Categories
Forum Wissen

Freiraum im Forum Wissen

Die Ausstellung im Forum Wissen: Räume des Wissens

Es brummt in den Büros der Zentralen Kustodie: Seit Oktober 2017 bereitet das kuratorische Team rund um Joachim Baur und Mare Luisa Allemeyer die Ausstellung im Forum Wissen vor. Dreizehn „Räume des Wissens“ sind geplant, die Besucherinnen und Besucher in einem Parcours durch das Haus leiten werden. Schon jetzt stehen einige altbekannte und typische Wissensräume fest: Der Schreibtisch, der Hörsaal, die Bibliothek und das Labor. Aber auch ungewöhnlichere Räume sind bereits in Planung, etwa die Reise, der Markt und der Holzweg. Jeder Raum hat also ein Thema und erläutert einen bestimmten Aspekt des Wissen-Schaffens, so der Plan. Jeder Raum? – nicht ganz! Ein Raum im Forum Wissen wird leer stehen und das ganz bewusst: der Freiraum.

Ein Ort für Proben und Dynamik

Der Freiraum, der mit einer Fläche von rund 50 qm direkt an den Auftakt der Ausstellung „Räume des Wissens“ angrenzt, liegt räumlich sehr prominent im Erdgeschoss des Forum Wissen. Er ist dem Prinzip der Dynamik verpflichtet: Hier können explorative Ausstellungsformate ausprobiert werden.

Der Freiraum verfolgt einen spielerischen Ansatz. Hier können sich Studierende und Forschende auch an ungewöhnlichen Formaten ausprobieren.

Hier können studentische Ausstellungen gezeigt werden, die Studierende in einem Ausstellungsseminar konzipiert haben, um erste Ausstellungserfahrungen zu sammeln. Und wenn Wissenschaftlerinen und Wissenschaftler Ergebnisse oder Zwischenstände ihrer Forschungsarbeit präsentieren und mit der Öffentlichkeit diskutieren wollen, steht er zur Verfügung. Auch wenn der Freiraum räumlich größtmögliche Freiheiten bietet, unterliegt er wie alle Ausstellungen im Forum Wissen dessen Grundprinzipien. Das heißt, immer geht es auch hier um das Wissen, wie und durch wen es entsteht, verändert, verfestigt und verbreitet wird.

Freiraum und FREIgeist

Wir finden: Wissenschaft geht jeden an – und jeder kann zu neuem Wissen beitragen. Wir sind daher immer auf der Suche nach Partnern außerhalb der Universität, die uns helfen, den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft voran zu bringen. An erster Stelle mit dabei: unsere neuen Nachbarn! Am 1. Juli 2018 eröffnet das Hotel FREIgeist Göttingen direkt neben dem Forum Wissen.

Planungsgespräch in Nörten-Hardenberg mit Hotel-Initiatoren Georg Rosentreter und Carl Graf von Hardenberg.

Bereits in der Vorbereitungszeit waren wir immer wieder mit den Initiatoren des Hotels, Georg Rosentreter und Carl Graf von Hardenberg, im Gespräch.

Bei der Planung des Hotels war es uns wichtig auf den Standort Bezug zu nehmen. Göttingen steht für Wissenschaft und mit dem Forum Wissen als Nachbarn war es klar, dass sich auch in unserem Haus alles um Wissen drehen würde. Um ein paar Beispiele zu nennen: Die Bücher in unserer Lobby stammen aus der Uni-Bibliothek, bei der Bar haben wir uns vom Herbarium des Botanischen Instituts inspirieren lassen, unser Küchenchef unterhält sich mit der Kuratorin der Göttinger Algensammlung über essbare Algen. Mit der Uni haben wir hierbei sehr eng zusammengearbeitet. Wir wollen, dass unsere Besucher sich sofort im Göttinger Wissenschafts-Flair zuhause fühlen.

Georg Rosentreter

Das FREIgeist Göttingen gehört zur Holdinggesellschaft “FREIgeist & Friends, die Georg Rosentreter und Carl Graf von Hardenberg gemeinsam führen. Zu ihr gehören auch das FREIgeist Hotel Northeim, das FREIgeist Einbeck, das Relais & Châteaux Hardenberg BurgHotel in Nörten-Hardenberg, das Design-Hotel TM Zum Löwen in Duderstadt sowie Restaurant, Café und Biergarten Graf Isang am Seeburger See.

Nun freuen wir uns sehr, dass FREIgeist den Freiraum im Forum Wissen mit einer Raumpatenschaft unterstützen wird. FREIgeist und Freiraum – das passt einfach zusammen.

Categories
Sensible Objekte

Decolonizing Knowledge – Objekte, Sammlungen und die Ambivalenz der Aufklärung

[grey_box] Vortragsreihe im Sommersemester 2018
Montags, 18.15 bis 19.45 Uhr
Taberna in der Alten Mensa, Wilhelmsplatz 3, 37073 Göttingen [/grey_box]

Wie in vielen universitären Sammlungen finden sich auch in Göttingen Objekte, die im Zuge der europäischen Kolonialherrschaft nach Deutschland kamen. Mit der Entwicklung der Basisausstellung im Forum Wissen stellt sich daher verstärkt die Frage, wie solche Objekte in die Ausstellung integriert werden können, ohne dabei einen kolonialen Blick zu reproduzieren. An diesem Punkt setzt die Vortragsreihe “Decolonizing Knowledge. Objekte, Sammlungen und die Ambivalenz der Aufklärung” an. Die Referentinnen und Referenten fragen anhand unterschiedlicher Fallbeispiele danach, wie universitäre Sammlungsobjekte zu einem zentralen Instrument wurden, um Wissen über den „Anderen“ herzustellen und zu vermitteln. Sie betrachten zudem, welche Rolle die Ideale der Aufklärung hierbei spielten.

Weitere Informationen zur Vortragsreihe.

 

Variationen orientalischer Schuhe, Abbildung aus Bruhn, Wolfgang; Tilke, Max: A History of Costumes in Depictions, 2001

Termine

14.5. Richard Hölzl (Göttingen): Das Zirkulieren von Intimität. Tansanische Initiationsobjekte aus der Sammlung des Missionars und Ethnologen Meinulf Küsters und ihre Karriere im 20. Jahrhundert

28.5. Rebekka Habermas (Göttingen): Born to go wild? Koloniale Forschungsreisen im langen 19. Jahrhundert

4.6. Regina Sarreiter (Berlin): Ton, Steine, Scherben – Synchronisierte Objektgeschichten jenseits institutioneller Ordnung

5.6. 18–20 Uhr: Philipp Schorch (München): Curating socialist environments: (Post)colonial histories, ethnographic exhibitions and public art interventions [zusammen mit Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte]
Abweichender Veranstaltungsort: PH 20, Humboldtallee 19/21

11.6. Karin Hostettler (Basel): Zum Othering in der kritischen Philosophie Kants
Abweichender Veranstaltungsort: Auditorium, Weender Landstraße 2, Seminarraum Erdgeschoss

18.6. Sebastian Garbe (Gießen): Die Sozialwissenschaften dekolonisieren: mit anstatt über den Süden denken.

2.7. Ruth Sonderegger (Wien): Eine Weichenstellung von irritierender Nachhaltigkeit. Zur Entstehung der deutschsprachigen ästhetischen Theorie im globalen und kolonialen Kontext des 18. Jahrhunderts

9.7. Nikita Dhawan (Innsbruck): Rescuing the Enlightenment from the Europeans

Categories
Sammlung

Blick in die Schatzkammern der Universität

Wie atmen Insekten unter Wasser? Warum läuft ein Doppelkegel bergauf? Was verraten Skelette über Krankheiten und Urkunden über das Mittelalter? Am Internationalen Museumstag können Sie es erfahren: Am Sonntag, 13. Mai 2018, haben Sie die Chance, von 10 bis 18 Uhr einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und die Schatzkammern der Universität Göttingen kennenzulernen. Die Sammlungen, Museen und Gärten heißen Sie in Göttingen herzlich willkommen!

Von der Mechanik bis zur Quantenphysik: historische Instrumente im Physicalischen Cabinet entdecken.

Ein Programm für die ganze Familie

„Wir haben zusammen mit den Kustodinnen und Kustoden der Sammlungen ein vielfältiges und spannendes Programm auf die Beine gestellt, das für alle etwas bietet“, so Marie Luisa Allemeyer. Die Direktorin der Zentralen Kustodie hebt die verschiedenen Sammlungen vom Filmarchiv bis zur Ägyptologie hervor, die ansonsten nicht öffentlich zu sehen sind und sich nur an diesem Tag im Auditorium vorstellen. Hier begrüßt die Unipräsidentin um 11 Uhr alle Gäste. Der Förderkreis Forum Wissen informiert über das zukünftige Wissensmuseum und das „boat people projekt“ präsentiert eine szenische Collage, inspiriert von den Bildern der Kunstsammlung. Auch Mitmachaktionen, Führungen, Kurzvorträge, viel Musik und leckere Waffeln gibt es.

„Wir freuen uns über alle großen und kleinen Bücherwürmer,“ erklärt Hartmut Hombrecher von der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur und lädt alle zum Stöbern, Malen und Entdecken ein. Auch in der Paulinerkirche geht es um Bücher und Bibliotheken, Karten und Handschriften. Wenn Sie sich für ihre Erhaltung interessieren, schauen Sie am besten den Restauratorinnen und Restauratoren der SUB Göttingen über die Schulter.

Im Herbarium können Sie Pflanzen entdecken, die Georg Forster während der zweiten Südseereise von James Cook sammelte.

Durch die Erdgeschichte reisen

Wie leben Algen mit anderen Lebewesen zusammen? Welche Erkenntnisse gewinnen Forschende aus getrockneten Pflanzen des 18. Jahrhunderts? Warum läuft ohne Wasser nichts? Entdecken Sie mit uns die Katakomben des Alten Botanischen Gartens und die Buntheit der Antike. Das Angebot reicht vom Schmuckbasteln über den 3D-Druck bis hin zur Versteigerung von Gemälden, deren Erlös ghanaischen Künstlerinnen und Künstlern zugutekommt.

„Mit uns können Sie durch die Erdgeschichte reisen, die Vielfalt der Gesteine kennenlernen und einen exklusiven Blick hinter die Kulissen unserer derzeit entstehenden mineralogischen Ausstellung werfen“, so Kustos Alexander Gehler, der damit nur auf einige Highlights im Geowissenschaftlichen Museum verweist. Werkstattbesuche und Flohmärkte, Entdeckungen am Sternenhimmel, Gartenspaziergänge und Schatzsuchen runden das Programm der Sammlungen am Nordcampus ab.

Auch für Kaffee, Crêpes und einen herzhaften Imbiss ist gesorgt. Wer gern selbst Objekte sammelt, kann in allen geöffneten Sammlungen das Sticker-Album „Göttinger Sammelsurium“ und die Aufkleber erhalten.

Doppelte Aufkleber? Kein Problem: Große Tauschbörse in der Zentralen Kustodie.

Musik liegt in der Luft …

Erstmals schließt sich auch die Erdbebenwarte Göttingen e.V. mit einer Führung auf dem Hainberg unseren Aktionen an. Mit dabei sind zudem viele Musikerinnen und Musiker: das Duo Corda e Ventor, die Sängerin Beray Dincay, die Hornets von der IGS Geismar sowie Katharina Trabert und Michael Frey mit ihrem Programm „Eben lacht es, bums da weint es“. Italienische Arien und barocke Sonaten, Alt-Berliner Chansons und Ohrwürmer des modernen Pop – überzeugen Sie sich am besten selbst vom besonderen Klang des #IMT18 an der Uni Göttingen.

Noch Fragen? Schauen Sie auf unsere Website www.uni-goettingen.de/museumstag oder in unsere Programmhefte, die wir in Stadt und Region verteilen.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

 

 

 

Categories
Engagement

100.000 Euro für das Forum Wissen

Michael Turko, einer der Initiatoren des Stiftungsdinners, und weitere Unterstützer mit Forum-Wissen-Brillen

Dieses Ergebnis kann sich sehen lassen: 100.000 Euro kamen beim Stiftungsdinner am vergangenen Freitag für das Forum Wissen zusammen. Das Geld soll dem Ausstellungsraum im Forum Wissen zugutekommen, der sich mit dem 1773 gegründeten „Academischen Museum“ befassen wird.

Beim festlichen Dinner in der Aula am Wilhelmsplatz ging es aber nicht nur um Geld, sondern Dank des Festredners Norbert Lammert auch um die großen Fragen unserer Zeit: Wer vertritt das Volk? Wie entstehen gemeinsame, bindende Entscheidungen, wenn es keinen einheitlichen Volkswillen gibt? Wie bleibt die Demokratie in einer globalisierten Welt tragfähig?

Interessanterweise fielen bei diesen demokratietheoretischen Überlegungen viele Stichworte, die auch für das Forum Wissen von entscheidender Bedeutung sind: Die Notwendigkeit einer kritischen Haltung gegenüber dem vermeintlich Selbstverständlichen, die zentrale Bedeutung der Pluralität der Perspektiven und die bedeutende Rolle der Sichtbarkeit von Prozessen.

Keine Wahrheit, aber viele Perspektiven

Der ehemalige Bundestagspräsident und diesjährige Festredner Norbert Lammert

„Die große Errungenschaft der Aufklärung ist die Erkenntnis, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt. Wer sich als Vertreter des wahren Volkswillens versteht, hat die Grundlagen des demokratischen Systems nicht verstanden,“ so Norbert Lammert, ehemaliger Bundestagspräsident und Festredner beim diesjährigen Stiftungsdinner. Der Volkswillen existiere nur im Plural. Egal um welche politische Entscheidungen es gehe – als Beispiele nannte er Steuern, Flüchtlingspolitik und den Euro – immer gebe es viele Perspektiven, die sich nicht vereinbaren ließen. In der Demokratie habe man sich daher darauf geeinigt, dass gilt, was die Mehrheit entscheidet – auch wenn dies nicht immer die besten Lösungen bringe.

Klar ist nach seiner Rede: Demokratie bleibt anstrengend. Einfache Antworten auf komplizierte Fragen werden auch in Zukunft ausbleiben. „Selbst in Staaten, in denen demokratische Verfahren lange etabliert sind, kann man sich nicht auf ihre Selbstverständlichkeit verlassen“, betont Lammert. Zweifel und Kritik seien daher besonders dort verbreitet, wo die Demokratie stabil und tragfähig sei – und daher ein Zeichen ihrer Stärke.

Wissen wird geschaffen

Auch das Forum Wissen hat das Ziel, Besucherinnen und Besucher zu einer kritischen Haltung zu befähigen. Sie sollen selbst beurteilen können welche wissenschaftlichen Erkenntnisse glaubwürdig sind und welche nicht – und zwar nicht unbedingt, weil sie jedes wissenschaftliche Thema durchdringen, sondern weil sie verstehen, wie die Prozesse der Wissenschaft funktionieren. Die Prämisse im Forum Wissen ist: Wissen wird geschaffen. Unter welchen Bedingungen dies geschieht, welche Voraussetzungen und Zufälle dabei eine Rolle spielen und welche Personen am Wissen-Schaffen beteiligt sind, darum geht es in den Ausstellungen im Forum Wissen.

Das Academische Museum im Forum Wissen

Marie Luisa Allemeyer, Direktorin der Zentralen Kustodie und Forum Wissen-Projektleiterin, zeigt eine Bronze-Medaille von 1825, die den Gründer des Academischen Museums, Johann Friedrich Blumenbach, ehrt.

In einem der Ausstellungsräume wird das Academische Museum im Mittelpunkt stehen, das 1773, rund vierzig Jahre nach Gründung der Universität Göttingen eröffnet wurde. Es war eines der erstens Museen in Deutschland, das Sammlungsobjekte nach wissenschaftlichen und nicht primär nach ästhetischen Kriterien präsentierte. Wie die gesamte Universität war das Museum aufklärerischen Idealen verpflichtet: Die gesammelten Objekte dienten als Material für Forschung und Lehre. Gleichzeitig sollten sie auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich sein. Im Forum Wissen steht der Raum „Academisches Museum“ für das Sammeln von Objekten, die der Forschung und Lehre dienen.

Die Initiatoren des Stiftungsdinners an der Universität Göttingen

Von links nach rechts: Die Initiatoren Michael Turko, Jens Frahm und Stefan Hell, Festredner Norbert Lammert, Universitätspräsidentin Ulrike Beisiegel, die Initiatoren Thomas Oppermann, Rolf-Georg Köhler und Gerd Hasenfuß, Moderator Christian Floto.

Seit 2008 veranstaltet ein Kreis von Initiatoren alle zwei Jahre das Stiftungsdinner zugunsten besonderer Projekte der Universität Göttingen. Der Initiatorenkreis besteht in diesem Jahr aus den Professoren Stefan Hell, Jens Frahm und Gerd Hasenfuß, der Professorin Julia Fischer, dem Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler, dem Bundestagsabgeordneten Thomas Oppermann, dem Steuerberater Michael Turko und Brigitta Hogrefe.

 

Categories
Ausstellung Sensible Objekte

Göttingen – eine Kolonialmetropole?

Was ist koloniales Wissen? Wie wurde es Anfang des 20. Jahrhunderts vermittelt? Welche Rolle spielte dabei die Uni Göttingen? Um das herauszubekommen, durchstöberten Studierende der Geschichtswissenschaft das Universitätsarchiv. Ihre aktuellen Forschungsergebnisse präsentieren sie nun in der Ausstellung „Göttingen – eine Kolonialmetropole?“ im Kulturwissenschaftlichen Zentrum am Heinrich-Düker-Weg 14. Wer sich für den Einfluss Göttingens in der Kolonialzeit interessiert, sollte sich also beeilen: Die Plakatpräsentation ist nur noch bis Sonnabend, 7. April 2018, zu sehen. Julian Schima war beim Aufbau dabei und hat mit Lehrenden und Studierenden gesprochen.

Seminarleiterinnen und Studierende beim Aufbau der Ausstellung

Einblicke in das Universitätsarchiv

Um einen Einblick in die Rolle und Position der Universität Göttingen zur Kolonialzeit zu erhalten, sichteten die Studierenden am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte unter anderem Schriften aus dem Universitätsarchiv. Das Archiv ist eine nahezu vollständige Sammlung mit Verwaltungsschriften der Universität seit 1737. Die Archivalien sind von unschätzbarem Wert. Hier sind auch die Bestände des Kuratoriums, Rektorats und der verschiedenen Fakultäten archiviert. Jeder Interessierte hat Zugang zu den Materialien. Die Sammlung dient der Universitäts- und Wissenschaftsforschung als wichtige Quellengrundlage.

Die Studierenden werteten Dokumente aus dem Archiv aus, die vorher noch nicht untersucht wurden. Sie sahen zum Beispiel die Vorlesungsverzeichnisse der Universität von 1899 bis 1932 durch. Hierbei entdeckten sie, selbst zum Erstaunen der Seminarleiterinnen, dass nach 1900 quer durch alle Fakultäten Wissen vermittelt wurde, das auf kolonialen Zusammenhängen beruhte. Theologische, philosophische und sogar medizinische Lehrveranstaltungen gaben somit Wissen weiter, das die deutsche Kolonialherrschaft unterstützte. Der Einfluss der Universität – das belegen die Vorlesungsverzeichnisse der Archivsammlung – war also ungeahnt groß.

Seminare, die an der Universität Göttingen zwischen 1899 und 1832 angeboten wurden, gefunden in archivierten Vorlesungsverzeichnissen

„Ich hätte nicht gedacht, dass die Universität Göttingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts so sehr zur Legitimation des Kolonialismus beigetragen hat“, ist Masterstudent Andreas Weis von den Ergebnissen der Recherchen überrascht. „Andererseits finde ich es spannend, dass damalige Studierende vereinzelt auch antikoloniale Kritik äußerten.“

Studentische Forschung – in der Öffentlichkeit

Die Ergebnisse des Projektseminars sind nun auf großen Plakaten ausgestellt. Der Aufbau und die Ausstellungseröffnung bilden den Abschluss der Lehrveranstaltung. „In dem Projektseminar wurde den Studierenden Forschungsarbeit praktisch zugänglich gemacht“, sagt Karolin Wetjen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere Geschichte. „Auch in die Konzeption der Ausstellung waren die Studierenden einbezogen.”

Aufbau der Ausstellung im Kulturwissenschaftlichen Zentrum
Aufbau der Ausstellung im Kulturwissenschaftlichen Zentrum

Mit solchen Lehrveranstaltungen wird neben dem Forschergeist auch die Fähigkeit und Lust gefördert, Ausstellungen zu konzipieren, wie sie auch zukünftig im Forum Wissen zu sehen sein werden. Andreas Weis freut sich darüber, dass seine und die Forschungsergebnisse seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen über die Ausstellung den Weg an die Öffentlichkeit finden. „Üblicherweise ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die wissenschaftliche Arbeit, die man als Student im Studium unternimmt, wie etwa in Hausarbeiten, nicht so groß. Hier beschäftigt sich die Öffentlichkeit aber damit.“

Die koloniale Geschichte der Universitätssammlungen

Prof. Dr. Rebekka Habermas, die gemeinsam mit Karolin Weitjen das Seminar leitete, plant bereits weitere Lehr- und Projektveranstaltungen zu der Frage, wie kolonial das Wissen ist, das mithilfe der Göttinger Sammlungen produziert wurde. Geplant ist unter anderem, die koloniale Geschichte der Universitätssammlungen und deren Objekte genauer zu untersuchen. Studierende und Forschende werden dann auch über den Umgang mit Sammlungsobjekten aus den Kolonien, die künftig im Forum Wissen in Göttingen ausgestellt werden, diskutieren.

Materielle Kulturgüter, die aus den Kolonien in Sammlungen und Museen gebracht wurden, gelten als sensible Objekte, da ihre Inbesitznahme möglicherweise mit unrechten Mitteln erfolgte. Die Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft dieser Dinge und wie sie in den Besitz der Sammlungen gelangten. Aktuelles Wissen, das sich auf Objekte aus den Kolonien und den Forschungsreisen in diese stützt, bezeichnet man als postkolonial.

„Unsere Ergebnisse werden sicherlich auf das Forum Wissen in der Frage ausstrahlen, welches Wissen auf kolonialen Verflechtungen beruht und wie man in Ausstellungen – gerade im Forum Wissen – mit sensiblen Objekten aus den Kolonien umgeht“, sagt Habermas.

 

 

Categories
Sensible Objekte

Embryonen und Feten unbekannten Ursprungs. Provenienzforschung in der Sammlung Blechschmidt

Mit der „Humanembryologischen Dokumentationssammlung Blechschmidt“ verfügt das Zentrum Anatomie der Göttinger Universität über eine außergewöhnliche Sammlung. Zum einen sind Sammlungen von Schnittserien menschlicher Embryonen heute sehr selten und weltweit existiert weniger als ein Dutzend. Zum zweiten sind beeindruckende, fast einen Meter hohe Kunststoffmodelle zur menschlichen Entwicklung auf Grundlage der Präparate ein wesentlicher Teil der Sammlung. Diese waren lange Zeit eine Forschungsgrundlage der Göttinger Anatomie und werden bis heute in der Ausbildung von Mediziner*innen eingesetzt.

Embryo 3,4 mm aus einem Buch Blechschmidts von 1973
Zeichnung eines Modells des Embryo 3,4 mm (09.04.1954) aus der Sammlung in einem Buch Blechschmidts von 1973. Mehrere Modelle zu diesem Präparat stehen bis heute im Zentrum Anatomie.

Eine fragwürdige Vergangenheit

Leider ist die Sammlung aber nicht nur besonders, sondern auch besonders umstritten. Der frühere Institutsleiter und Sammler Erich Blechschmidt (1904-1992) schuf die Sammlung in seiner Göttinger Zeit von 1942 bis in die 1970er Jahre. Ihm wird seit mindestens 30 Jahren vorgeworfen, er hätte zumindest einige der Präparate aus nationalsozialistischen Verbrechen gewonnen und diese Herkunft nach Ende des Krieges gezielt verschleiert.

Die nun untersucht wird

Zum 1. August 2017 startete ein Forschungsprojekt zur Provenienz, also Herkunft, der Sammlung , das diesen Vorwürfen nachgeht und das ich durchführe. Vor diesem Projekt hatte ich mich als Wissenschaftshistoriker vor allem die Geschichte von Lehrmitteln der Biologie an Schule und Hochschule, ihrer Entwicklung und Nutzung erforscht. Als ich die Stelle antrat, interessierten mich an der Sammlung vor allem die großen Modelle.

Blick in den Sammlungsraum der Anatomie ca. 1964.
Blick in die Modellsammlung in der ursprünglichen, von Blechschmidt vorgenommenen Aufstellung im Zentrum Anatomie, ca. 1964. Die Fotografie war in einem Ordner abgeheftet.

Weshalb der Blick in die Vergangenheit wichtig ist

Mit Provenienzforschung zu Sammlungsobjekten, zumal mikroskopisch kleinen, hatte ich mich bis dahin nur am Rand beschäftigt. Klar war mir aber, welchen Zielen eine solche Forschung dient. Über die Aufklärung von Sammlungsgeschichte, Erwerb und Verwendung der Sammlungsobjekte entsteht eine Grundlage für die ethische Beurteilung der Sammlung und deren Einsatz in Forschung und Lehre, sofern eine Benutzung nach der Herkunftsklärung überhaupt noch ethisch vertretbar ist. (vgl. dazu auch den einführenden Beitrag von Christian Vogel).

Die Sammlung wächst durch die historische Forschung

Für meine Forschung steht mir eine große Vielfalt von Quellen zur Verfügung, die ich teilweise erst im Laufe meiner Nachforschungen im Zentrum Anatomie in entlegenen Schränken fand. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel zwischenzeitlich bedeutungslos gewordenes Material sich in manchen Institutionen erhalten hat und ‚wiederentdeckt‘ werden kann. So existiert ein umfangreicher Briefwechsel zur Einlieferung von Embryonen, woran in den 1940er bis 1960er Jahren mehr als 200 Personen beteiligt waren. Weitere Quellen sind eine Sammlungskartei mit Präparationsdaten und Abbildungen der Präparate, ein Schuber mit handschriftlichen Protokollen zu mehreren Hundert Präparationen und eine riesige Sammlung fotografischer Platten, die Präparate und Modelle zeigen.

Dankesbrief Blechschmidts zum Embryopräparat 3,4 mm (09.04.1954).
Dankesbrief Blechschmidts an den Einlieferer des oben gezeigten Präparates eines Embryo von 3,4 mm (09.04.1954), gewonnen bei einer Operation wegen Gebärmutterhalskrebs.

Mit der Sammlung wachsen die Aufgaben

Derzeit bin ich dabei, dieses Material auszuwerten sowie es miteinander und mit anderen Quellen und Aussagen von Zeitzeugen abzugleichen. Für einige der gefundenen Materialien habe ich sogar eigene kleine Projekte beantragt; sie werden in den nächsten Monaten von Hilfskräften digital erfasst. Ich hoffe, am Ende die Geschichte vieler der über 400 Präparate detailliert nachvollziehen zu können.

Karteikarte mit Foto zum Präparat 3,4 mm.
Karteikarte zum Embryo 3,4 mm (09.04.1954) aus der Sammlungskartei. Die Fotografie zeigt das Präparat vor der Aufarbeitung als Schnittserie, was auf der Karte detailliert dokumentiert ist.

Unprofessionelle Dokumentation

Erste Ergebnisse meiner Forschung habe ich am 16.03.2018 im Rahmen eines öffentlichen Symposiums zur Sammlung im Zentrum Anatomie vorgestellt (Bericht im Göttinger Tageblatt und NDR-Hörfunk).Schon jetzt ist deutlich, dass Blechschmidt nur wenige Informationen zu den Präparaten in seiner Sammlung notierte oder überhaupt bei den liefernden Medizinern anfragte. Mit den zahlreich vorhandenen Archivalien werde ich für viele Präparate eine Herkunft aus Menschenrechtsverletzungen ausschließen können. Es wird aber ein Teil mit unklarem Ursprung übrig bleiben, der möglicherweise aus einem Unrechtskontext wie etwa Zwangsabtreibungen im Nationalsozialismus stammt. Meine Aufgabe  für die übrige Projektlaufzeit ist es daher, die Dokumentation der Sammlung zu verbessern und damit die Zahl fragwürdiger Präparate zu reduzieren.

Categories
Baustelle

Das Forum Wissen und seine Architekten

“Wir haben hier ein altes Haus, das vollkommen verbaut ist“, betont Felix Flechtner. Deshalb wollen er und sein Kollege das Gebäude wieder zum Atmen bringen. Das heißt, all die Verbauungen aus den letzten Jahrzehnten sollen wieder herausgenommen werden: nach dem Krieg eingezogene Wände, Türen, Decken. „Ich sehe diese riesengroßen Säle vor mir“, schwärmt Alexander Pfohl. Wer heute über die Baustelle streift, kann diese nur erahnen. Die Abrissarbeiten beginnen in den nächsten Wochen; dann werden die Strukturen des Baus aus dem 19. Jahrhundert deutlicher zu erkennen sein.

Spuren historischer Wandmalereien, die bei der Überprüfung der Farbschichten gefunden wurden.

Damals war es das Naturhistorische Museum der Universität Göttingen, gegründet 1877. Den Göttingerinnen und Göttingern ist das Haus an der Berliner Straße 28 eher als Zoologisches Institut bekannt, dessen Museum bis vor kurzem ein 17 Meter langes Walskelett beherbergte. Jetzt soll hier ein modernes Wissensmuseum errichtet werden. Flechtner und Pfohl gehören zu seinen Architekten. Hinter ihnen stehen die Weimarer Architekturbüros „gildehaus.partner architekten“ und „Dr. Krause & Pfohl“. Was alle vereint ist der Wunsch, das Alte geschickt mit dem Neuen zu verbinden. Das Forum Wissen ist daher ein willkommenes Projekt.

Von der historischen Wandmalerei bis zum gläsernen Neubau

„Wir ringen täglich um die richtige Lösung“, betont Flechtner. Gefragt ist ein Bau mit Ausstellungsräumen und Café, Hörsaal und Labor, Depot und Werkstatt. Das neue Museum soll modern, nachhaltig, funktional sein – aber seinen historischen Charme nicht verlieren. „Wir haben Stuckreste und historische Wandgestaltungen gefunden“ – nicht viel für Pfohl, aber immerhin einiges, das erhalten werden soll. Die Architekten verstehen sich nicht nur als Erneuerer, sondern auch als Denkmalpfleger. Ihr Ziel ist es, die Großzügigkeit des alten Hauses wieder zu gewinnen.

Darüber hinaus planen sie einen gläsernen Neubau: ein lichtdurchflutetes, großes Atrium, das wie im antiken Rom die Besucherinnen und Besucher empfängt und zum Verweilen einlädt. Durch dieses Foyer werden sie in die Ausstellungen, zum Objektlabor oder zur nächsten Veranstaltung geleitet. Eine Herausforderung sind zudem die Fenster, denn die zukünftig im Forum Wissen ausgestellten Objekte müssen vor intensivem Licht geschützt werden. „Sie bekommen daher eine Art Sonnenbrille, die zurzeit entwickelt wird“, so Flechtner.

Entwurfsskizze: Vorderansicht des zukünftigen Forum Wissen.
In Planung: Innenhof mit gläsernem Atrium.

Was verbindet die beiden?

Der Niedersachse Flechtner ist gern wieder in Göttingen. Wöchentlich kommen er und Pfohl an die Leine, um den Bau zu begleiten. Beide zog es zum Studium in die Bauhaus-Stadt Weimar, während der „Wende“ eine aufregende Zeit. „Denkmalpflege war in der in der DDR von untergeordneter Bedeutung“, so Pfohl. Ab Anfang der 90er-Jahre aber konnte er sich auf diesem Gebiet ausprobieren. Eines seiner ersten Projekte war die „Rettung“ des Neuen Museums in Weimar. Die Modernisierung der Handweberei in Besenhausen geht unter anderem auf Flechtner zurück. Nun heißt ihr gemeinsames Ziel: das Forum Wissen. „Der Zeitplan ist sportlich“, bestätigt Flechtner. Ende 2019 soll das neue Wissenshaus eröffnet werden.

Die Architekten im Video: Ein Rundgang durch die Forum Wissen-Baustelle

Categories
Video

Titanwurz blüht in Göttingen

Zum ersten Mal blühte in Göttingen eine Titanwurz: am Sonnabend, 3. März 2018, im Alten Botanischen Garten. Die Pflanze aus dem tropischen Regenwald Sumatras zeigte wie üblich nur kurz, einen Abend lang, ihre dunkelrote Blüte. Wer diesen Moment verpasst, muss nun rund drei Jahre warten! Wir haben daher das Aufblühen der Titanwurz mit der Kamera verfolgt – viel Spaß beim Staunen. Wer mehr erfahren möchte, kann hier schauen http://www.uni-goettingen.de/de/10865…

Categories
Video

Forum Wissen: Die Architektur

Die Architekten Felix Flechtner und Alexander Pfohl berichten von Ihren Plänen für den Umbau des ehemaligen Naturhistorischen Museums und Instituts für Zoologie in das Forum Wissen. Wir haben die beiden auf einem Rundgang durch die Baustelle begleitet. Zum Blog-Beitrag.

Categories
Sensible Objekte

Handle with care! Sensible Objekte in den universitären Sammlungen Göttingens

In universitären Sammlungen finden sich viele Objekte, deren Einbindung in Forschung und Lehre oder deren Präsentation in einer Ausstellung oder im Netz ein besonderes Taktgefühl verlangen. Für solche Sammlungsgegenstände hat sich der Begriff „sensible Objekte“ etabliert. In der gleichnamigen Blog-Reihe berichten wir ab sofort darüber, wie wir in unterschiedlichen Sammlungen und Projekten mit diesen Objekte umgehen.

Aus der Blechschmidt-Sammlung: Präperate menschlicher Embryonen, die als Schnittserien auf Glasplatten aufgezogen und auf Pappplatten angeordnet wurden.

Was sind sensible Objekte?

Wir betrachten Objekte als sensibel, wenn es sich um menschliche Überreste oder sakrale Objekte handelt, oder wenn ihr Erwerb und Transfer in eine Sammlung nach heutigem Verständnis unrechtmäßig war. Darunter fallen etwa Kunstgegenstände, die während der NS-Diktatur durch Enteignung, Raub oder erzwungenen Verkauf den Besitzer wechselten. Aber auch wissenschaftliche Objekte, die im Zuge der europäischen Expansion seit dem 15. Jahrhundert von Reisenden, Forschern, Händlern oder Kolonialbeamten nach Europa gebracht wurden, können als sensibel betrachtet werden. Neben ethnografischen Objekten und menschlichen Präparaten gelangten auch Messdaten, Körperbeschreibungen, Fotografien oder Gipsabgüsse, die von lebenden Personen angefertigt wurden, an europäische Museen und Universitäten – häufig ohne die Kenntnis oder gar Zustimmung der betroffenen Personen.

Sensible Objekte in den Göttinger Sammlungen

In Göttingen betrifft das nicht nur Sammlungen, die menschliche Überreste enthalten, wie etwa die Blechschmidt-Sammlung menschlicher Embryos, die Blumenbachsche Schädelsammlung mit rund 840 Objekten oder die Anthropologische Sammlung, deren Grundstock ein umfangreiches Konvolut menschlicher Schädel aus dem Hamburger Völkermuseum bildet. Auch viele ethnologische oder naturkundliche Objekte, die in einem kolonialen Kontext gesammelt und nach Göttingen gebracht wurden, sind heute Bestandteil der zoologischen, botanischen oder ethnologischen Sammlungen.

Sammlungspotal ohne Objektabbildung
Bewusste Leerstele im Sammlungsportal: Nicht jedes Objekt bilden wir im Netz ab.

Alle Formen der Auseinandersetzung mit sensiblen Objekten sind hierbei betroffen: Ausstellungen und Sammlungspraktiken, die Darstellung im Netz, zum Beispiel im Göttinger Sammlungsportal, sowie der Einsatz in Forschung und Lehre. Auch in der Planung der Basisausstellung für das Forum Wissen fragen wir, auf welche Weise wir sensible Objekte präsentieren und in die Ausstellung integrieren können.

In allen Fällen werfen sensible Objekte ethische Fragen auf, die nach sorgfältiger Prüfung der Erwerbsbedingungen von Objekten jeweils im Einzelfall entschieden werden müssen: Wie und in welcher Weise kann oder darf mit sensiblen Objekten geforscht und gelehrt werden? Dürfen sensible Objekte ausgestellt, und in welcher Form können sie gezeigt werden? Was soll mit sensiblen Objekten geschehen, wenn sie nicht ausgestellt werden und nicht mit ihnen gearbeitet wird?

Ein “heikles Erbe”, das viele Museen beschäftigt

Natürlich ist Göttingen nicht der einzige Ort, an dem man sich mit Objekten zweifelhafter Herkunft beschäftigt. Viele Museen und Forschungseinrichtungen machen ihr „heikles“ oder „schwieriges Erbe“ inzwischen zum Thema (so die Titel eines aktuellen Forschungsprojekts der Universität Tübingen in Kooperation mit dem Stuttgarter Linden-Museum und einer Ausstellung im Landesmuseum Hannover im Jahr 2017). Das Land Niedersachsen verfügt zudem mit dem Netzwerk Provenienzforschung über eine Einrichtung, die zu einer nachhaltigen Etablierung der Erforschung sensibler Objekte in den Sammlungen und Museen Niedersachsens beitragen soll. Vor allem die Debatten um das Berliner Humboldt-Forum (geführt zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung), in dem zukünftig die außereuropäischen Sammlungen Berlins ausgestellt werden sollen, machen den großen Bedarf an einer kritischen Auseinandersetzung mit den Herkunftskontexten und Ausstellungsweisen sensibler Objekte deutlich.

Karteikarte zu einem Schädel, der als Teil eines Konvoluts menschlicher Überreste in den 1950er Jahren vom Hamburger Völkerkundemuseum in die Anthropologische Sammlung nach Göttingen kam.

Mit Rückgabeforderungen indigener Gruppen konfrontiert, wurden vor allem im englischsprachigen Kontext seit den 2000er Jahren allgemeine Standards zum Umgang mit sensiblen Objekten und den Bedingungen ihrer Rückgabe formuliert. Seit 2013 existieren auch im deutschsprachigen Kontext mit den „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen“ des Deutschen Museumbunds entsprechende Richtlinien. Doch während die Museen zunehmend gegenüber solchen Fragen ein Problembewusstsein entwickelt haben, stehen viele universitäre Sammlungen noch ganz am Anfang. Einen wichtigen ersten Beitrag dazu leistet ein kürzlich erschienener Sammelband, der aus der Perspektive unterschiedlicher universitärer Sammlungen und Museen das Thema systematisch bespricht.

Die Blog-Reihe „Sensible Objekte“

Die Blog-Reihe wird als eine Plattform dienen, um unterschiedliche Perspektiven aus den Göttinger Sammlungen und dem Forum Wissen auf sensible Objekte und Sammlungen zu bündeln. Dabei soll es nicht darum gehen, definitive Lösungen für den „richtigen“ Umgang mit sensiblen Objekten zu finden. Wir wollen vor allem die Diskussion darüber in Gang zu bringen und am Laufen halten. Den Aufschlag macht in wenigen Wochen Michael Markert, der sich momentan in einem zweijährigen Forschungsprojekt mit der Provenienz von Objekten in der Humanembryologischen Blechschmidt-Sammlung beschäftigt. In regelmäßigen Abständen werden dann Kustodinnen und Kustoden sowie Studierende aus ihrer Sicht über die Arbeit mit sensiblen Objekten berichten. Schließlich ergänzen wir die Reihe um Beiträge, die sich im Hinblick auf das Forum Wissen mit diesem Thema beschäftigen.