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Ein Blick in die Sammlung Mathematischer Modelle der Uni Göttingen

Abstrakte Formen, glatte Oberflächen, klare Linien – die Objekte aus der Sammlung mathematischer Modelle und Instrumente der Universität Göttingen erinnern ein bisschen an moderne Kunst. Doch hinter ihrer ästhetischen Erscheinung verbirgt sich ein tieferer Sinn: die Veranschaulichung komplexer mathematischer Konzepte. Die Modelle machen Mathematik begreifbar. Verwendet wurden Sie im Unterricht beispielweise im Bereich der Geometrie und der angewandten Mathematik.
Die Sammlung mathematischer Modelle der Universität Göttingen ist heute nicht nur eine der bedeutendsten in Deutschland, sondern auch die umfangreichste. Ihre Geschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert, in die Zeit bedeutender Mathematiker wie Carl Friedrich Gauß (1777-1855) und Alfred Clebsch (1833–1872).

Objekt aus der mathematischen Sammlung der Uni Göttingen
Stangenmodell eines beweglichen einschaligen Hyperboloid, Hermann Wiener, 1912

Historische Wurzeln und Entwicklungen

Zu Lebzeiten von Carl Friedrich Gauß (1777-1855), einem der herausragendsten Mathematiker seiner Zeit, gründete die Hannoversche Regierung das Mathematisch-physikalische Seminar in Göttingen. Daraus entstand 1922 das heutige Mathematische Institut.

Die Gründung des Instituts war der Beginn der Göttinger Sammlung Mathematischer Modelle und Instrumente. Hermann Amandus Schwarz (1843–1921) gilt als Gründer der Sammlung. Er und seine Zeitgenossen ließen Instrumente und Modelle für ihre Forschung anfertigen, die später  in die Sammlung eingingen. Im Zentrum der Sammlung stehen geometrische Modelle aus verschiedenen Materialien wie Gips, Holz, Karton und Metall. Besonders faszinierend sind die Hyperboloid-Modelle, die durch ihre einzigartige Form hervorstechen. Die Modelle wurden zur Veranschaulichung von Flächen und anderen mathematischen Objekten konstruiert. Viele wurden serienmäßig hergestellt und auch von anderen Universitäten zu Unterrichtszwecken erworben.

Mathematik zum Anfassen!

Die Objekte der Göttinger Sammlung bieten einen faszinierenden Einblick in die Mathematik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Von Kartonpolyedern, also dreidimensionalen Körpern mit ebenen Flächen, aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu Rechenmaschinen und Zeichengeräten dokumentieren die Objekte der Sammlung die Entwicklung der Mathematik an der Universität Göttingen. Die meisten davon stammen aus der Zeit zwischen 1870 und 1920 und geben einen guten Einblick in die Mathematik aus dieser Zeit, in der sich die Universität Göttingen zu einem der bedeutendsten mathematischen Zentren in Deutschland Entwickelte.

Einschaliges Hyperboloid aus der mathematischen Sammlung der Uni Göttingen
Einschaliges Hyperboloid und konfokales zweischaliges Hyperboloid aus Gips, um 1900

Ein Schaufenster in die Geschichte der Mathematik im Forum Wissen

Im Sammlungsschaufenster sind verschiedene Hyperboloid Modelle ausgestellt. Das Wort „Hyperboloid“ bedeutet, dass die Fläche aus einer Hyperbel entsteht, die man um eine senkrechte Achse dreht. Dabei handelt es sich also um den Rotationskörper einer Hyperbel. In der Geometrie ist die Hyperbel stark vereinfacht erklärt eine spezielle Kurve, die aus zwei zueinander symmetrischen, sich ins Unendliche erstreckenden Ästen besteht. Das Hyperboloid Modell sieht aus wie ein in sich verdrehter Zylinder, es gibt ein- und zweischalige Hyperboloid, die durch verschiedene Gleichungen gebildet werden. Typisch für diese geometrische Form in der Mathematik sind die Bögen, die am linken und rechten Rand der Figur zu erkennen sind, sowie ihre Taille.

Die Sammlung mathematischer Modelle der Universität Göttingen ist heute auch ein wertvolles Zeugnis der wissenschaftlichen Forschung und Lehre aus verschiedenen Epochen. Durch ihre Vielfalt und historische Bedeutung bietet die Sammlung die Möglichkeit, mathematische Entwicklungen und Innovationen vergangener Zeiten zu erkunden. Heute sind die mathematischen Modelle vor allem auch wissenschaftshistorisch von großem Interesse.

Objekt aus der Sammlung mathematischer Modelle und Instrumente
Modell eines Hyperboloid-Getriebes

Mehr aus dem Sammlungsschaufenster gibt es auf unserem Blog!

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Waldstillleben mit Reptilien und Insekten

Alles andere als „tot“

Der französische Ausdruck für Stillleben ist „Nature morte“, wörtlich übersetzt: Tote Natur. Das Waldstillleben des niederländischen Malers Otto Marseus van Schrieck (1619-1678) ist jedoch alles andere als „tot“: Es kreucht und fleucht auf dem Waldboden, wo sich Reptilien und Insekten tummeln. Das Besondere daran: Die dargestellten Tiere und Pflanzen sind bis ins Detail naturgetreu ausgearbeitet.

Sommerliche Tierwelt

Die Verhaltensweisen der Tiere sind aber unnatürlich: Schlangen machen naturgemäß keine Jagd auf Schmetterlinge. Marseus muss das gewusst haben. Er soll sowohl hinter seinem Haus als auch außerhalb Amsterdams in umschlossenen Gehegen Schlangen und andere Tiere gehalten haben, die ihm als Modelle seiner Gemälde dienten. Auch habe er Insekten und anderen Kleintieren eifrig nachgespürt. Tatsächlich zeigt das Bild eine Tierwelt, wie man sie in dieser Zusammenstellung im Monat August begegnet.

Wenn Kunst die Natur übertrifft

„Es steckt bestimmt auch hier die Idee jeden Stilllebens drin, dass die Kunst die Natur zu übertreffen vermag“, sagt Anne-Katrin Sors, Leiterin der Kunstsammlung der Universität Göttingen, aus der das Gemälde stammt. „Weil die Kunst imstande ist – vor der Zeit der beheizten Gewächshäuser – z.B. einen alle Jahreszeiten umfassenden Blumenstrauß zu kombinieren und zu malen.“

Wie der Künstler sein Werk schuf

Interessant ist auch die Technik, die Marseus anwandte. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Flügel der Schmetterlinge nicht gemalt, sondern im Abklatschverfahren hergestellt sind: Auf die in hellen Farben gehaltenen Schmetterlingssilhouetten sind die jeweiligen Flügelteile aufgelegt und vorsichtig angedrückt worden, so dass beim Entfernen die Schuppen in der feuchten Paste hafteten. Lediglich Fehlstellen und Adern wurden mit dem Pinsel nachgearbeitet.

Für die Struktur des Bodens stempelte der Maler einen Moosabdruck in die Farbe. Auch zumindest eines der Fliegenbeine ist nicht gemalt, sondern in die Paste eingelegt.

In diesem Schaukasten sind die Schmetterlingsarten zu sehen, die sich auch im Gemälde finden lassen.

Kein „Phantast mit realistischen Mitteln“

Marseus zielt in der Wiedergabe des Lebensraums Waldboden auf höchste Naturtreue, er kombiniert nicht Tiere nach seinem Belieben. Dies weist auf Marseus‘ wissenschaftliches Interesse an den dargestellten Wesen hin. Damit ist er nicht der „Phantast mit realistischen Mitteln“, als der er lange Zeit in der Kunstgeschichte galt.

Das Gemälde „Waldbodenstilleben“ ist nun im Raum „Feld“ in den Räumen des Wissens zu sehen.

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Entdeckungsreise durch die Schätze der Erde

Die Geowissenschaftlichen Sammlungen der Universität Göttingen umfassen mehr als vier Millionen Objekte aus den Bereichen Paläontologie, Mineralogie, Geologie und Meteoritenkunde. Die vier Themenbereiche werden auch im Sammlungsschaufenster des Forum Wissens präsentiert. Die Objekte verdeutlichen uns, dass in der Geologie nicht einfach nur von „Steinen“ die Rede ist. Einer der Schwerpunkte der Sammlungen sind geowissenschaftliche Funde aus Niedersachsen. Eines der Ziele der Sammlungen ist es, die Geologie, Mineralogie und Erdgeschichte Niedersachsens zu dokumentieren und zu erforschen.

Ammonit der Gattung Arietites, eine ausgestorbene Art der Kopffüßer aus Eisenerzgrube Friederike (Harz). Geowissenschaftliche Sammlungen der Uni Göttingen.
Ammonit der Gattung Arietites, eine ausgestorbene Art der Kopffüßer aus der Eisenerzgrube Friederike (Harz). Foto: Martin Liebetruth

Steinerne Chroniken der Erdgeschichte

Blicken wir tiefer in die Welt der Geowissenschaftlichen Sammlungen, die durch die Objekte Arietites, Bändererz, Calcit und Meteorit repräsentiert werden: Jedes dieser Exponate erzählt eine eigene Geschichte, sei es die erdgeschichtliche Reise des Arietites oder die mineralogische Vielfalt des Calcits. Auch die bedeutende Rolle des Meteoriten in der Entstehung des Sonnensystems wird aufgegriffen.

Der Ammonit der Gattung Arietites ist ein Zeitzeuge des unterjurassischen Sinemurium. Ein Erdzeitalter, in dem das heutige Niedersachsen von einem Meer bedeckt und von marinen Sedimenten geprägt war. Der Ammonit, den wir ganz oben im Sammlungsschaufenster entdecken können, stammt aus der Eisenerzgrube Friederike im Harz, einem Ort von besonderer Bedeutung für die Paläontologie. Diese Grube, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Abbau begann und erst 1963 beendete, ist ein einzigartiges Fenster in die geologische Vergangenheit. Sie brachte eine Vielzahl von Fossilien hervor, darunter das hier gezeigte Exemplar.

Das Bändererz hingegen gewährt uns einen Blick in die Geschichte der Harzfaltung. Die Bad Grunder Erzgänge, die sich während der Harzfaltung bildeten, bieten einen Blick in die Zeit vom späten Oberkarbon bis ins untere Perm. Das Bändererz zeigt euch die mineralogische Vielfalt dieses Blei-Zink-Bergwerks. Auch die Verbindung zwischen geologischen Prozessen und den mineralischen Schätzen, die sich im Laufe der Zeit geformt haben, werden an diesem Objekt deutlich.

Bändererz aus dem ehemaligen Blei-Zink-Bergwerk Grund, Bad Grund (Harz) aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der Uni Göttingen.
Bändererz aus dem ehemaligen Blei-Zink-Bergwerk Grund, Bad Grund (Harz). Foto: Lena Heykes

Kosmische Relikte und Bergbaujuwelen

Der Campo del Cielo-Meteorit ist ein außergewöhnliches Objekt. Es ermöglicht uns, die ältesten verfügbaren Materialien unseres Planeten zu betrachten. Dank ihm können wir tiefer in die Entstehungsgeschichte des gesamten Sonnensystems blicken. Meteorite sind in den Geowissenschaften von unschätzbarem Wert, da sie wichtige Informationen über die Zusammensetzung und Entwicklung unseres Planeten liefern. Der Campo del Cielo-Meteorit dient nicht nur als Ausstellungsstück im Sammlungsschaufenster, sondern auch als unverzichtbares Werkzeug in der geologischen Forschung. Er bietet Einblicke in die kosmischen Prozesse, die vor Milliarden von Jahren unsere heutige Welt geprägt haben.

Das unterste geologische Objekt aus dem Sammlungsschaufenster ist ein Calcit aus dem St. Andreasberger Erzrevier. Die vielfältigen Formen dieses Minerals repräsentieren die Schönheit und Vielseitigkeit der Minerale dieser Region. Die im Bergbau gewonnenen Calcitstufen waren nicht nur im 18. Jahrhundert begehrte Sammelobjekte, sondern sind auch heute noch Zeugnisse der einstigen Bedeutung dieses Bergwerks.

Der Campo del Cielo-Meteoirt besteht fast ausschließlich aus den Elementen Eisen und Nickel. Aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der Uni Göttingen.
Der Campo del Cielo-Meteoirt besteht fast ausschließlich aus den Elementen Eisen und Nickel. Foto: Lena Heykes

Ein Blick in die lebendige Welt der Geowissenschaflichen Sammlungen

Die Sammlungen des Geowissenschaftlichen Museums bieten die Grundlage für eine beeindruckende Ausstellung. Sie sind aber auch eine zentrale Ressource für Forscher*innen und Student*innen – nicht nur an der Uni Göttingen.

In den Geowissenschaftlichen Sammlungen dienen die Objekte als entscheidende Schlüssel zur geowissenschaftlichen Forschung. Ein Netzwerk von lokalen, nationalen und internationalen Wissenschaftler*innen greift auf diese reichhaltigen Sammlungen zurück, um aktuelle und vielschichtige Forschungsfragen zu beantworten. Die enge Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Institutionen und Industriepartnern ermöglicht interdisziplinäre Forschungsansätze. Aktuelle Projekte reichen von der Untersuchung der geologischen Struktur lokaler Lagerstätten bis hin zur Erforschung globaler geowissenschaftlicher Phänomene.

Student*innen haben die außergewöhnliche Möglichkeit, die Geowissenschaftlichen Sammlungen als lehrreiches Instrument zu nutzen. Bestimmungskurse, die Untersuchung einzelner Objekte und die nahtlose Integration der Sammlung in den Lehrplan schaffen einen praxisnahen Zugang zu den Geowissenschaften. Die Studierenden erhalten nicht nur theoretisches Wissen, sondern können auch direkt mit den Schätzen der Erde arbeiten. Dies ermöglicht einen ganzheitlichen und tieferen Einblick in die geowissenschaftlichen Zusammenhänge und fördert ein lebendiges Verständnis für die Materie.

Calcit aus dem St. Andreasberger Erzrevier (Harz), aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der Uni Göttingen.
Calcit aus dem St. Andreasberger Erzrevier (Harz). Foto: Lena Heykes

Geopark und Museum am Nordcampus

Das Geowissenschaftliche Museum und der Geopark bilden eine Einheit, die unter anderem die Geologie, Mineralogie und Erdgeschichte Niedersachsens in den Mittelpunkt stellt. Hier wird nicht nur rein Geologisches, sondern auch der ständige Austausch zwischen Mensch und Umwelt untersucht. Der Geopark dient als lebendige Plattform, die tiefe Einblicke in die geowissenschaftliche Vergangenheit der Region ermöglicht. Gleichzeitig wird die Verbindung zwischen geologischen Prozessen und menschlicher Geschichte verdeutlicht.

Das Geowissenschaftliche Museum der Universität Göttingen bietet euch einen Blick in die Vergangenheit und ist auch eine lebendige Ressource für die aktuelle Forschung. Die Vielfalt der Sammlungen, die enge Verbindung zur Lehre und Forschung sowie die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen machen das Museum zu einem unverzichtbaren Ort für alle, die die Geheimnisse der Geowissenschaften, insbesondere Niedersachsens, erkunden möchten. Besucher*innen sind herzlich eingeladen, sich auf eine faszinierende Reise durch die geologischen Schätze zu begeben und die spannenden Geschichten hinter den Objekten zu entdecken.

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Im Schaufenster: die Erde erforschen

Erdbeben vorhersagen, Schwingungen im Boden messen, Wellen aufzeichnen: 1898 wurde das Geophysikalische Institut in Göttingen eingerichtet. Es war das erste weltweit. Ihr Direktor: der Geophysiker Emil Wiechert. Mit ihm war die Richtung vorgegeben: die Erdbebenforschung, auch Seismik genannt.

Fuß des transportablen Seismographen

Erdbeben messen

Daher befinden sich in der Geophysikalischen Sammlung auch viele Seismographen aus dem 20. Jahrhundert. Einer davon misst die horizontalen Wellenbewegungen von Erdbeben. Mit 12 Kilogramm ist er relativ schwer, dennoch haben ihn die Wissenschaftler in den 1930er-Jahren wohl mit ins Feld genommen.

Der Seismograph wurde 1937 an der Uni Göttingen gebaut.

Die Bewegung der Welle wird über Hebel und Faden auf einen Spiegel übertragen. Mit Hilfe von Licht, das der Spiegel reflektiert, konnten die Geophysiker dann die Bewegung auf Fotopapier aufzeichnen. Aber das ist nur ein Objekt, das ihr im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen entdecken könnt.

Wind und Wetter bestimmen

Hier findet ihr auch ein Anemometer. Das ist ein Instrument, mit dem die Windgeschwindigkeit gemessen wird.

Schalenanemometer aus dem 20. Jahrhundert

Der Wind bringt die Schalen zum Rotieren. Die Geschwindigkeit kann dann gemessen werden. Solche sogenannten Schalenanemometer findet ihr an wichtigen Wetterstationen, zum Beispiel auf Flughäfen oder Schiffen.

Magnetfeld erfassen

Die heutigen Geophysik*innen an der Uni Göttingen untersuchen noch immer die Erde und fragen unter anderem, wie leitfähig ihr Inneres ist. Der Doppelkompass hier ist zwar schon älter, aber das Prinzip ist noch immer aktuell.

Doppelkompass nach Bidlingmaier von 1935/40

Der Kompass besitzt zwei magnetische Nadeln, die sowohl mit dem Erdmagnetfeld als auch untereinander kommunizieren. So sind Aussagen über die Stärke des Magnetfeldes möglich.

Objekte besuchen

Ihr merkt schon: Die Objekte der Sammlung geben einen kleinen Einblick in die Geschichte der Geophysik. Wenn euch diese interessiert, schaut am besten nicht nur im Forum Wissen vorbei, sondern besucht auch die Wiechert’sche Erdbebenwarte. Hier gibt es die originalen Seismographen, die Emil Wiechert entwickelt hat und: sie funktionieren noch.

Fotos: Martin Liebetruth

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Ausstellung Forum Wissen Hinter den Kulissen

Die Anderen Räume – eine Ausstellung von Studierenden

Die Sonderausstellung “Die Anderen Räume” zeigt studentische Perspektiven auf den Universitätsalltag und studentische Räume, die darin eine Rolle spielen. Die Ausstellung ist noch bis 18.02.2024 auf verschiedene Freiflächen in den “Räumen des Wissens” zu sehen.

Besucher*innen der Sonderausstellung betrachten bei der Vernissage eine der von den Studierenden gestalteten Vitrinen.
Vernissage, Foto: Martin Liebetruth

Mit unserer Sonderausstellung „Die Anderen Räume. Studentische Perspektiven im Forum Wissen“ werfen wir einen Blick hinter die Kulissen unseres Universitätsalltags. Zwei Semester lang haben wir als Seminargruppe an diesem Projekt gearbeitet, das uns die Möglichkeit gab, studentische Räume jenseits der traditionellen „Räume des Wissens“ zu erkunden.

Der Entstehungsprozess

Im Wintersemester 2022/23 haben wir uns mit wissenschaftlichen Räumen auseinandergesetzt und auf dem Göttinger Campus erforscht, wie das, was Wissenschaftler*innen tun, durch universitäre Räume bedingt wird. Hier haben wir die Räume vor allem aus der Perspektive der Wissenschaftler*innen kennengelernt. Beispielsweise durften wir in der Algensammlung nicht nur die akribischen Hygienemaßnahmen beobachten, sondern auch die faszinierende Arbeit mit den Algenkulturen. So durften wir dabei zuschauen, wie eine Mitarbeiterin eine Algenkultur unter Einhaltung zahlreicher Sicherheitsmaßnahmen vervielfältigt hat. Wir hatten auch die Möglichkeit uns einige Algen unter dem Mikroskop oder im Dunkeln leuchtende, biolumineszierende Algen anzuschauen.

Nach diesen spannenden Einblicken ging es im Sommersemester dieses Jahres daran, ein Ausstellungsformat zu erarbeiten. Ursprünglich war geplant, einen Rundgang durch die Universitätssammlungen zu gestalten, doch irgendwie konnte uns diese Idee nicht vollends begeistern – uns fehlten die studentischen Perspektiven. Schließlich wurde klar: Wir wollten unsere eigene Sichtweise und die Räume, die unseren Alltag prägen, in den Mittelpunkt stellen. Denn Studierende und ihre Räume sind genauso wesentliche Bestandteile der Universität und deren Räumen des Wissens! So entstand die Idee, eine Ausstellung in den Freiflächen des Forum Wissen zu realisieren.

Auf einer Karte haben die studentischen Kurator*innen die für sie wichtigen Räume in der Stadt Göttingen vermerkt.
Karte von studentischen Räumen in Göttingen, Foto: Martin Liebetruth

Planänderung

Zum Glück konnten wir unsere Dozentinnen von unserer Idee überzeugen und auch das Forum Wissen mit ins Boot holen. Während der Umsetzung der Ausstellung konnten wir viel über die Arbeit im Museum lernen und praktische Erfahrungen sammeln. Unter anderem haben wir gelernt, ein eigenes Konzept, für die gesamte Sonderausstellung sowie für einzelne Vitrinen zu erarbeiten und auch wie man Ausstellungstexte schreibt. Der Kurationsprozess verlief nicht immer wie geplant, auch die Umsetzung war viel langwieriger als wir es erwartet hatten. Unsere Objekte wurden beispielsweise sechs Wochen lang in einer Stickstoffkammer von möglichen Schädlingen befreit. Diesen Prozess kannten wir vorher nicht. Wir hätten wohl auch nicht damit gerechnet, wie viele Gedanken man sich zur Anordnung der Objekte in einer Vitrine machen sollte. Aber nun freuen wir uns umso mehr, das Ergebnis präsentieren zu können.

Auch im Raum Bibliothek gibt es Freiflächen, die von den Studierenden gestaltet wurden.
Auch im Raum Bibliothek gibt es Freiflächen, die von den Studierenden gestaltet wurden. Foto: Martin Liebetruth

Die Anderen Räume

Ergänzend zur Basisausstellung, die die Entstehung von Wissen anhand ‚typischer‘ wissenschaftlicher Räume wie z. B. des Hörsaals erzählt, bringen wir Räume ein, die unseren Universitätsalltag prägen. Wir zeigen in den Freiflächen der Räume Schreibtisch, Labor, Feld und Bibliothek bisher wenig sichtbare Perspektiven auf heutige studentische Räume des Lernens, Wohnens, Ausprobierens oder Erholens.

Göttingens Grünflächen sind bei Studierenden beliebt, einfach um dort zu chillen, aber auch weil auf dem Campus Räume für sozialen Austausch fehlen, wenn die Mensa geschlossen ist. In Göttingen fehlt es auch an bezahlbarem Wohnraum für Studierende. Das belastet viele mental und finanziell stark, kann aber auch dazu führen, dass Häuser besetzt werden. Einige Studierende pendeln auch in die Stadt, weil sie vor Ort kein Zimmer finden.

Während der Corona-Pandemie fanden viele Lehrveranstaltungen online statt. Dafür steht die Vitrine im Raum Schreibtisch.
Während der Corona-Pandemie fanden viele Lehrveranstaltungen online statt. Foto: Martin Liebetruth

Seit Corona hat sich auch die Lehre verändert: Im digitalen Raum von Videokonferenzen ist Universität von jedem Ort aus möglich. Es entsteht aber auch eine allgemeine Zoom-Müdigkeit, wenn die Vorlesung plötzlich im eigenen WG-Zimmer stattfindet. Gleichzeitig schaffen Studierende seit jeher lebendige Räume in der Stadt oder eignen sich akademische Orte kreativ an: Auf der Bühne des Theaters im OP (ThOP) beispielsweise erfinden sich Studierende spielend neu und experimentieren mit den Elementen der Theaterproduktion.

Maske aus der Vitrine über das studentische Theater im OP, Foto: Martin Liebetruth

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Sammlung

100 und mehr: die Göttinger Sammlungen

Eine Ausstellung, eine Datenbank, ein Raum – für alle gemeinsam. Mittlerweile gibt es das und trotzdem treffen sie sich noch, die Kustod*innen aus den Sammlungen der Uni Göttingen. Nun schon zum einhundertsten Mal.

100. Forum in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen

Angefangen hat es 2009: Damals wollte sich die wissenschaftliche Kommission Niedersachsens (sie berät die Landesregierung) ein Bild von den akademischen Sammlungen machen. Ihr Weg führte sie daher auch nach Göttingen. „Wir hatten damals kaum Kontakt untereinander. Umso überraschender war es daher für uns zu merken: Wir haben die gleichen Interessen, die gleichen Bedürfnisse, auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Fächern kommen“, beschreibt Daniel Graepler die Situation. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Objekte von drei archäologischen Sammlungen. Er ist einer von rund 40 Kustod*innen an der Uni Göttingen.

Die Ausstellung

Sie setzen sich dafür ein, dass Münzen, Musikinstrumente oder mathematische Modelle artgerecht untergebracht sind und gepflegt werden. Immerhin wollen Forscher*innen und Student*innen sie nutzen, und auch Besucher*innen ihre Freude daran haben. Das war unter anderem 2012 der Fall: Zum 275-jährigen Jubiläum der Uni Göttingen luden die Kustod*innen zur Ausstellung „Dinge des Wissens“ in die Göttinger Paulinerkirche ein. Ein voller Erfolg! Über Zehntausend kamen damals. Viele von ihnen staunten über die Vielfalt der Objekte und die ungewöhnliche Welt des Sammelns, Ordnens und Erkennens.

Mathematische Modelle und Algenkulturen: die Kustodinnen Ina Kersten und Maike Lorenz

„Von der ersten Idee bis zu den Führungen oder dem Abbau der Ausstellung, wir haben damals alles gemeinsam organisiert und umgesetzt“, sagt Graepler immer noch stolz. Doch er und seine Mitstreiter merkten auch schnell, was fehlte: eine gemeinsame Plattform, in der alle Objekte beschrieben und auffindbar sind.

Das Sammlungsportal

Mit den Kolleg*innen vom Bibliotheksverbund, der Zentralen Kustodie und der Staats- und Universitätsbibliothek der Uni Göttingen haben sie daher begonnen, eine Datenbank aufzubauen – das Sammlungsportal. Aktuell verzeichnet es über 80.000 Objekte aus den Göttinger Sammlungen. Jeder kann darauf zugreifen, egal wo er oder sie sich befindet. „Das Portal war eine Antwort auf die Frage, wie wir Ressourcen besser und vor allem gemeinsam nutzen können“, erklärt der Kustos. Denn von sanierungsbedürftigen Räumen über die Restaurierung von Objekten bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – der Bedarf ist in den meisten Sammlungen gleich. „Er wird auch eher größer, ohne dass wir mehr Leute werden“, so Graepler. Daher war er froh, als 2012 die Zentrale Kustodie an der Uni Göttingen ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Kustod*innen in all diesen Anliegen zu unterstützen. Zumal die meisten von ihnen hauptberuflich in Forschung und Lehre unterwegs sind, die Pflege der Sammlungen daher überwiegend freiwillig ist.

Im Austausch – mit Daniel Graepler (steht) und Karsten Heck von der Zentralen Kustodie

Der gemeinsame Raum

Und obwohl die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist – zu unterschiedlich sind manchmal die Vorstellungen davon, was wie gemeinsam genutzt werden kann – ein Ergebnis fällt auf: das Forum Wissen. „Seit den 1980er-Jahren gab es die Idee eines gemeinsamen Raumes, eine Art Schaufenster unserer Sammlungen“, so Graepler. Im 2022 eröffneten Wissensmuseum ist die Idee nun verwirklicht: Hier sind Objekte aus den Sammlungen der Uni Göttingen öffentlich ausgestellt. Ob Reagenzglas, Schublade oder Fossil – mit ihnen lässt sich zeigen, wie Wissen entsteht.

Ryoto Akiyama (Musikinstrumentensammlung) mit seinem selbst gebackenen, diatonisch geschnittenen Kuchen

Ein besonderer Reiz dabei: Die Objekte kommen wie die Kustod*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Dadurch wechseln die Perspektiven und Geschichten. Langweilig wird es nicht.

Lust auf mehr

Das motiviert auch zu gemeinsamen Aktionen wie dem Tag der offenen Sammlung, der Vortragsreihe „Sachverstand“ oder den Sonntagsspaziergängen. Jeden Sonntag öffnen das Geowissenschaftliche Museum, die Kunstsammlung und die Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihre Türen für Besucher*innen. “Das ist möglich, weil wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen”, so Graepler, der auch Sprecher der Kustod*innen ist. Alle sechs Wochen kommen sie in einer ihrer Sammlungen zusammen, reden darüber, wo ihnen der Schuh drückt, entwickeln Visionen und – schauen sich natürlich auch Objekte an. „Egal ob die Kunsthistorikerin von ihren Bildern erzählt oder der Informatiker von seinen Rechnern, es hören trotzdem alle zu.“ Das ist für Graepler faszinierend und bestärkt offenbar nicht nur ihn, das Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen.

Fotos vom 100. Sammlungstreffen: Martin Liebetruth

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Forum Wissen

Das war das Jahr 2023

Schon wieder geht ein Jahr zu Ende. Für das Team des Forum Wissen war es ein aufregendes, abwechslungsreiches, kurzweiliges Jahr mit vielen schönen Momenten. Ganz besonders freuen wir uns über eine Nachricht, die uns zum Jahresende erreicht hat: Das Forum Wissen hat es ins Finale des European Museum of the Year Award 2024 geschafft! Dazu aber am Ende mehr. Jetzt lassen wir erstmal Bilder sprechen. Die sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte. Hier unser Jahresrückblick in Fotos:

Das Göttinger Pottwalskelett hält Einzug ins Forum Wissen.
Foto: Peter Heller

Ein echter Dickschädel: Das Göttinger Pottwalskelett hält Einzug ins Forum Wissen. Nach mehrjährigem Dornröschenschlaf in der Außenstelle des Zoologischen Museums der Universität Göttingen in Holtensen zieht der Göttinger Pottwal am Montag, 23.01.2023, ins Forum Wissen ein.

Aktionstag zum Einzug des Wals - Am 19. März 2023 feiert das Forum Wissen den Einzug des ‚Göttinger‘ Pottwalskeletts.
Foto: Peter Heller

Aktionstag zum Einzug des Wals – Am 19. März 2023 feiert das Forum Wissen den Einzug des ‚Göttinger‘ Pottwalskeletts mit musikalischer Begleitung und Malwettbewerb.

"Hineingeschmeckt" - die neue Veranstaltungsreihe im Forum Wissen. Kustod*innen der Göttinger Sammlungen präsentieren spannende Objekte.

“Hineingeschmeckt” – die neue Veranstaltungsreihe im Forum Wissen. Kustod*innen der Göttinger Sammlungen präsentieren spannende Objekte. Dazu kredenzt Philipp Bremer ausgewählte Weine.

Die Sonderausstellung "Stimmen" im Forum Wissen beschäftigt sich mit Sprachforschung im Ersten Weltkrieg

Die Sonderausstellung “Stimmen” beschäftigt sich mit Sprachforschung im Ersten Weltkrieg. Es geht um Kriegsgefangene aus dem heutigen Afghanistan und Pakistan, die zum Gegenstand von Sprachforschung gemacht wurden.

Premiere des Theaterstücks Avaz im Forum Wissen
Foto: Martin Liebetruth

Premiere des Theaterstücks AVAZ, das eigens für die Sonderausstellung konzipiert wurde. Schauspieler: Haneef Baloch, Samiullah Baloch, Sultan Zeb Khawaja. Regie: Luise Rist und Franziska Aeschlimann.

Aktivist*innen von Endfossil Göttingen kapern das Forum Wissen für ein Wochenende im April und zeigen ihre eigens konzipierte "Sonderausstellung" Forum Handeln
Foto: Martin Liebetruth

Aktivist*innen von Endfossil Göttingen kapern das Forum Wissen für ein Wochenende im April und zeigen ihre eigens konzipierte “Sonderausstellung” Forum Handeln.

In einer feierlichen Zeremonie gibt die Universität Göttingen Human Remains aus den Göttinger Sammlungen an eine Delegation aus Aotearoa Neuseeland zurück.
Foto: Peter Heller

In einer bewegenden Zeremonie hat die Universität Göttingen Anfang Juni Gebeine von Vorfahren – Tūpuna – der Māori und Moriori an eine Delegation aus Vertreter*innen der beiden Communities, des Nationalmuseums von Neuseeland Te Papa Tongarewa und der neuseeländischen Botschaft zurückgegeben

Nobel-Kneipenquiz anläßlich des 75. Jubiläums der Max-Planck-Gesellschaft am 04.07.2023 im Liesels X Forum im Forum Wissen, Göttingen.
Foto: Martin Liebetruth

Nobel-Kneipenquiz anläßlich des 75. Jubiläums der Max-Planck-Gesellschaft am 04.07.2023 im Liesels X Forum im Forum Wissen, Göttingen inklusive Sonderausstellung “Pioniere des Wissens” im Forum Wissen.

Das Forum Wissen hat es unter die drei Finalisten des DASA Award 2023 geschafft!  Die Leiterin unsers Wissensmuseums, Dr. Sandra Potsch, stellte den Teilnehmenden dort das Forum Wissen vor und nahm die Urkunde entgegen.

Das Forum Wissen hat es unter die drei Finalisten des DASA Award 2023 geschafft! Der DASA-Award wird seit 2011 vergeben. Er prämiert jährlich ein Museum, das sich in innovativer Weise der Bildung und Vermittlung widmet. Auf dem Meeting der European Museum Academy in Timisoara, Rumänien, waren Juror*innen und Bewerber*innen aus 25 europäischen Ländern vertreten. Die Leiterin unsers Wissensmuseums, Dr. Sandra Potsch, stellte den Teilnehmenden dort das Forum Wissen vor und nahm die Urkunde entgegen.

"Die anderen Räume" ist der Titel einer Freiflächen-Ausstellung von Studierenden, die über verschiedene Räume des Forum Wissen verteilt ist. Darin geht es um studentische Perspektiven auf Räume des Wissens in der Universität und in der Stadt Göttingen.
Foto: Martin Liebetruth

“Die Anderen Räume” ist der Titel einer Freiflächen-Ausstellung von Studierenden, die über verschiedene Räume des Forum Wissen verteilt ist. Darin geht es um studentische Perspektiven auf Räume des Wissens in der Universität und in der Stadt Göttingen.

Die Sonderausstellung "Digitaler Wald - eine virtuelle Reise in die Klimaforschung" widmet sich dem hochaktuellen Thema des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf unsere Wälder.
Foto: Jens Kaesemann

Die Sonderausstellung “Digitaler Wald – eine virtuelle Reise in die Klimaforschung” widmet sich dem hochaktuellen Thema des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf unsere Wälder.

In der Salon-Debatte "Der Wald in Zeiten von Klimawandel und Artenschwund" im Forum Wissen treffen konträre Meinungen aufeinander.
Foto: Martin Liebetruth

In der Salon-Debatte “Der Wald in Zeiten von Klimawandel und Artenschwund” im Forum Wissen treffen konträre Meinungen aufeinander.

Gestaltung: Ralph Hormes

Am 15. Dezember 2023 erscheint die erste Folge von “Wissen to listen”, dem neuen Podcast des Forum Wissen. Die Podcasterin und Forum-Wissen-MItarbeiterin Eva Völker unterhält sich mit Dominik Seidel, Professor für Räumliche Strukturen und Digitalisierung der Wälder über die Frage, wie man Wälder digitalisiert und wozu das gut sein soll. Hören Sie gerne mal rein!

Foto: Peter Heller

Wir freuen uns riesig über die Nachricht, die uns kurz vor Jahresende erreicht hat: Das Forum Wissen ist für den European Museum of the Year Award 2024 nominiert. Anfang Mai wird beim großen Finale in Portimao, Portugal, unter 24 Museen aus ganz Europa der Gewinner gekürt. Wir danken allen, die das möglich gemacht haben. Und vor allem danken wir Ihnen, unseren Unterstützer*innen, den mehr als 53.000 Besucher*innen in diesem Jahr, unseren kritischen Freund*innen und wünschen Ihnen allen schöne Feiertage und einen guten Jahreswechsel!

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Die Geburtsmedizin im Wandel der Zeit

Im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen spiegelt sich die Geschichte der Geburtsmedizin. Die Sammlung an der Uni Göttingen ist geprägt von vielseitigen Entwicklungen, ethischen Dilemmata und innovativen Persönlichkeiten. Ihre etwa 1.200 Objekte aus dem 18. und 19. Jahrhundert bieten heute spannende Einblicke in die Anfänge der vermutlich weltweit ersten akademischen Geburtsklinik.

Geburtstagebücher von F. B. Osiander aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Geburtstagebücher von F. B. Osiander aus dem frühen 19. Jahrhundert. Foto: Lena Heykes

Die Gelehrten Friedrich Benjamin Osiander, ein Verfechter der Geburtszange, und Eduard von Siebold, der frühzeitig Anästhesie einsetzte, waren im 18. und 19. Jahrhundert wegweisend für die Entwicklung der Geburtshilfe. Ihre unterschiedlichen Ansätze spiegeln sich in den historischen Praktiken wider. Die Sammlung, die die beiden Geburtshelfer maßgeblich aufgebaut haben, umfasst Instrumente, Modelle, Präparate und Geburtsprotokolle aus Forschung und Lehre. Die Objekte ermöglichen eine historische Reise durch die Entwicklung der Geburtshilfe.

Die Geburtsmedizin im Fokus

In der Göttinger Geburtsklinik wurden anfänglich vor allem gesellschaftlich stigmatisierte uneheliche Schwangere versorgt. Starben sie in der Schwangerschaft oder im Kindbett, konnten ihre Körper für Präparate „genutzt“ werden. Gelehrte wie Osiander setzten diese für die eigene Forschung und zur Veranschaulichung im Unterricht ein.

Objekte wie die Geburtszange stellen einen Meilenstein in der Geburtshilfe dar. Studenten übten ab etwa 1800 den Einsatz der Zange, die den Geburtsvorgang beschleunigen konnte. Dabei nutzten sie einen Lederball als Phantom.  Geburtstagebücher, von Friedrich Benjamin Osiander verfasst, geben Einblicke in die Situation der ledigen, armen Schwangeren. Die Frauen dienten der Ausbildung von Medizinstudenten und Hebammen.

Geburtszange und Lederball. Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin.
Geburtszange und Lederball. Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin. Foto: Lena Heykes

Entwicklung von Geburtspraktiken

Die Entwicklung von hygienischen Standards in Folge eines besseren Verständnisses für die Bedeutung von Asepsis (Keimfreiheit) und Antisepsis (Vernichtung von Krankheitskeimen) markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Geschichte der Geburtshilfe. Ignaz Philipp Semmelweis erkannte im 19. Jahrhundert die Bedeutung des Händewaschens mit einer Chlorkalklösung in dafür vorgehaltenen Waschschalen. Zuvor war die Sterberate von Müttern durch Kindbettfieber gerade in den Abteilungen mit ärztlichen Geburtshelfern sehr hoch gewesen.

Die Geburtszange wurde allmählich von schonenderen Instrumenten wie der Saugglocke abgelöst. Auch manch ein ethischer Konflikt verschwand mit der Zeit. Als der Kaiserschnitt noch hochriskant war, war das Leben von Frau und Kind in größter Gefahr, wenn das Kind nicht geboren werden konnte. Das Embryotomie-Besteck enthält Werkzeuge zur Zerstückelung des Ungeborenen und wurde in solchen Situationen eingesetzt, um zumindest das Leben der Frau zu retten.

Verschiedene Werkzeuge eines Embrytomie-Bestecks.
Verschiedene Werkzeuge eines Embrytomie-Bestecks. Foto: Lena Heykes

Weitere Objekte zur Geschichte der Geburtsmedizin

In der Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin gab es Modelle, an denen Medizinstudenten und Hebammen die gynäkologische Untersuchung üben konnte. Ein Modell von Osiander bestand aus einem Präparat eines weiblichen Beckens, war mit Draht umwickelt und mit Leder überzogen. Nachbildungen des Muttermunds in den verschiedenen Stadien der Schwangerschaft konnten eingelegt werden. Sie bestanden aus Materialien wie Ton, Seife, elastischem Harz oder sogar Bernstein. Solche „Phantome“ ermöglichten den Studierenden und Hebammen ein taktiles Erleben und Üben. Sie konnten fühlend den Fortschritt einer Geburt und die Größe der Öffnung des Muttermunds feststellen.

Verbindung zur modernen Geburtshilfe

Die Sammlung ist heute Anziehungspunkt für Hebammenschüler*innen, Historiker*innen und Kulturwissenschaftler*innen. Die Sammlung wird aktiv für Forschungsprojekte genutzt, insbesondere für Erkenntnisse über die Akademisierung und Technisierung der Geburtshilfe und die gesellschaftliche Lage von unehelichen Schwangeren. Die Verbindung von Objekten und Geburtsprotokollen ermöglicht tiefe Einblicke in die historische Geburtshilfe.

Die Sammlung zur Geschichte der Geburtshilfe in Göttingen ist nicht nur ein Schaufenster in die Vergangenheit, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion für die moderne Geburtshilfe. Mit ihrer Hilfe kann zudem besser verstanden werden, wie mit ethischen Konflikten umgegangen werden soll.

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Ausstellung Forum Wissen

Interview mit Alexander Knohl

Der Bioklimatologe Alexander Knohl von der Universität Göttingen leitet das Forschungsprojekt „Digital Forest“. Das Projekt ist Thema der Sonderausstellung „Digitaler Wald. Eine virtuelle Reise in die Klimaforschung“. Vor dem Hintergrund des Dürresommers im Jahr 2018 erforscht er mit seinem Team, wie man den Wald der Zukunft klimaresistent machen kann. Im Interview spricht er darüber, wie das Forschungsprojekt zustande kam, welche Erkenntnisse zum Klimawandel erzielt wurden und was es für ihn als Wissenschaftler bedeutet, dass die Forschung seines Teams durch die Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Der Bioklimatologe Alexander Knohl
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Ausstellung Forum Wissen Hinter den Kulissen

Wie eine Ausstellung entsteht

Hinter den Kulissen der Ausstellung “Digitaler Wald” im Forum Wissen

Ausstellungsmanagerin Ramona Dölling und Sammlungsmanager Karsten Heck kuratierten die aktuelle Sonderausstellung “Digitaler Wald” im Forum Wissen. Sie haben u. a. das Konzept inhaltlich ausgearbeitet, Objekte ausgewählt, Texte für die Ausstellung geschrieben und die Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Gestaltungsbüros koordiniert.

Bei der Entwicklung einer Ausstellung entstehen viele Skizzen und Notizen, wie diese von Karsten Heck zum “Digitalen Wald”

Von der Idee zur Ausstellung

Die Idee für die Ausstellung “Digitaler Wald” wurde bereits 2019 mit der Antragstellung für ein dreijähriges Forschungsprojekt im Nationalpark Hainich geboren. Karsten Heck war damals bereits involviert und begleitete das Projekt vom ersten Antrag bis zur Fertigstellung der Ausstellung.

Die Planung der Ausstellung erfolgte parallel zu den laufenden Forschungen. Das Besondere sei dabei, dass die Ausstellungen direkt aus dem laufenden Forschungsprojekt gespeist wurde. “ Und da sei es das ideale Modell, wenn man schon gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen den Antrag für ein Forschungsprojekt stellt und darin den von vielen Mittelgebern geforderten Anteil an Wissenschaftskommunikation in Form einer Ausstellung plant”, erklärt Kasten Heck. Üblicherweise steht am Ende eines wissenschaftlichen Projektes eine Buchveröffentlichung, eine Posterausstellung bei einer Tagung oder etwas Vergleichbares. “Dass wir öffentliche Ausstellungen machen, das ist schon neu,“ so Karsten Heck. Dies ist ein wichtiger Teil des Konzepts des Forum Wissen.

Kasten Heck (links), Ramona Dölling (rechts) und Prof. Dr. Alexander Knohl (Mitte), Leiter der Abteilung Bioklimatologie der Universität Göttingen, bei der Eröffnung der Ausstellung “Digitaler Wald” am 25.10.2023 im Forum Wissen
Foto: Peter Heller

Parallel zu dem Forschungsprojekt im Hainich lief in den letzten zwei Jahren die Planung und Entwicklung der Ausstellung. Von Anfang an bestand die Absicht, eine Virtual Reality (VR) in Verbindung mit einer physischen Ausstellung zu schaffen. Die Ausstellung wurde dabei bewusst klein gehalten, da sie nicht nur in Göttingen, sondern ab März 2024 auch in einem kleineren Raum im Besucherzentrum des Nationalparks im Hainich (Thüringen) gezeigt werden soll.

Mit Hilfe der VR können die Wissenschaftler*innen die Ausstellungsbesucher*innen an ihren Arbeitsplatz im Wald einladen
Foto: Peter Heller

So begann das Team zusammen mit einem externen Auftragnehmer, zuerst die Virtual Reality zu entwickeln, da die Story- und Softwareentwicklung aufwendig ist. Die VR-Brille ermöglicht den Besucher*innen, virtuell die Forschungsstation der Bioklimatolog*innen im Nationalpark Hainich zu erkunden. Darauf folgte die Konzeption der physischen Ausstellung mit Exponaten wie historischen und modernen Messgeräten und Texten. In Zusammenarbeit mit einem Kassler Ausstellungsgestaltungsbüro wurde das inhaltliche Konzept dann gestalterisch in den Raum übersetzt, erklärt Karsten Heck. Dazu gehört auch die Planung der Möbel für die Ausstellung. “Wir haben fast alles wiederverwendet, was vorher schon in anderen Ausstellungen verwendet worden war, also Vitrinen aus unserer Ausstellung “Stimmen”, die Röhren haben wir aus der Ausstellung “Moving Things” recycelt und es sind nur wenige Dinge von Grund auf neu hergestellt worden,” erzählt Ramona Dölling.

Ramona Dölling mit einigen Exponaten, die für die Ausstellung hergestellt wurden.
Foto: Peter Heller

Die Zusammenarbeit mit Forschenden

Die enge Kooperation mit Wissenschaftler*innen spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung solcher Ausstellungen. Die Ausstellungsentwicklung geschieht im engen Austausch mit den Forschenden. “Die Forschenden wissen viele inhaltliche Dinge viel besser als wir,” sagt Ramona Dölling. “Dafür wissen wir, wie wir Dinge für ein breites Publikum verständlich machen.”

Recherche ist das A und O

Apropos verständlich machen. Die Ausstellungstexte sind eine essenzielle Aufgabe des Teams „Ausstellen“, erklärt Ramona Dölling.“Die Texte für „Digitaler Wald“ haben wir ganz intensiv zusammen mit der Bioklimatologin Franziska Köbsch aus dem Forschungsprojekt geschrieben. Zu den speziellen Messgeräten schrieb Franziska Köbsch, wie dieses Instrument funktioniert”. Die Aufgabe der Kurator*innen ist es dann zu überlegen, was man in dem Text weglassen könnte und was vielleicht noch genauer erklärt werden müsste, damit, am Ende ein Text entsteht, der sachlich richtig, aber auch einfach zu verstehen ist.

Karsten Heck erklärt die Keeling-Kurve in der Ausstellung, die den menschengemachten CO2-Ausstoß über viele hundert Jahre zeigt
Foto: Peter Heller

Eine gelungene Ausstellung

Für eine gute Balance zwischen Exponaten und Inhalten ist es laut Ramona Dölling entscheidend, sich immer wieder die Zielgruppe vor Augen zu führen. Bei der Arbeit an einer neuen Ausstellung fragt sie sich daher: “Für wen mache ich das eigentlich, was sind die Kernaussagen, die Besucher*innen mitnehmen sollen, und welche Erwartungen hat das Publikum?”

Die Ausstellung „Digitaler Wald“ wurde z. B. auch für eine jugendliche Zielgruppe entwickelt. Ein besonderer Erfolg von “Digitaler Wald” ist für Ramona Dölling die Vielfalt an Medien: Hörstationen, Videos und insbesondere die Virtual Reality bieten den Besuchern ganz unterschiedliche Zugänge zum Thema.

In der Ausstellung gibt es auch ein Spiel, das das Team entwickelte, um klimatische Kipppunkte auch für Kinder und Jugendliche erfahrbar zu machen.
Foto: Peter Heller

Ausstellungen wie der “Digitale Wald” bieten eine tolle Chance für Wissenstransfer und für Kommunikation zwischen Forschung und Öffentlichkeit. So können wichtige Themen, wie zum Beispiel die Klimakrise, an einem neuen Ort und mit innovativen Mitteln im Forum Wissen dargestellt und diskutiert werden. Ramona Dölling und Karsten Heck helfen dabei mit ihrer Expertise, Forschung und Wissenschaft für ein breites Publikum erfahrbar zu machen.