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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Biodiversität: Vielfalt in Gefahr

Die zoologische Sammlung des Biodiversitätsmuseums geht bis auf die Anfänge des Königlich Akademischen Museums Göttingen 1773 zurück. Sie besitzt mittlerweile über 100.000 Objekte. Damit ist sie eine der größten Sammlungen der Universität Göttingen. Im Forum Wissen soll im zweiten Obergeschoss eine eigene Ausstellung entstehen, in der die Sammlung umfangreich entdeckt werden kann. Da die Vorbereitung und der Aufbau noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, gibt es im Sammlungsschaufenster bereits einen kleinen Einblick in die Biodiversität der Tiere.

Schmetterlinge und Falter aus der zoologischen Sammlung. Foto: Uni Göttingen

Was ist eigentlich Biodiversität?

Mit dem im ersten Moment vielleicht etwas hochgestochenen Begriff „Biodiversität“ sind alle lebenden Organismen (wie zum Beispiel Tiere, Pflanzen, Einzeller und Bakterien) und ihre Interaktionen gemeint. Diese Organismen leben zusammen in komplexen Ökosystemen, Lebensgemeinschaften, die natürlich auch von der nicht belebten Umwelt beeinflusst werden. Diese Ökosysteme können sich ändern und anpassen. Es sind vor allem wir Menschen, die durch unsere Einflüsse auf die Umwelt (beispielsweise durch Plastikmüll, Abgase oder Giftstoffe) die Ökosysteme drastisch verändern. Das kann so weit gehen, dass sich die Systeme nicht mehr anpassen können und schließlich verschwinden. So gibt es zum Beispiel den Verlust vieler Korallenriffe oder Regenwaldbereiche zu verzeichnen. Wesentlicher Grund dafür ist die veränderte Land- und Meernutzung durch den Menschen. Mit den Ökosystemen verschwinden auch die von ihnen beheimateten Arten. Wissenschaftler*innen wie die Professorin Maria Teresa Aguado, die auch Leiterin und Kuratorin des Biodiversitätsmuseums ist, sprechen bereits vom sechsten großen Massenaussterben der Arten, das man als solches bezeichnen könnte.

Buntwaran aus der zoologischen Sammlung. Foto: Uni Göttingen

Was sagen uns die Objekte im Schaufenster?

Umso wichtiger ist es also, die Arten zu sehen, zu verstehen und zu schützen. Das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen zeigt ganz unten für alle gut sichtbar einen Kasten mit Schmetterlingen und Faltern aus verschiedenen Regionen der Welt. Sie sind sehr fragil und dennoch beeindruckende Wesen, die in ihrer Entwicklung eine Metamorphose durchlaufen. Sie verändern dabei ihre Lebensweise und Gestalt komplett von einer einfachen Raupe hin zum schönen Schmetterling. Diese Metamorphose und Anpassungsfähigkeit können wir als Metapher sehen, dass auch wir etwas verändern können.

Eine Ebene höher können wir einen Buntwaran entdecken. Ein Reptil, das ähnlich wie Schlangen mit seiner gespaltenen Zunge riechen kann. Geschöpfe seiner Art sind auch vom Aussterben bedroht, daher wurde das Tier so lebensecht wie möglich präpariert. Sein Aussehen soll uns dazu bringen, stehen zu bleiben und in uns den Wunsch zu entwickeln, den Buntwaran und seine Verwandten zu schützen.

Wie Biolog*innen mit den Objekten der Sammlung arbeiten, können und sollen uns die Schädel von Wildkatzen zeigen. Die vier Köpfe stammen von einem Löwen, einem Leoparden, einem Lux und einer Goldkatze. Sie können als nah verwandte, katzenartige Tiere gut miteinander verglichen werden. Die Wissenschaftler*innen untersuchen die unterschiedlichen Schädelgrößen, die Zähne, aber auch die Hohlräume zwischen Schädelknochen und Wangenknochen, die Platz für große Kiefermuskeln bieten. Dies ist ein notwendiges Utensil gerade bei Wildkatzen, die ihre Beute selbst jagen und genug Kieferkraft aufbringen müssen, um auch Knochen brechen zu können.

Ganz oben im Regal können wir Nasspräparate von Tieren entdecken. Darunter sind allgemein bekannte Arten wie der Seestern oder ein Seepferdchen. Aber auch eher unbekannte Tiere wie das Moostierchen Electra pilosa. Sie leben in Kolonien meistens auf Korallen oder Algen. Arten wie diese sollen uns verdeutlichen, dass wir eigentlich nur 10 bis 20 Prozent der Biodiversität kennen. Die meisten lebenden Organismen sind unbekannt. Es fällt uns gar nicht auf, wenn diese aussterben. Aber auch ein Großteil der weithin bekannten Arten derzeit vom Aussterben bedroht.

Moostierchen aus der zoologischen Sammlung. Foto: Uni Göttingen

Wie machen wir auf das Thema aufmerksam?

Die Biolog*innen der Universität Göttingen bieten unter anderem Kurse zur Wissenschaftskommunikation an. Dabei können Student*innen Projekte entwickeln, komplexe Themen wie Biodiversität bearbeiten und für Besucher*innen verständlich machen. Auch zum Wal, der im Atrium des Forum Wissen hängt, gab es verschiedene Projekte. Eines davon ist ein Buch, das mit Bildern aus der Aktion „Mal den Wal“ entstanden ist und Leser*innen die Welt der Wale näherbringen soll.

Und wie können wir die Biodiversität und all das Leben um uns herum schützen? Zuerst sollten wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass die Biodiversität in Gefahr ist. Die Objekte unterstützen uns dabei. Sie zeigen die Vielfalt und welche Bereiche in Gefahr sind. Danach können wir anfangen, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu handeln.

Studierendenprojekt zur Wissenschaftskommunikation. Foto: Lena Heykes
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Ausstellung Sammlung

Ausstellung “Aus der Erde” – Der Göttinger Wal bekommt Gesellschaft

Gert Tröster nimmt routiniert Maß. Eine etwa drei mal zwei Meter breite Fläche muss geräumt werden. Wenig Platz für einen Wal.

Der Göttinger Pottwal.

Dr. Gert Tröster ist Kustos, Wächter ganz im lateinischen Wortsinn. Worüber er wacht sind 120.000 präparierte Tiere. Unter seiner Ägide schlummern winzige Flusskrebse, eingelegt in Alkohol, ebenso wie pelzige Orang-Utans – drapiert, als würden sie gerade über Äste klettern.

Auch das tonnenschwere Skelett eines Pottwals gehört zur Sammlung. Eine ganze Wand musste damals aufgestemmt werden, um den Riesensäuger in das dritte Stockwerk des Zoologischen Museums zu zwängen. Dieser Wal soll nun Gesellschaft durch einen Artgenossen bekommen. Nicht aus Knochen, sondern aus Acrylfarbe und Leinwand.

Dr. Gert Tröster in der Werkstatt der zoologischen Sammlung.
Dr. Gert Tröster in der Werkstatt der zoologischen Sammlung.

Die Geburt eines Wales

Ammar Hatem arbeitet tief verborgen in den Kellergewölben des Kultur- und Aktionszentrums Göttingen. Bannt durch seinen Pinsel in Mixed Media Technik konzentriert Insekten wie Fledermäuse auf die Leinwand. „Bereits als Kind hat mich das Tierreich fasziniert. Stundenlang habe ich durch Tieratlanten geblättert“, erklärt der 25-jährige syrische Künstler die Triebfeder seines Schaffens. „Sie mit der Malerei einzufangen ist sozusagen mein Lebenstraum.“

Schon seine Abschlussarbeit an der Universität von Damaskus hatte die Evolution zum Thema. Ammar zeigt sie auf seinem Handy, denn die Bilder selbst lagern noch immer im Bürgerkriegsland.

Es ist diese Faszination, die den jungen, sportlich wirkenden Syrer mit dem Kustoden Tröster verbindet. Der einzigartige evolutionäre Weg des Wals hat es ihm besonders angetan. Aus dem Meer ans Land und danach zurück ins Meer – der Wal ist wie fast kein anderes Säugetier auf das Leben im Wasser ausgerichtet. Er kann, wie sonst nur noch die Seekuh, sogar seine Jungen im Wasser gebären.

Ammar Hatem in seinem improvisierten Atelier.
Ammar Hatem in seinem improvisierten Atelier.

Wo Kunst und Kustodie sich treffen

Die Wassergeburt der Waljungen. Auch ein Thema über das Tröster den ganzen Tag schwärmen könnte. Die Begeisterung des altgedienten Kustos hat schon etwas physisch Ansteckendes.

Warum er sich immer wieder dazu entschließt seine kostbare Sammlung auch für die Kunst zu öffnen? „Was Ammar macht und was wir hier machen, ist eigentlich gar nicht so verschieden“, erklärt Tröster. „Wir stellen beide Tiere dar. Ein Präparat ist ja auch nur ein Abbild des lebendigen Tieres.“

Dann verweist Tröster mit lockerer Geste auf eine Reihe von Affenpräparaten, die gerade in der vollgestellten Werkstatt für das Publikum aufgearbeitet werden. Als die ersten Affenfelle nach Göttingen kamen, vor über hundert Jahren, hätten viele der Präparatoren nie einen lebendigen Affen gesehen. Damit war das Präparieren, nur ausgehend von einer Außenhaut auch immer ein kreativer Prozess des Vermutens und Ableitens.

„Ist ein gemaltes Bild da etwas so Grundverschiedenes?“

Die Werkstatt der zoologischen Sammlung.
Die Werkstatt der zoologischen Sammlung.

Alle Bilder: Max Leonard Remke

 

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Aus der Erde. Eine künstlerische Intervention zur Evolution der Wale

Eröffnungsmatinée: 15. Oktober 2017, 11 Uhr
Kustos Dr. Gerd Tröster und Künstler Ammar Hatem im Gespräch

Ort: Zoologisches Museum, Berliner Str. 28
Laufzeit der Ausstellung: 15. Oktober 2017 bis 14. Januar 2018

Öffnungszeiten: sonntags, 10 bis 16 Uhr

Weitere Informationen

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