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Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Schatzkammer des Wissens: die Königliche Modellsammlung

Das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen zeigt viele Objekte mit besonderer Geschichte und Bedeutung für die Gegenwart. Dazu gehören auch einige Objekte der Königlichen Modellkammer. Die Sammlung ist eine der ältesten ihrer Art. Mit ihr öffnet sich für euch ein faszinierendes Fenster in die Welt der Wissenschaft und Technik des 18. Jahrhunderts.

Schöpfradmodell von 1750. Foto: Martin Liebetruth

Genutzt, Verkauft, Vermisst

Die Modellsammlung blickt auf eine lange und verworrene Geschichte zurück. Das Erste Objekt soll bereits 1737 in den Besitz der Georg-August-Universität Göttingen übergegangen sein. Um die 150 Modelle wurden in den folgenden Jahrzehnten angeschafft. Die Objekte der Königlichen Modellkammer zeigen unter anderem Darstellungen aus den Bereichen Bergbau, Wasserbau, und Landwirtschaft.

Die Modelle unterstützten vor allem die praktische Lehre und dienten als Anschauungsmaterial. Im 19. Jahrhundert wurde die Sammlung nach und nach aufgelöst und die Modelle verkauft. Sie schienen für die Lehre an der Universität Göttingen nicht mehr notwendig zu sein. Diese Sicht änderte sich im 21. Jahrhundert und es begannen Bemühungen, die Objekte wieder zu erlangen. Bis heute sind 25 Objekte in die Modellsammlung zurückgekehrt.

Die Zentrale Kustodie ist verantwortlich für die Erhaltung und Pflege dieser kostbaren Sammlung. Ihre Aufgabe ist es sicherzustellen, dass diese Schätze aus der Vergangenheit für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Denn die Objekte sind lebendige Zeugnisse des wissenschaftlichen Fortschritts und des Erbes der Universität Göttingen. Sie sind nun zum Teil öffentlich zu sehen – eine einzigartige Gelegenheit für euch, die Welt der Wissenschaft hautnah zu erleben.

Modell einer Wendeltreppe. Foto: Martin Liebetruth

Forschung und Innovation

Das Sammlungsschaufenster zeigt repräsentativ vier Objekte aus der Königlichen Modellkammer: Das Schöpfradmodell ist ein außergewöhnliches Exemplar, das um 1750 gebaut wurde. Im Gegensatz zu einem Wasserrad, das Mühlen antrieb, hatte ein Schöpfrad die Aufgabe, Wasser in die Höhe zu befördern und anderswo auszugießen. Dieses Prinzip war entscheidend für Wasserleitsysteme wie die Oberharzer Wasserwirtschaft.

Ein weiteres Exponat aus der Sammlung ist das Modell einer Treppe, das im Mathematikunterricht des 18. Jahrhunderts Verwendung fand. Es zeigt eine detaillierte Wendeltreppe, die sich über zwei Podeste erstreckt. Damals gehörte die zivile Baukunst zum Lehrstoff und Modelle wie dieses halfen den Studierenden, die komplexen mathematischen und architektonischen Prinzipien besser zu verstehen.

Modell einer Idealen Festung. Foto: Lena Heykes

Auch das Modell einer idealen Festung könnt ihr im Sammlungsschaufenster entdecken. Ein weiteres Objekt dieser Art haben wir auch in der Basis-Ausstellung. Diese Modelle basieren auf den Entwürfen des Kriegsbaumeisters Sébastien de Vauban, der im 17. Jahrhundert in ganz Europa maßgeblichen Einfluss auf militärische Befestigungen hatte. Die Modelle waren nicht nur beeindruckende Darstellungen von Festungsanlagen, sondern auch Werkzeuge der angewandten Geometrie in der Ausbildung von Ingenieuren.

Ein weiteres technisches Objekt aus der Sammlung ist das Modell eines doppelten Pumpwerks. Obwohl es kein vergleichbares Werk in der Realität gibt, diente das Modell dazu, die Funktionsweise eines Pumpwerks darzustellen. An diesem Modell wurden die Grundlagen der Mechanik und Hydraulik erklärt.

Modell eines doppelten Pumpwerkes. Foto: Martin Liebetruth

Bis heute von Bedeutung

Die Bedeutung solcher Modelle in der universitären Lehre und Forschung sollte nicht unterschätzt werden. Sie ermöglichen es Studierenden, abstrakte Konzepte in die Hand zu nehmen und praktisch zu erforschen. Diese Modelle sind nicht nur historische Artefakte, sondern bis heute auch lehrreiche Werkzeuge.

Die Modellsammlung ist eine Inspirationsquelle für Studierende und Forschende der Universität. Aber auch ihr könnt die Modelle betrachten und euch von der Wissenschaft sowie der eigenen Vorstellungskraft inspirieren lassen.

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Sammlung

Erich Blechschmidt. Abbilder

“Ein menschlicher Embryo hat so viel Anmut, dass der Unvoreingenommene ihn staunend bewundern muss.” Erich Blechschmidt im Vorwort zu „Vom Ei zum Embryo“, 1968

His-Ziegler-Modelle, Embryo A aus der Modellserie “Anatomie menschlicher Embryonen”, Anatomisches Institut, Göttingen, 1880/85. Foto: Hans-Georg Sydow.

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Restaurierung im Embryonalstadium

Restaurierungsprofis bringt man gemeinhin mit der akribischen Arbeit an beschädigten Kulturgütern wie Gemälden in Verbindung. Aber auch in einem anatomischen Institut können sich Objekte verstecken, die für Restauratorinnen und Restauratoren von großem Interesse sind. Einige befinden sich mit der „Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt“ in der Göttinger Anatomie. Es handelt sich um weltweit einmalige, großformatige Kunststoffmodelle der Anatomie ganzer Embryonen und damit aus den ersten beiden Entwicklungsmonaten.

Kunststoffmodell aus der Sammlung Blechschmidt, ca. 90 cm hoch (Foto: Michael Markert).
Kunststoffmodell aus der Sammlung Blechschmidt, ca. 90 cm hoch (Foto: Michael Markert).

Aus Plastik, aber kein Wegwerf-Artikel

Die über 60 beeindruckenden Modelle wurden in monatelanger Handarbeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts während der 1950er und 1960er Jahre gebaut. Dabei kam ein nur in Göttingen angewandtes Modellierungsverfahren auf Basis der ersten kommerziell erhältlichen Kunststoffe zum Einsatz. Die Modelle sollen noch lange Zeit für Lehre und Vermittlung zur Verfügung stehen, aber es gibt bisher kaum Erfahrungen mit Kunststoffobjekten so hohen Alters. Daher erschien mir, der ich die Geschichte der Sammlung untersuche, ein kleines Forschungsprojekt innerhalb der Restaurierungswissenschaften dazu sinnvoll.

Glücklicherweise ergibt die Kombination aus altem Kunststoff, einer Armierung aus Metalldrähten und der aufwändigen Bemalung einen ganz besonderen Materialmix. Der ist nicht nur für Medizinstudierende, sondern auch angehende Restauratorinnen und Restauratoren ausgesprochen spannend. Die Werkstattleiterin Mag. Ute Lorenz von der Fachrichtung Konservierung und Restaurierung der FH Erfurt war deshalb sofort interessiert, als ich von den Modellen erzählte. Ich habe zuvor schon mit ihr und der Fachrichtung zusammengearbeitet und dies immer als sehr befruchtend empfunden.

Was ist so toll am Modell?

Nun wird sich voraussichtlich ab Juli 2018 Till Krieg im Rahmen seiner Masterarbeit an der FH Erfurt für einige Monate intensiv damit beschäftigen. Er besuchte wie auch die Studiengangsleiterin Prof. Dr. Britta Schmutzler, verantwortlich für archäologisches Kulturgut und kunsthandwerkliche Objekte, und Ute Lorenz vor einigen Monaten für einen ersten Einblick die Sammlung. Neben einer Materialanalyse wird bei dem Projekt Kriegs die Frage der Bestandssicherung im Vordergrund stehen. Britta Schmutzler erklärte mir, dass für die Erfurter Studierenden die Beschäftigung mit universitären Sammlungen eine hervorragende Vorbereitung auf die spätere berufliche Tätigkeit ist. Bezogen auf das Material sei der Unterschied zwischen wissenschaftlichen Objekten wie diesen Modellen und modernen Kunstwerken nicht so groß wie man denkt. Für Ute Lorenz bieten Universitäten und ihre Sammlungen Objekte, die immer eine besondere Herausforderung für die Studierenden darstellen. Schon bei unserer kurzen Begehung hat die Gruppe aus Erfurt noch ein Thema für eine Bachelorarbeit in Nebenraum der anatomischen Lehrsammlung entdeckt.

Der angehende Restaurator Till Krieg bei der Begutachtung der Modelle (Foto: Michael Markert).

Till Krieg ist von seinem zukünftigen Projekt begeistert. Für ihn ist die Arbeit an diesen komplexen Materialgefügen der Modelle eine tolle Herausforderung. Er freut sich darauf neue spannende Erkenntnisse zu sammeln, um eine Erhaltung und Nutzung der einzigartigen Stücke weiterhin gewährleisten zu können.

Die Zukunft der Wissensobjekte

Aus meiner Perspektive als Sammlungsforscher ist das Projekt ein gutes Beispiel für den interdisziplinären Austausch über Sammlungen und ihre Objekte, wie er die Arbeit im Forum Wissen prägen wird. Vermutlich werden die embryologischen Modelle aufgrund ihrer Dimensionen nicht in die dortige Dauerausstellung passen. Aber alle öffentlichen und teilöffentlichen Sammlungen der Universität Göttingen profitieren von der Aufmerksamkeit, die das Forum Wissen auf sie lenken wird. Die Begutachtung und Bestandssicherung einer Sammlung wie dieser im Untergeschoss der Anatomie ist eine zentrale Voraussetzung dafür, die einmaligen Objekte auch in Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.

Sammlungsselfie: Michael Markert im Ausstellungsraum (Foto: Michael Markert).
Sammlungsselfie: Michael Markert im Ausstellungsraum (Foto: Michael Markert).