Musikinstrumentensammlung) mit seinem selbst gebackenen, diatonisch geschnittenen Kuchen

Ein besonderer Reiz dabei: Die Objekte kommen wie die Kustod*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Dadurch wechseln die Perspektiven und Geschichten. Langweilig wird es nicht.

Lust auf mehr

Das motiviert auch zu gemeinsamen Aktionen wie dem Tag der offenen Sammlung, der Vortragsreihe „Sachverstand“ oder den Sonntagsspaziergängen. Jeden Sonntag öffnen das Geowissenschaftliche Museum, die Kunstsammlung und die Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihre Türen für Besucher*innen. “Das ist möglich, weil wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen”, so Graepler, der auch Sprecher der Kustod*innen ist. Alle sechs Wochen kommen sie in einer ihrer Sammlungen zusammen, reden darüber, wo ihnen der Schuh drückt, entwickeln Visionen und – schauen sich natürlich auch Objekte an. „Egal ob die Kunsthistorikerin von ihren Bildern erzählt oder der Informatiker von seinen Rechnern, es hören trotzdem alle zu.“ Das ist für Graepler faszinierend und bestärkt offenbar nicht nur ihn, das Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen.

Fotos vom 100. Sammlungstreffen: Martin Liebetruth