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Hinter den Kulissen Sammlung

Ein echter Linné im Göttinger Herbarium

Beim Digitalisieren des Herbariums stieß ich auf eine Pflanze, deren Etikett die Abkürzung „h.L.“ trug. Ich stutzte: Es war die Sammlung des Botanikers Jakob Friedrich Ehrhart, einer der letzten Schüler Carl von Linnés in Uppsala. Es ist bekannt, dass Linné ihm Herbarpflanzen geschenkt hatte.

Herbarbeleg mit originaler Handschrift und Barcode für das Digitalisat. Foto: Natascha Wagner.

„h.L.“ – Herbarium Linnaeus!

War das ein originaler Herbarbeleg des berühmten Botanikers? Ehrharts Biografie sprach dafür: Nach seiner Zeit in Uppsala wurde der Schweizer Direktor der Herrenhäuser Gärten in Hannover und mit seinem Tod gelangte sein Herbarium an die Göttinger Universität. In einem 1824 erschienenen Katalog des Ehrhart-Herbariums fand ich zudem die Abkürzung „h.L.“. Sie steht für „Herbarium Linnaeus“.

Ich in einem der acht Sammlungsräume des Göttinger Herbariums. Foto: Natascha Wagner.

Damit hatte ich einen ersten Hinweis, dass es sich tatsächlich um eine von Linné gesammelte und gepresste Pflanze handeln könnte. Ein weiterer Hinweis war, dass Linné in seiner einflussreichen Publikation Species Plantarum die Nummer „5“ für die Art Holcus odoratus, das duftende Mariengras, verwendete. Beides – Nummer und Artname – ist auf unserem Etikett vermerkt. Mittlerweile hat die Linnean Society bestätigt, dass es sich um eine von Linné gesammelte Pflanze handelt und die „5“ in Linnés Handschrift geschrieben ist.

Carl von Linné – Begründer der modernen biologischen Nomenklatur

Der Schwede Carl von Linné (1707–1778) ist sicherlich der bekannteste Botaniker aller Zeiten. Er wurde vor allem durch seine hierarchische Klassifikation von Pflanzen, Tieren und Mineralien sowie durch die Etablierung der binominalen Nomenklatur berühmt. Mit dieser neuen Art, Organismengruppen wissenschaftlich zu benennen, löste der Naturforscher die häufig langen Artbezeichnungen in lateinischer Sprache ab.

Mitten in diesem Faszikel verbirgt sich die Pflanze von Linné. Foto: Natascha Wagner.

Linné verwendete stattdessen nur zwei Wörter: Eins charakterisiert die Gattung, das andere die Art. Diese Methode erwies sich als äußerst praktikabel und stellt den Ausgangspunkt der modernen Nomenklatur dar. Linnés Herbarium befindet sich heute in den Sammlungsschränken der Linnean Society in London und nur wenige andere Institutionen besitzen Pflanzen, die Carl von Linné gesammelt hat. Seit kurzem gehört auch das Göttinger Herbarium zu diesem illustren Kreis.

Hier digitalisieren wir unsere Herbarbelege. Foto: Natascha Wagner.

Eine riesige Schatztruhe – das Göttinger Herbarium

Die etwa 800.000 getrockneten Pflanzen unserer Sammlung stammen aus der ganzen Welt. Die ältesten unter ihnen sind mit über 300 Jahren sogar älter als die Göttinger Universität. Genauso spannend wie die Pflanzen selbst sind auch die unzähligen Sammler*innen und ihre Reisen, auf denen sie die Pflanzen gesammelt haben. Daher haben wir im Herbarium zum Beispiel Pflanzen, die Alexander von Humboldt (1769–1859) in Ecuador am Fuße des Chimborazo sammelte – der damals als höchster Berg der Welt galt. Georg Forster (1754–1794) brachte viele neue Arten von der zweiten Südseereise James Cooks mit und Amalie Dietrich (1821–1891), eine der ersten Pflanzenjägerinnen, verdanken wir eine außergewöhnliche Sammlung australischer Moose.

Von Linné gesammelt: das duftende Mariengras. Foto: Marc Appelhans.

Gibt es noch mehr Linnés, Humboldts etc. in Göttingen?

Zurzeit haben wir weniger als 10 Prozent der Pflanzen im Göttinger Herbarium digitalisiert und datenbanklich erfasst. Daher kann es durchaus sein, dass weitere Herbarbelege von Linné oder anderen bedeutenden Botaniker*innen auftauchen. Wir finden zum Beispiel regelmäßig neue Typusbelege, also Pflanzen, die für die Erstbeschreibung einer neuen Art verwendet worden sind und die eine Art „Geburtsurkunde“ darstellen. Es gibt also noch viel zu tun und viel zu entdecken.

Der Autor ist Kustos des Göttinger Universitätsherbariums. лучшие банки где взять кредит потребительский

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Un | entdeckt: Göttingens botanische Lehrtafeln

Über 2.000 botanische Wandtafeln schlummerten hinter Vorhängen und in Schränken verborgen im Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Göttingen. Unbewegt und über viele Jahre kaum genutzt, waren sie im Vorraum zum Hörsaal gelagert worden – bis die Zentrale Kustodie die Sammlung übernahm, sie bewahrte und ihr neues Leben einhauchte. 2018 wurden die Tafeln in einem zweiwöchigen Sprint digitalisiert und umgesiedelt, doch bis heute ist der Bearbeitungsprozess nicht ganz abgeschlossen. Dies ist die Geschichte des un | entdeckten Schatzes der Göttinger botanischen Lehrtafeln.

Lagerung der Tafeln im Albrecht-von-Haller Institut. Foto: Friederike Röpke.

Eingerollt, eingestaubt und wiederentdeckt

Ich hob die etwa einen Meter lange Papierrolle hoch und eine Staubwolke kam mir entgegen. Nach einem kurzen Hustenanfall war ich mir sicher, dass ich beim nächsten Mal einen Mundschutz tragen werde. Mit Handschuhen und einer Leiter ausgestattet stand ich im Albrecht-von-Haller-Institut und zählte die teils eingerollten, teils aufgehangenen, teils in Schränken verstauten Lehrtafeln. Es war im Februar 2018 und meine Aufgabe als studentische Hilfskraft der Zentralen Kustodie bestand darin, die Menge und den Zustand der pflanzenwissenschaftlichen Tafeln zu sichten. Dass unter diesen verstaubten Tafeln ein regelrechter Schatz an verschiedenen Wandtafeln aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert lagerte, habe ich zu dem Zeitpunkt schon geahnt, den Umfang aber bei weitem nicht einschätzen können.

Geputzt und fotografiert: der Digitalisierungssprint 2018

Der Digitalisierungssprint begann im März 2018. Eine Gruppe von sechs Student*innen, die zwei Wochen lang von morgens bis abends die Tafeln entstaubten, entrollten, ab- und wieder aufhängten, fotografierten, inventarisierten, alles in allem: digitalisierten. Dafür bauten wir eine Digitalisierungsstation im Hörsaal des Albrecht-von-Haller-Instituts auf.

Unsere Digitalisierungsstation. Foto: Karsten Heck.

Wir waren in Gruppen eingeteilt: Zwei von uns waren für das Säubern und Eintragen der Metadaten in die Datenbank naniweb zuständig. Zwei andere arbeiteten an der Fotostation – eine Person hinter der Kamera, die andere drehte die Tafel, sodass sowohl Vorder- als auch Rückseite abgelichtet werden konnten. Zwei weitere kümmerten sich um die Logistik: Eine transportierte die Lehrtafeln vom Vorraum des Hörsaals zu den jeweiligen Stationen und die andere holte die Tafeln von der Stange bzw. brachte sie entstaubt und fotografiert – also fertig digitalisiert – wieder zurück an ihren Platz. In diesem Video von Michael Markert wurde der Sprint eingefangen.

Umzug der Tafeln aus dem Albrecht-von-Haller-Institut in die Zentrale Kustodie. Foto: Detlef Schnier.

Übrig blieben die kleineren, liegenden, in der Regel älteren Tafeln aus den Schränken. Diese brachten wir in die Zentrale Kustodie im Auditorium. Wir digitalisierten sukzessive die restlichen Tafeln, unter anderem vor Publikum am Tag der offenen Sammlung im Mai. Somit konnten die Besucher*innen live einen Einblick in die Digitalisierungsarbeit der universitären Sammlungen erhalten. Im Juli 2018 waren dann alle Wandtafeln fotografiert, in der Datenbank erfasst und konnten in den neuen Depotraum umziehen.

Geordnet und veröffentlicht: die Datenbankarbeit 2018–2020

Bei der Eingabe der Tafeln in die Datenbank waren häufig zunächst vorläufige Inventarnummern vergeben worden. Nun arbeitete ich mich durch das System zur Ordnung der Lehrtafeln hindurch. Denn die insgesamt 2.095 Tafeln stammten entweder aus verschiedenen publizierten Reihen oder waren am Institut selbst hergestellt worden: etwa 1.400 handgezeichnet und koloriert! Ein kleiner Teil davon, der älteste, enthielt einige originale Vorlagen für Publikationen von Albert Peter, Professor für Botanik in Göttingen von 1888 bis 1923. Er hatte selbst Reihen von Lehrtafeln veröffentlicht. Neben Titeln und Metadaten erfasste ich auch Angaben zu den Hersteller*innen, beteiligten Personen und/oder  Institutionen.

Ich während der Digitalisierung beim Tag der offenen Sammlungen Mai 2018. Foto: Peter Heller.

Es stellte sich heraus, dass sich unser publizierter Bestand von fast 700 Tafeln aus etwa 20 verschiedenen Reihen von botanischen Lehrtafeln zusammensetzte. Die inhaltliche Vielfalt erstreckte sich von heimischen Giftpflanzen über Zellwachstum und morphologischen Darstellungen bis hin zur Verbreitung von Pflanzenarten. Die großformatigen Blätter waren oftmals Lithographien, die Pflanzen in Ansichten, Details und Schnitten zeigten, aber auch Landschaftsdarstellungen.  Selbst wenn das in den Tafeln dargestellte Fachwissen heute teilweise obsolet sein mag, ist doch die historische Bedeutung im Hinblick auf eine spezifische Lehrpraxis und einen wissenschaftlichen Kanon durch sie in anschaulicher Weise festgehalten. Zudem beeindrucken die botanischen Lehrtafeln durch ihren visuellen Reichtum.

Eine meiner Favoriten: Taxus baccata. Aus dem Dodel-Port Atlas. Carolina Dodel-Port sec. Dr. W. Kellermann & ad nat: del., J.F. SCHREIBER.ESSLINGEN. Foto: Zentrale Kustodie.

Ausgemalt und ausgestellt: Die Zukunft der Tafeln

Die Tafeln, die nun an ihrem neuen Platz schlummern, sind zumindest digital noch lebhaft in Bewegung. Sie sind im Sammlungsportal der Universität veröffentlicht und wurden zudem kürzlich im Rahmen des Coding da Vinci Niedersachsen (ein Hackathon für offene Kulturdaten) von einem Team ausgewählt. Dieses möchte aus dem Bildmaterial einen Mandala-Generator namens „Plantala“ generieren: Die entstandenen Mandalas kann man dann herunterladen, ausdrucken und beliebig ausmalen. Ein zweites Team interessiert sich dafür, ob die hochauflösenden Bilder, in denen viel Text versteckt ist, mittels Methoden des machine learnings analysiert werden können. Vielleicht entwickeln sich noch weitere Möglichkeiten zur digitalen Nutzung der Tafeln – sei es, um diese weiter zu erschließen und zum Beispiel die heutige, aktuelle Taxonomie zu ergänzen oder gar die Schrift zu transkribieren. Im Digitalen ist der Arbeit mit den Tafeln eigentlich kein Ende gesetzt. Während die Sammlung heute im Depot schlummert, holen wir die Tafeln digital ins 21. Jahrhundert.

Die Tafeln in ihrem neuen Depot im Auditorium. Foto: Detlef Schnier.

Zudem werden einige botanische Lehrtafeln im künftigen Forum Wissenкредитная карта без отказа онлайн с доставкой sichtbar sein. Welche das sind und wo sie hängen, wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Sie sollen ja die Möglichkeit haben, sie selbst zu entdecken!

Die Autorin ist studentische Hilfskraft in der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen.

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Face the Fact – Finissage und digitale Ausstellung

Die Sonderausstellung “Face the Fact. Wissenschaftlichkeit im Portrait” feierte am 3. März 2019 ihre Finissage. Seit dem 27. September 2018 war sie in den Räumen der Kunstsammlung der Universität Göttingen zu sehen. Anna Luise von Campe, Studentin der Kunstgeschichte, war beim feierlichen Abschluss dabei.

Ein Traum von Wissenschaftlichkeit

„Schon als Kind hatte ich voller Stolz meinen Eltern vorgeschwärmt, dass ich ihnen eines Tages in einer Dokumentation im Fernsehen etwas erklären und dabei mein Name eingeblendet sein würde. Dieses Bild hat meinen alten Traum von Neuem entfacht.“ So schreibt Lara Döring, die gemeinsam mit der Schreibwerkstatt der Universität des Dritten Lebensalters die Ausstellung besucht hat, über das Portrait einer Wissenschaftlerin. Ein Bild, das den Traum einer angehenden Wissenschaftlerin neu entfachen kann – diese Inspiration überkam viele Besucherinnen und Besucher der Ausstellung „Face the Fact. Wissenschaftlichkeit im Portrait“.

Das Bildnis der Dorothea von Schlözer. Foto: Christoph Mischk

Schlözer is one of my new heroes!

Christian Vogel, Referent für Wissensforschung der Zentralen Kustodie, leitete durch den Abend und stellte den Erfolg der Ausstellung heraus. Dieser ist auch durch die aktive Teilhabe der Besucherinnen und Besucher zu verzeichnen. „2.710 haben Face the Fact gesehen“, berichtet Isabel Pagalies, wissenschaftliche Volontärin der Zentralen Kustodie, stolz. Anerkennender Beifall vom Publikum folgt. Mit einigen Passagen aus dem Gästebuch bietet die Volontärin einen Rückblick auf die Stimmen des Publikums. Vorrangig wird deutlich, dass die Ausstellung nicht nur als spannend, übersichtlich und gendersensibel wahrgenommen wurde, sondern auch zur Motivation veranlasste: „Schlözer is one of my new heroes!“ – lautet es beispielsweise im Gästebuch. Dorothea von Schlözer (1770–1825) wurde als zweite Frau Deutschlands promoviert und zählt zu den sogenannten „Universitätsmamsellen“, die als Wissenschaftlerinnen an der Geschichte der Emanzipation beteiligt waren.

Kritische Blicke auf die Gelehrten. Foto: Christoph Mischke

Habitat Ausstellung

„Eine Ausstellung ist so eine Art Lebensraum“, erklärt Karsten Heck, Referent für Sammlungsmanagement. In diesem Sinne regte „Face the Fact“ besonders im Göttinger Umfeld Diskussionen um Wissenschaftlichkeit und deren Präsentation an. Bei Führungen von verschiedenen Fachbereichen habe es unter dem Eindruck der fokussierten Forschungsblicke Erkenntnisse und Diskussionen gegeben, berichtet der Referent. Beliebt waren unter anderem die sogenannten Cartes de Visite, die es in vergangenen Zeiten in Buchläden zu kaufen gab. „So konnte man sich seinen Professor kaufen“, beschreibt Heck mit einem leichten Schmunzeln.

Restaurierte Wissenschaftlichkeit

Im Zuge der Ausstellung konnte das Portrait von Johann David Michaelis (1717–1791) restauriert werden. Dr. Anne-Katrin Sors, Kustodin der Kunstsammlung und Dozentin am Kunstgeschichtlichen Seminar, dankte Dr. Martin Reulecke für seine Bildpatenschaft an dem Gemälde. Das Portrait erstrahlt nun in neuem Glanz; die Signatur ist wieder lesbar. Damit ist ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung der Gemälde geleistet worden.

Das restaurierte Portrait von Johann David Michaelis. Foto: Anna Luise von Campe

Forum Wissen: Selbstreflexion der Wissenschaftlichkeit

Mit der „Face the Fact“-Ausstellung konnte gezeigt werden, welchen Ansatz das zukünftige Forum Wissen in Göttingen verfolgen wird. „Wir wollen ein Zentrum schaffen, in dem objektbasiert geforscht wird. Gleichzeitig soll es ein Museum werden über das Wissen-Schaffen!“, so Marie Luisa Allemeyer, Direktorin der Zentralen Kustodie. In einem Vortrag stellte sie nachvollziehbar die Planung und den Stand der Realisierung des Projekts dar. Ende 2020 soll eröffnet werden. Es werden Räume des Wissens ausgestellt und erlebbar gemacht: das Labor, die Bibliothek, der Schreibtisch, die Werkstatt, der Salon, der Markt, „…aber auch der Holzweg!“ – wie die Allemeyer berichtet. „Face the Fact“ hat bereits einen wichtigen Aspekt des Forum Wissen geteasert: die Darstellung der Selbstreflexion der Wissenschaftlichkeit.

Marie Luisa Allemeyer über das Forum Wissen. Foto: Anna Luise von Campe

Wie gelehrt dürfen Frauen gezeigt werden?

Ruth Finkh eröffnet während der Finissage eine Innenschau der Portraitierten auf das Portraitieren: In ihrem Vortrag verdeutlicht die Literaturwissenschaftlerin den Einfluss des Gemaltwerdens auf die Portraitierten und deren Umfeld. Die junge Philippine Gatterer (1756–1831) wurde von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722–1789) portraitiert und durchlief damit eine soziale Initiation: Sie entsprach nicht dem Schönheitsideal ihrer Zeit, doch der Maler Tischbein verlieh ihr ein geschöntes Antlitz, sodass sich ihre Selbstsicht und die Sicht der Anderen wandelte. Vor allem aber malte Tischbein sie als Dichterin mit Lorbeerkranz und Harfe und verlieh ihr damit eine soziale Rolle, die damals hauptsächlich Männern vorbehalten war. Dies ist eine der vielen Fragen, die während der Finissage zum Ausdruck kommen: „Wie gelehrt dürfen Frauen im 18. Jahrhundert gezeigt werden?“.

Ruth Finkh während ihres Vortrages. Foto: Anna Luise von Campe

Face the Fact – jetzt auch digital

Zum Abschluss der Finissage wurde die digitale Ausstellung eröffnet – so können Besucherinnen und Besucher auf https://facethefact.gbv.de/start/ weiterhin virtuell „face the fact“ in einzelnen Sektionen und als 360° Rundgang erfahren. Der Sehnsucht nach alten Epochen, nach verschiedenen Klischees von Professorinnen und Professoren, nach Wissenschaftlichkeit und nach Portraits aus verschiedenen Zeiten kann nun auch digital nachgegangen werden.

 

Gäste der Finissage. Foto: Anna Luise von Campe

 

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Schaufenster in die Antike

Wie sieht für uns die Welt der antiken Griechen und Römer aus? Als Althistoriker kommen mir sofort die Ausgrabungen von Athen und Pompeji in den Sinn. Sobald ich mich außerhalb meiner eigenen Disziplin bewege, erhalte ich auf eine solche Frage aber ganz andere Antworten: Für viele sieht die antike Welt aus wie im Film Gladiator oder wie in der Doku-Reihe Terra X.

Antike im Film – und in der Sammlung Stern.

Je weiter die Antike im Schulunterricht zurückgedrängt wird, desto populärer scheint sie vor allem im Fernsehen zu werden. Und wenn ich ganz ehrlich bin, müsste auch ich in meiner Antwort ein paar Filmbeispiele ergänzen. Über die Jahrtausende hinweg haben sich Menschen an der Darstellung der Antike abgearbeitet, haben immer neue Deutungen und zeitgebundene Bilder entworfen.

Warum ein Filmarchiv?

Wer auch immer sich heute mit der Epoche beschäftigt, wird von dieser Tradition beeinflusst, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Aus meiner Sicht ist es daher nur folgerichtig, dass wir am Althistorischen Seminar Göttingen das weltweit erste altertumswissenschaftliche Filmarchiv eröffnen.

Sammeln, ordnen, bewahren und – öffentlich machen.

In der neuen Sammlung Stern finden sich Schul- und Dokumentarfilme zur antiken Geschichte, Filmdokumente von archäologischen Grabungen, Dokudramen in Settings von der Steinzeit bis in die Spätantike und vieles mehr. Die Bestände waren ursprünglich die Privatsammlung des Archäologen, Filmforschers und Museumspädagogen Tom Stern (1958 bis 2016). Wir waren uns in den vergangenen zehn Jahren immer wieder begegnet – die Schnittmenge von Leuten, die professionell Altertumswissenschaft und Filmstudien betreiben, ist relativ klein. Sein größtes Anliegen war, den Film als Medium der Wissensvermittlung zu diskutieren, innerhalb wie außerhalb von wissenschaftlichen Kreisen.

Juliette Harrisson von der Newman University Birmingham und Martin Lindner, Kustos der Sammlung.

Wir alle haben Vorwissen, Klischees und sonstige „Filter“ im Kopf, wenn wir uns mit der Antike befassen. Wäre es da nicht gut, wenn wir uns bewusstmachen, wie diese Filter aussehen und wie sie entstehen? Filme können die Antike auf begeisternde Weise anschaulich machen und sollten als eigenständige Kunstform ernst genommen werden. Umgekehrt sollten wir nicht kritiklos konsumieren, sondern die Sprache des Films mit all ihren Möglichkeiten und Grenzen verstehen lernen.

Die Anfänge

Nach Tom Sterns Tod wollte seine Familie sicherstellen, dass die Sammlung in diesem Sinn lebendig bleibt. Ich hatte das Glück, dass meine Ideen eines Lehr- und Lernarchivs von der Familie ebenso positiv aufgenommen wurden wie an der Universität Göttingen. Innerhalb von gut einem halben Jahr hatten wir die Basis für eine Übernahme und die Einrichtung einer neuen universitären Sammlung geschaffen.

Vor Ort in einem Keller in Essen wurde mir erst klar, worauf wir uns eingelassen hatten: Hunderte von Magnetbändern und Filmrollen lagen unsortiert in Kisten. Die bisherigen Bestandslisten stimmten nur näherungsweise mit den Etiketten auf den Medien überein, sofern es überhaupt eine Beschriftung gab. Am Abend türmten sich diese Kisten in meinem Göttinger Büro zu einer Ausgrabungsstätte der besonderen Art, und die zweite Karriere der Sammlung Stern begann.

Neu sortiert und eingeordnet: Hunderte von Filmrollen.

Wie macht man ein Archiv?

Wir hatten natürlich Kontakt zu anderen Filmarchiven gesucht und uns Anregungen geholt. Wir hatten Gelder eingeworben, um technische Ausstattung, Möbel und studentische Hilfskräfte bezahlen zu können. Wir hatten Arbeits- und Zeitpläne erstellt – mussten aber bald feststellen, wie schnell die Realität alle Konzepte über den Haufen werfen kann. Unsere Medien enthielten viel mehr Filme als gedacht. Andere waren in so schlechtem Zustand, dass wir unsere Prioritäten bei der Erfassung ändern mussten.

Derzeit digitalisieren wir 15 bis 20 Stunden Film pro Monat und sichern die Resultate auf den Medienservern der GWDG. Der Prozess ist langsam, aber wir müssen in Echtzeit vorgehen: um die Qualität zu prüfen und den Inhalt soweit zu sichten, dass wir die Filme hinterher mit Suchbegriffen in den Göttinger Universitätskatalog eintragen können.

16-Millimeter-Filmprojektor der amerikanischen Firma Bell & Howell, Modell Filmosound 1680.

Unsere Sammlung ist nicht nur ein Archiv, sondern auch ein Sonderstandort der Bibliothek. Können wir also aus dem Katalog einen direkten Zugriff auf unsere Medien ermöglichen? Leider nein. Aber wir können die Filme mit Schlagwörtern im Katalog sichtbar machen und sie als Archivalien in unseren Räumen für wissenschaftliche Zwecke nutzen. Die Sammlung Stern hat daher mehrere Filmterminals, die bereits gern und häufig aufgesucht werden – unter anderem von Studierenden, die in ihrem Forschungsprojekt den Einsatz von Dokumentarfilmen in Universität und Schule vergleichen.

Einst Seminarraum, jetzt Bibliothek.

Da uns kürzlich der Kieler Filmemacher und -forscher Kurt Denzer seine Buchbestände überlassen hat, brauchten wir einen Bibliotheksraum für 1.500 Bücher und Zeitschriftenbände. Auch den weihen wir zur Eröffnung der Sammlung am 11. Januar 2019 ein. Dabei wird ein Film laufen, den Tom Stern vor seinem Tod nicht mehr zu Gesicht bekam: Tom auf den Spuren von Agatha Christie. Ich werde mir still dazu denken: Und wir ab sofort auf den deinen.

Fotos: Jan Vetter

 

 

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Forum Wissen Hinter den Kulissen

Digitale Zeitreise: Die virtuelle Rekonstruktion des Königlich Academischen Museums

Die Idee, in Göttingen ein öffentliches Wissenschaftsmuseum einzurichten, ist nicht neu. Sie ist sogar ziemlich alt. Denn so etwas wie das Forum Wissen gab es schon einmal: das Könglich Academische Museum, das 1773, kurz nach der Universitätsgründung, seine Türen öffnete. Mehrere tausende Objekte des einstigen Museums liegen heute noch in den Depots der Georgia Augusta – verteilt auf die einzelnen Institute der Universität. Mit digitalen Mitteln wird es nun möglich, den Bestand des Academischen Museum virtuell wieder zusammenzuführen.

Karsten Heck digitalisiert ein historisches Mikroskop aus der Physikalischen Sammlung
Bei der Arbeit: Foto-Station zur Herstellung von Objekt-Digitalisaten

Das erste Wissenschaftsmuseum im 18. Jahrhundert

Eine der zahlreichen Neuerungen der frisch gegründeten Georg-August-Universität war es, dass – neben der Einrichtung einer zentralen Universitätsbibliothek – auch „Artificialien“ und „Naturalien“, also materielle Forschungsobjekte, zentral aufbewahrt wurden. Ganz im Sinne der Aufklärung sollte Wissen durch das genaue Betrachten, Handhaben und Vermessen von Dingen überprüft werden. Diese Dinge wurden dann katalogisiert und archiviert und immer wieder in Forschung und Lehre eingesetzt.

Gleichzeitig war es den Gründervätern der Universität wichtig, die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Direkt neben der Bibliothek am Papendiek betreute Johann Friedrich Blumenbach, der erste Aufseher des Academischen Museums, die von seinem Zeitgenossen Georg Christoph Lichtenberg sogenannten „akademischen Kabinette“ der Universität – die Keimzelle der heute über den Campus verteilten, über 70 akademischen Sammlungen. Eine erstaunliche Vielfalt an Dingen war dort zu sehen: Gesteine, Mineralien und Fossilien, Gipsabgüsse antiker Skulpturen und archäologische Fundstücke, Tierpräparate, Münzen und Medaillen, botanische Herbarien, Gemälde und Grafiken, historische Messinstrumente, Schädel, Mumien, anatomische Präparate.

Ansicht des Acadmischen Museums. Lithographie von Friedrich Besemann, ca. 1830.
Ansicht des Acadmischen Museums. Lithographie von Friedrich Besemann, ca. 1830.

Aus einem zentralen Museum werden viele spezialiserte Sammlungen

Im 19. Jahrhundert brachte die Ausdifferenzierung der Fachdisziplinen ein enormes Wachstum der Sammlungsbestände mit sich, an der oftmals die Geschichte ganzer Disziplinen nachvollziehbar ist. 1840 führte dies zur Aufspaltung des zentralen Academischen Museums. Bis heute sind die Sammlungen auf über dreißig Standorte in der Stadt verteilt. Von Kriegszerstörung weitgehend verschont geblieben, ist das akademische Erbe in den Göttinger Sammlungen – im deutschlandweiten Vergleich – in ungewöhnlich vollständiger Form erhalten geblieben.

Heute versteckt sich der Grundstock des Academischen Museums in der Objektfülle des modernen Sammlungsbestandes. Deshalb besteht der erste Schritt der digitalen Rekonstruktion im Durchforsten alter Inventare und Schriftquellen wie dem „Catalogus Musei Academici“. Welche Objekte gehörten zum Kernbestand der Ursprungssammlungen? Was verraten uns die Reiseberichte europäischer Gelehrte, die das Museum besuchten? Und wie beschreiben die damaligen Professoren den Einsatz der Objekte in ihrer Lehre?

 

Digitaliserung: Das Academische Museum entsteht virtuell von Neuem

Die so identifizierten Objekte werden derzeit von den Kustodinnen und Kustoden in Zusammenarbeit mit einem Team aus wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitern in den jeweiligen Sammlungen ausfindig gemacht. Das Team erfasst grundlegende Informationen über das Objekt (z. B. Größe, Material, Datierung, Quellen etc.) und trägt sie in eine zentrale Sammlungsdatenbank ein, die allen Sammlungen am Campus zur Verfügung steht. Für die fotografische Reproduktion baut das Digitalisierungsteam die mobile Ausrüstung an den jeweiligen Standorten auf. Die Objekte werden vor farbneutraler Hohlkehle individuell ausgeleuchtet und inszeniert. Die Fotografen erstellen isolierte Ansichten der Objekte aus mehreren Perspektiven.

Digitalisierung einer "Naturalie" aus dem Bestand des Academischen Museums
Digitalisierung einer “Naturalie” aus dem Bestand des Academischen Museums

 

 

Die in die Breite der Bestände zielende fotografische Digitalisierung und Basiserschließung der Altbestände der Göttinger Sammlungen dient als Grundlage für die weitergehende Bearbeitung und Tiefenerschließung der Bestände im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben. So widmet sich z.B. das Editionsprojekt „Johann Friedrich Blumenbach – Online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen speziell dessen Schriften (mehr als 1.025 Texte, mit ca. 80.000 Seiten) sowie den mit Blumenbach und seiner Forschung verbundenen, noch erhaltenen Objekten aus seinen naturkundlichen Sammlungen (mehr als 4.500 Objekte). Diese werden in Auswahl zusätzlich durch stereoskopische Aufnahmen dreidimensional erfasst und en Detail wissenschaftshistorisch und hinsichtlich ihrer Provenienzen tiefenerschlossen, um Objekte und Schriften gemeinsam und verknüpft in digitaler Form zugänglich machen.

Auch das Projekt „Sammeln erforschen – Geschichte und wissenschaftliche Aktualisierung der Göttinger Universitätssammlungen im Kontext museumstheoretischer und ethnologischer Diskurse“ setzt an der derzeitigen Basiserschließung an und nimmt die Altbestände insbesondere der Ethnologischen Sammlung dahingehend unter die Lupe, die Bedeutung wissenschaftlicher Sammlungspraxis für die Entwicklung des Faches Völkerkunde/Ethnologie/Ethnographie zu beleuchten und diese materialbasiert wissenshistorische Perspektive in aktuelle Theoriediskurse der Ethnologie, Museumswissenschaft und der Material Culture Studies einzubringen.

Die wissenschaftliche Zeitreise in die historische Sammlungspraxis und vielschichtige Göttinger Sammlungslandschaft des 18. und 19. Jahrhunderts beginnt mit der digitalen Öffnung der historischen Sammlungen. Stück für Stück erschlossen, um sodann in kollaborativer Forschung mit digitalen Methoden ausgeleuchtet zu werden, wird das einstige Academische Museum der Georgia-Augusta künftig virtuell wiederentstehen und erfahrbar werden.

[grey_box] Die digitale Rekonstruktion der Göttinger Altbestände bildet einen Schwerpunkt der laufenden Digitalisierungsarbeit der Zentralen Kustodie und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Die technische und personelle Ausstattung des Projekts wird durch die finanzielle Unterstützung des Landes Niedersachsen möglich gemacht. Die Ergebnisse werden im Sammlungsportal der Universität veröffentlicht, das im Herbst 2017 freigeschaltet werden wird (zur Beta-Version).[/grey_box]