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Waldstillleben mit Reptilien und Insekten

Alles andere als „tot“

Der französische Ausdruck für Stillleben ist „Nature morte“, wörtlich übersetzt: Tote Natur. Das Waldstillleben des niederländischen Malers Otto Marseus van Schrieck (1619-1678) ist jedoch alles andere als „tot“: Es kreucht und fleucht auf dem Waldboden, wo sich Reptilien und Insekten tummeln. Das Besondere daran: Die dargestellten Tiere und Pflanzen sind bis ins Detail naturgetreu ausgearbeitet.

Sommerliche Tierwelt

Die Verhaltensweisen der Tiere sind aber unnatürlich: Schlangen machen naturgemäß keine Jagd auf Schmetterlinge. Marseus muss das gewusst haben. Er soll sowohl hinter seinem Haus als auch außerhalb Amsterdams in umschlossenen Gehegen Schlangen und andere Tiere gehalten haben, die ihm als Modelle seiner Gemälde dienten. Auch habe er Insekten und anderen Kleintieren eifrig nachgespürt. Tatsächlich zeigt das Bild eine Tierwelt, wie man sie in dieser Zusammenstellung im Monat August begegnet.

Wenn Kunst die Natur übertrifft

„Es steckt bestimmt auch hier die Idee jeden Stilllebens drin, dass die Kunst die Natur zu übertreffen vermag“, sagt Anne-Katrin Sors, Leiterin der Kunstsammlung der Universität Göttingen, aus der das Gemälde stammt. „Weil die Kunst imstande ist – vor der Zeit der beheizten Gewächshäuser – z.B. einen alle Jahreszeiten umfassenden Blumenstrauß zu kombinieren und zu malen.“

Wie der Künstler sein Werk schuf

Interessant ist auch die Technik, die Marseus anwandte. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Flügel der Schmetterlinge nicht gemalt, sondern im Abklatschverfahren hergestellt sind: Auf die in hellen Farben gehaltenen Schmetterlingssilhouetten sind die jeweiligen Flügelteile aufgelegt und vorsichtig angedrückt worden, so dass beim Entfernen die Schuppen in der feuchten Paste hafteten. Lediglich Fehlstellen und Adern wurden mit dem Pinsel nachgearbeitet.

Für die Struktur des Bodens stempelte der Maler einen Moosabdruck in die Farbe. Auch zumindest eines der Fliegenbeine ist nicht gemalt, sondern in die Paste eingelegt.

In diesem Schaukasten sind die Schmetterlingsarten zu sehen, die sich auch im Gemälde finden lassen.

Kein „Phantast mit realistischen Mitteln“

Marseus zielt in der Wiedergabe des Lebensraums Waldboden auf höchste Naturtreue, er kombiniert nicht Tiere nach seinem Belieben. Dies weist auf Marseus‘ wissenschaftliches Interesse an den dargestellten Wesen hin. Damit ist er nicht der „Phantast mit realistischen Mitteln“, als der er lange Zeit in der Kunstgeschichte galt.

Das Gemälde „Waldbodenstilleben“ ist nun im Raum „Feld“ in den Räumen des Wissens zu sehen.

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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Im Schaufenster: die Erde erforschen

Erdbeben vorhersagen, Schwingungen im Boden messen, Wellen aufzeichnen: 1898 wurde das Geophysikalische Institut in Göttingen eingerichtet. Es war das erste weltweit. Ihr Direktor: der Geophysiker Emil Wiechert. Mit ihm war die Richtung vorgegeben: die Erdbebenforschung, auch Seismik genannt.

Fuß des transportablen Seismographen

Erdbeben messen

Daher befinden sich in der Geophysikalischen Sammlung auch viele Seismographen aus dem 20. Jahrhundert. Einer davon misst die horizontalen Wellenbewegungen von Erdbeben. Mit 12 Kilogramm ist er relativ schwer, dennoch haben ihn die Wissenschaftler in den 1930er-Jahren wohl mit ins Feld genommen.

Der Seismograph wurde 1937 an der Uni Göttingen gebaut.

Die Bewegung der Welle wird über Hebel und Faden auf einen Spiegel übertragen. Mit Hilfe von Licht, das der Spiegel reflektiert, konnten die Geophysiker dann die Bewegung auf Fotopapier aufzeichnen. Aber das ist nur ein Objekt, das ihr im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen entdecken könnt.

Wind und Wetter bestimmen

Hier findet ihr auch ein Anemometer. Das ist ein Instrument, mit dem die Windgeschwindigkeit gemessen wird.

Schalenanemometer aus dem 20. Jahrhundert

Der Wind bringt die Schalen zum Rotieren. Die Geschwindigkeit kann dann gemessen werden. Solche sogenannten Schalenanemometer findet ihr an wichtigen Wetterstationen, zum Beispiel auf Flughäfen oder Schiffen.

Magnetfeld erfassen

Die heutigen Geophysik*innen an der Uni Göttingen untersuchen noch immer die Erde und fragen unter anderem, wie leitfähig ihr Inneres ist. Der Doppelkompass hier ist zwar schon älter, aber das Prinzip ist noch immer aktuell.

Doppelkompass nach Bidlingmaier von 1935/40

Der Kompass besitzt zwei magnetische Nadeln, die sowohl mit dem Erdmagnetfeld als auch untereinander kommunizieren. So sind Aussagen über die Stärke des Magnetfeldes möglich.

Objekte besuchen

Ihr merkt schon: Die Objekte der Sammlung geben einen kleinen Einblick in die Geschichte der Geophysik. Wenn euch diese interessiert, schaut am besten nicht nur im Forum Wissen vorbei, sondern besucht auch die Wiechert’sche Erdbebenwarte. Hier gibt es die originalen Seismographen, die Emil Wiechert entwickelt hat und: sie funktionieren noch.

Fotos: Martin Liebetruth

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Ausstellung Forum Wissen Hinter den Kulissen

Die Anderen Räume – eine Ausstellung von Studierenden

Die Sonderausstellung “Die Anderen Räume” zeigt studentische Perspektiven auf den Universitätsalltag und studentische Räume, die darin eine Rolle spielen. Die Ausstellung ist noch bis 18.02.2024 auf verschiedene Freiflächen in den “Räumen des Wissens” zu sehen.

Besucher*innen der Sonderausstellung betrachten bei der Vernissage eine der von den Studierenden gestalteten Vitrinen.
Vernissage, Foto: Martin Liebetruth

Mit unserer Sonderausstellung „Die Anderen Räume. Studentische Perspektiven im Forum Wissen“ werfen wir einen Blick hinter die Kulissen unseres Universitätsalltags. Zwei Semester lang haben wir als Seminargruppe an diesem Projekt gearbeitet, das uns die Möglichkeit gab, studentische Räume jenseits der traditionellen „Räume des Wissens“ zu erkunden.

Der Entstehungsprozess

Im Wintersemester 2022/23 haben wir uns mit wissenschaftlichen Räumen auseinandergesetzt und auf dem Göttinger Campus erforscht, wie das, was Wissenschaftler*innen tun, durch universitäre Räume bedingt wird. Hier haben wir die Räume vor allem aus der Perspektive der Wissenschaftler*innen kennengelernt. Beispielsweise durften wir in der Algensammlung nicht nur die akribischen Hygienemaßnahmen beobachten, sondern auch die faszinierende Arbeit mit den Algenkulturen. So durften wir dabei zuschauen, wie eine Mitarbeiterin eine Algenkultur unter Einhaltung zahlreicher Sicherheitsmaßnahmen vervielfältigt hat. Wir hatten auch die Möglichkeit uns einige Algen unter dem Mikroskop oder im Dunkeln leuchtende, biolumineszierende Algen anzuschauen.

Nach diesen spannenden Einblicken ging es im Sommersemester dieses Jahres daran, ein Ausstellungsformat zu erarbeiten. Ursprünglich war geplant, einen Rundgang durch die Universitätssammlungen zu gestalten, doch irgendwie konnte uns diese Idee nicht vollends begeistern – uns fehlten die studentischen Perspektiven. Schließlich wurde klar: Wir wollten unsere eigene Sichtweise und die Räume, die unseren Alltag prägen, in den Mittelpunkt stellen. Denn Studierende und ihre Räume sind genauso wesentliche Bestandteile der Universität und deren Räumen des Wissens! So entstand die Idee, eine Ausstellung in den Freiflächen des Forum Wissen zu realisieren.

Auf einer Karte haben die studentischen Kurator*innen die für sie wichtigen Räume in der Stadt Göttingen vermerkt.
Karte von studentischen Räumen in Göttingen, Foto: Martin Liebetruth

Planänderung

Zum Glück konnten wir unsere Dozentinnen von unserer Idee überzeugen und auch das Forum Wissen mit ins Boot holen. Während der Umsetzung der Ausstellung konnten wir viel über die Arbeit im Museum lernen und praktische Erfahrungen sammeln. Unter anderem haben wir gelernt, ein eigenes Konzept, für die gesamte Sonderausstellung sowie für einzelne Vitrinen zu erarbeiten und auch wie man Ausstellungstexte schreibt. Der Kurationsprozess verlief nicht immer wie geplant, auch die Umsetzung war viel langwieriger als wir es erwartet hatten. Unsere Objekte wurden beispielsweise sechs Wochen lang in einer Stickstoffkammer von möglichen Schädlingen befreit. Diesen Prozess kannten wir vorher nicht. Wir hätten wohl auch nicht damit gerechnet, wie viele Gedanken man sich zur Anordnung der Objekte in einer Vitrine machen sollte. Aber nun freuen wir uns umso mehr, das Ergebnis präsentieren zu können.

Auch im Raum Bibliothek gibt es Freiflächen, die von den Studierenden gestaltet wurden.
Auch im Raum Bibliothek gibt es Freiflächen, die von den Studierenden gestaltet wurden. Foto: Martin Liebetruth

Die Anderen Räume

Ergänzend zur Basisausstellung, die die Entstehung von Wissen anhand ‚typischer‘ wissenschaftlicher Räume wie z. B. des Hörsaals erzählt, bringen wir Räume ein, die unseren Universitätsalltag prägen. Wir zeigen in den Freiflächen der Räume Schreibtisch, Labor, Feld und Bibliothek bisher wenig sichtbare Perspektiven auf heutige studentische Räume des Lernens, Wohnens, Ausprobierens oder Erholens.

Göttingens Grünflächen sind bei Studierenden beliebt, einfach um dort zu chillen, aber auch weil auf dem Campus Räume für sozialen Austausch fehlen, wenn die Mensa geschlossen ist. In Göttingen fehlt es auch an bezahlbarem Wohnraum für Studierende. Das belastet viele mental und finanziell stark, kann aber auch dazu führen, dass Häuser besetzt werden. Einige Studierende pendeln auch in die Stadt, weil sie vor Ort kein Zimmer finden.

Während der Corona-Pandemie fanden viele Lehrveranstaltungen online statt. Dafür steht die Vitrine im Raum Schreibtisch.
Während der Corona-Pandemie fanden viele Lehrveranstaltungen online statt. Foto: Martin Liebetruth

Seit Corona hat sich auch die Lehre verändert: Im digitalen Raum von Videokonferenzen ist Universität von jedem Ort aus möglich. Es entsteht aber auch eine allgemeine Zoom-Müdigkeit, wenn die Vorlesung plötzlich im eigenen WG-Zimmer stattfindet. Gleichzeitig schaffen Studierende seit jeher lebendige Räume in der Stadt oder eignen sich akademische Orte kreativ an: Auf der Bühne des Theaters im OP (ThOP) beispielsweise erfinden sich Studierende spielend neu und experimentieren mit den Elementen der Theaterproduktion.

Maske aus der Vitrine über das studentische Theater im OP, Foto: Martin Liebetruth

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Sammlung

100 und mehr: die Göttinger Sammlungen

Eine Ausstellung, eine Datenbank, ein Raum – für alle gemeinsam. Mittlerweile gibt es das und trotzdem treffen sie sich noch, die Kustod*innen aus den Sammlungen der Uni Göttingen. Nun schon zum einhundertsten Mal.

100. Forum in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen

Angefangen hat es 2009: Damals wollte sich die wissenschaftliche Kommission Niedersachsens (sie berät die Landesregierung) ein Bild von den akademischen Sammlungen machen. Ihr Weg führte sie daher auch nach Göttingen. „Wir hatten damals kaum Kontakt untereinander. Umso überraschender war es daher für uns zu merken: Wir haben die gleichen Interessen, die gleichen Bedürfnisse, auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Fächern kommen“, beschreibt Daniel Graepler die Situation. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Objekte von drei archäologischen Sammlungen. Er ist einer von rund 40 Kustod*innen an der Uni Göttingen.

Die Ausstellung

Sie setzen sich dafür ein, dass Münzen, Musikinstrumente oder mathematische Modelle artgerecht untergebracht sind und gepflegt werden. Immerhin wollen Forscher*innen und Student*innen sie nutzen, und auch Besucher*innen ihre Freude daran haben. Das war unter anderem 2012 der Fall: Zum 275-jährigen Jubiläum der Uni Göttingen luden die Kustod*innen zur Ausstellung „Dinge des Wissens“ in die Göttinger Paulinerkirche ein. Ein voller Erfolg! Über Zehntausend kamen damals. Viele von ihnen staunten über die Vielfalt der Objekte und die ungewöhnliche Welt des Sammelns, Ordnens und Erkennens.

Mathematische Modelle und Algenkulturen: die Kustodinnen Ina Kersten und Maike Lorenz

„Von der ersten Idee bis zu den Führungen oder dem Abbau der Ausstellung, wir haben damals alles gemeinsam organisiert und umgesetzt“, sagt Graepler immer noch stolz. Doch er und seine Mitstreiter merkten auch schnell, was fehlte: eine gemeinsame Plattform, in der alle Objekte beschrieben und auffindbar sind.

Das Sammlungsportal

Mit den Kolleg*innen vom Bibliotheksverbund, der Zentralen Kustodie und der Staats- und Universitätsbibliothek der Uni Göttingen haben sie daher begonnen, eine Datenbank aufzubauen – das Sammlungsportal. Aktuell verzeichnet es über 80.000 Objekte aus den Göttinger Sammlungen. Jeder kann darauf zugreifen, egal wo er oder sie sich befindet. „Das Portal war eine Antwort auf die Frage, wie wir Ressourcen besser und vor allem gemeinsam nutzen können“, erklärt der Kustos. Denn von sanierungsbedürftigen Räumen über die Restaurierung von Objekten bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – der Bedarf ist in den meisten Sammlungen gleich. „Er wird auch eher größer, ohne dass wir mehr Leute werden“, so Graepler. Daher war er froh, als 2012 die Zentrale Kustodie an der Uni Göttingen ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Kustod*innen in all diesen Anliegen zu unterstützen. Zumal die meisten von ihnen hauptberuflich in Forschung und Lehre unterwegs sind, die Pflege der Sammlungen daher überwiegend freiwillig ist.

Im Austausch – mit Daniel Graepler (steht) und Karsten Heck von der Zentralen Kustodie

Der gemeinsame Raum

Und obwohl die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist – zu unterschiedlich sind manchmal die Vorstellungen davon, was wie gemeinsam genutzt werden kann – ein Ergebnis fällt auf: das Forum Wissen. „Seit den 1980er-Jahren gab es die Idee eines gemeinsamen Raumes, eine Art Schaufenster unserer Sammlungen“, so Graepler. Im 2022 eröffneten Wissensmuseum ist die Idee nun verwirklicht: Hier sind Objekte aus den Sammlungen der Uni Göttingen öffentlich ausgestellt. Ob Reagenzglas, Schublade oder Fossil – mit ihnen lässt sich zeigen, wie Wissen entsteht.

Ryoto Akiyama (Musikinstrumentensammlung) mit seinem selbst gebackenen, diatonisch geschnittenen Kuchen

Ein besonderer Reiz dabei: Die Objekte kommen wie die Kustod*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Dadurch wechseln die Perspektiven und Geschichten. Langweilig wird es nicht.

Lust auf mehr

Das motiviert auch zu gemeinsamen Aktionen wie dem Tag der offenen Sammlung, der Vortragsreihe „Sachverstand“ oder den Sonntagsspaziergängen. Jeden Sonntag öffnen das Geowissenschaftliche Museum, die Kunstsammlung und die Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihre Türen für Besucher*innen. “Das ist möglich, weil wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen”, so Graepler, der auch Sprecher der Kustod*innen ist. Alle sechs Wochen kommen sie in einer ihrer Sammlungen zusammen, reden darüber, wo ihnen der Schuh drückt, entwickeln Visionen und – schauen sich natürlich auch Objekte an. „Egal ob die Kunsthistorikerin von ihren Bildern erzählt oder der Informatiker von seinen Rechnern, es hören trotzdem alle zu.“ Das ist für Graepler faszinierend und bestärkt offenbar nicht nur ihn, das Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen.

Fotos vom 100. Sammlungstreffen: Martin Liebetruth

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Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Die Geburtsmedizin im Wandel der Zeit

Im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen spiegelt sich die Geschichte der Geburtsmedizin. Die Sammlung an der Uni Göttingen ist geprägt von vielseitigen Entwicklungen, ethischen Dilemmata und innovativen Persönlichkeiten. Ihre etwa 1.200 Objekte aus dem 18. und 19. Jahrhundert bieten heute spannende Einblicke in die Anfänge der vermutlich weltweit ersten akademischen Geburtsklinik.

Geburtstagebücher von F. B. Osiander aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Geburtstagebücher von F. B. Osiander aus dem frühen 19. Jahrhundert. Foto: Lena Heykes

Die Gelehrten Friedrich Benjamin Osiander, ein Verfechter der Geburtszange, und Eduard von Siebold, der frühzeitig Anästhesie einsetzte, waren im 18. und 19. Jahrhundert wegweisend für die Entwicklung der Geburtshilfe. Ihre unterschiedlichen Ansätze spiegeln sich in den historischen Praktiken wider. Die Sammlung, die die beiden Geburtshelfer maßgeblich aufgebaut haben, umfasst Instrumente, Modelle, Präparate und Geburtsprotokolle aus Forschung und Lehre. Die Objekte ermöglichen eine historische Reise durch die Entwicklung der Geburtshilfe.

Die Geburtsmedizin im Fokus

In der Göttinger Geburtsklinik wurden anfänglich vor allem gesellschaftlich stigmatisierte uneheliche Schwangere versorgt. Starben sie in der Schwangerschaft oder im Kindbett, konnten ihre Körper für Präparate „genutzt“ werden. Gelehrte wie Osiander setzten diese für die eigene Forschung und zur Veranschaulichung im Unterricht ein.

Objekte wie die Geburtszange stellen einen Meilenstein in der Geburtshilfe dar. Studenten übten ab etwa 1800 den Einsatz der Zange, die den Geburtsvorgang beschleunigen konnte. Dabei nutzten sie einen Lederball als Phantom.  Geburtstagebücher, von Friedrich Benjamin Osiander verfasst, geben Einblicke in die Situation der ledigen, armen Schwangeren. Die Frauen dienten der Ausbildung von Medizinstudenten und Hebammen.

Geburtszange und Lederball. Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin.
Geburtszange und Lederball. Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin. Foto: Lena Heykes

Entwicklung von Geburtspraktiken

Die Entwicklung von hygienischen Standards in Folge eines besseren Verständnisses für die Bedeutung von Asepsis (Keimfreiheit) und Antisepsis (Vernichtung von Krankheitskeimen) markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Geschichte der Geburtshilfe. Ignaz Philipp Semmelweis erkannte im 19. Jahrhundert die Bedeutung des Händewaschens mit einer Chlorkalklösung in dafür vorgehaltenen Waschschalen. Zuvor war die Sterberate von Müttern durch Kindbettfieber gerade in den Abteilungen mit ärztlichen Geburtshelfern sehr hoch gewesen.

Die Geburtszange wurde allmählich von schonenderen Instrumenten wie der Saugglocke abgelöst. Auch manch ein ethischer Konflikt verschwand mit der Zeit. Als der Kaiserschnitt noch hochriskant war, war das Leben von Frau und Kind in größter Gefahr, wenn das Kind nicht geboren werden konnte. Das Embryotomie-Besteck enthält Werkzeuge zur Zerstückelung des Ungeborenen und wurde in solchen Situationen eingesetzt, um zumindest das Leben der Frau zu retten.

Verschiedene Werkzeuge eines Embrytomie-Bestecks.
Verschiedene Werkzeuge eines Embrytomie-Bestecks. Foto: Lena Heykes

Weitere Objekte zur Geschichte der Geburtsmedizin

In der Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin gab es Modelle, an denen Medizinstudenten und Hebammen die gynäkologische Untersuchung üben konnte. Ein Modell von Osiander bestand aus einem Präparat eines weiblichen Beckens, war mit Draht umwickelt und mit Leder überzogen. Nachbildungen des Muttermunds in den verschiedenen Stadien der Schwangerschaft konnten eingelegt werden. Sie bestanden aus Materialien wie Ton, Seife, elastischem Harz oder sogar Bernstein. Solche „Phantome“ ermöglichten den Studierenden und Hebammen ein taktiles Erleben und Üben. Sie konnten fühlend den Fortschritt einer Geburt und die Größe der Öffnung des Muttermunds feststellen.

Verbindung zur modernen Geburtshilfe

Die Sammlung ist heute Anziehungspunkt für Hebammenschüler*innen, Historiker*innen und Kulturwissenschaftler*innen. Die Sammlung wird aktiv für Forschungsprojekte genutzt, insbesondere für Erkenntnisse über die Akademisierung und Technisierung der Geburtshilfe und die gesellschaftliche Lage von unehelichen Schwangeren. Die Verbindung von Objekten und Geburtsprotokollen ermöglicht tiefe Einblicke in die historische Geburtshilfe.

Die Sammlung zur Geschichte der Geburtshilfe in Göttingen ist nicht nur ein Schaufenster in die Vergangenheit, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion für die moderne Geburtshilfe. Mit ihrer Hilfe kann zudem besser verstanden werden, wie mit ethischen Konflikten umgegangen werden soll.

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Ausstellung Uncategorized

Digitaler Wald. Eine virtuelle Reise in die Klimaforschung.

Unsere aktuelle Sonderausstellung “Digitaler Wald” bietet einen faszinierenden Einblick in die Folgen des Klimawandels für die ursprünglichen Wälder Mitteleuropas. Auf 80 Quadratmetern zeigt das interdisziplinäre Ausstellungsprojekt, wie Wissenschaftler*innen der Universitäten Göttingen und Leipzig beispielsweise den Einfluss von langer Trockenheit auf den Wald erforschen. Der Freiraum im Forum Wissen wird zum Raum für Klimaforschung, Waldschutz und Klima-Aktivismus!

Virtual Reality

Wie arbeiten eigentlich Klimaforscher*innen?

Modernste Technologien ermöglichen es beispielsweise, den Wassertransport eines Baumes von den Wurzeln bis zu den Blättern zu messen und davon eine digitale Kopie zu erstellen. So werden unter anderem Dürreschäden erforscht, um die Auswirkungen von Klimaextremen vorherzusagen. Details zur Arbeit der Forschenden könnt ihr auf einem Expertenrundgang mit Prof. Dr. Dominik Seidel und Prof. Dr. Alexander Knohl [Georg-August-Universität Göttingen] erfahren!

Die Ausstellung führt durch verschiedene Themenbereiche, zeigt historische Perspektiven auf Klimaforschung, die “Funktion des Waldes” und modernste ‘Technologien. Über eine Virtual-Reality-Brille können unsere Besucher*innen hautnah Einblicke in die Arbeit der Wissenschaftler*innen erhalten. Das Tool führt direkt in die Forschungsstation im streng gesicherten Schutzgebiet des Nationalpark Hainich.

Vom Wissen zum Handeln!

“Digitaler Wald” lädt auch dazu ein, sich aktiv mit dem eigenen Handeln auseinanderzusetzen. Ein Teamspiel namens “Kipppunkt” ermöglicht es, spielerisch das Klima im Gleichgewicht zu halten und regt zum Nachdenken über die Klimakrise an. Verschiedene Initiativen bekommen in der Ausstellung Raum.

Workshops, Führungen und mehr…

Während der Laufzeit der Ausstellung wird unser Haus zum Treffpunkt für Diskussionen und Events zum Thema Nachhaltigkeit. Neben Führungen stehen weihnachtliche Upcycling-Workshops, ein Weihnachtsmarkt und eine Weihnachtsschmuck-Tauschbörse auf dem Programm. Das gesamte Rahmenprogramm gibt es auf unserer Webseite: www.forum-wissen.de

DIGITALER WALD
Eine Virtuelle Reise in die Klimaforschung
Sonderausstellung | Freiraum Forum Wissen
25.10.2023 – 04.02.2024

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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Farbenfroh und lebendig: die Algenkulturen

Ob grün, blau oder rot – die Algen und Cyanobakterien sind vor allem mikroskopisch klein und: sie leben. In verschiedenen Gläsern, schön temperiert, mit und ohne Tageslicht in der Sammlung von Algenkulturen der Uni Göttingen (SAG). Sie ist eine der weltweit größten und ältesten Sammlungen dieser Art.

Blick in die Sammlung von Algenkulturen der Universität Göttingen. Foto: Jan Vetter

Warum es sich lohnt, Algen zu sammeln

Wer weiß schon vom Landgang der Pflanzen? Vor Millionen Jahren begannen einige Algen, das Leben auf dem Land dem im Wasser vorzuziehen. Ein einmaliger Vorgang in der Erdgeschichte, der die Vielfalt unserer heutigen Pflanzenwelt einleitete. Um erklären zu können, was damals geschah, untersuchen Forscher*innen der Universität Göttingen zum Beispiel die Nachkommen jener Algen.

Petrischalen mit verschiedenen Algenkulturen für Forschung in aller Welt. Foto: Maike Lorenz

Dazu gehört auch die Alge Mesotaenium endlicherianum, die seit 25 Jahren in der Göttinger Sammlung lebt. Hier pflegt sie Maike Lorenz mit ihrem Team. „Wir haben Anfragen aus aller Welt, von Wissenschaftlerinnen oder Lehrern, Künstlern oder Architektinnen“, erklärt die Kustodin. Sie weiß, dass ihre Algen begehrt sind sowohl in der Klimaforschung als auch beim Mikroskopieren im Studium. Selbst Unternehmen, die mit Giftstoffen experimentieren, Häuser bauen oder nach alternativen Energien suchen, fragen an. Seit 1954 gibt es die Sammlung an der Uni Göttingen. Mittlerweile beherbergt sie rund 2.900 Algenkulturen aus aller Welt.

Stars der Sammlung

Dazu gehört natürlich die älteste Algenkultur, die Grünalge Chlorella vulgaris (SAG 211-11b). Sie wurde bereits 1889 aus einer Wasserprobe isoliert, also aus der Natur gewonnen – so auch die Blutregenalge oder korrekt gesagt: eine Kultur der Blutregenalge. „Sie stammt aus einem sauren Tümpel im Harz und ist seit 1959 hier bei uns“, so Lorenz.  Die Blutregenalge gehört auch zu den Grünalgen. Sie ist jedoch in der Lage, ihre Farbe zu wechseln: Wenn es in der Umwelt ungemütlich wird, nimmt sie dieses schöne Rot an. Hervorgerufen wird das durch den Farbstoff Astaxanthin. Das ist ein Carotinoid, das für Fische zum Beispiel sehr gesund ist und ihr Fleisch häufig lachsrot färbt.

Mikroskopische Aufnahme der Blutregenalge, Stamm SAG 192.80 Haematococcus pluvialis. Foto: Maike Lorenz

Algen im Forum Wissen

Wer sich die Blutregenalge einmal anschauen möchte, der kann dazu ins Forum Wissen gehen. Im Sammlungsschaufenster ist die mikroskopische Aufnahme zu sehen. “Wir können leider keine lebenden Organismen hier ins Schaufenster stellen,” erklärt die Algenexpertin. Denn die feuchten Nährmedien, mit denen sie die Algen am Leben hält, könnten andere, oft sehr empfindliche Objekte gefährden. Gute Nachbarschaft im Schaufenster geht daher vor! Aber auch die Bilder und Informationen erzählen viel über das Leben in der Sammlung. Wer mehr möchte, der kann darüber hinaus in die Räume “Schränke” und “Labor” gehen. Was es dort zu finden gibt, verraten wir jetzt nicht. Wünschen aber viel Freude beim Entdecken.

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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Die Pharmakognostische Sammlung – Einblicke in die Medizingeschichte

Das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen bietet Einblicke in die vielfältigen Sammlungen der Universität Göttingen. Zahlreiche Exponate der Sammlungen, die zu Forschungszwecken, als Anschauungsmaterial in der Lehre und wichtiges Material des ‚Wissen-Schaffens‘ gesammelt wurden, sind heute im Forum Wissen zu sehen. Darunter auch Exponate aus der Pharmakognostischen Sammlung. Doch was steckt hinter diesem komplexen Namen?

Foto: Anna Greger

Ein Schatz der Medizingeschichte: 8.500 Exponate

Dahinter steht ein Querschnitt der “materia medica” des 19. Jahrhunderts. So die historische Bezeichnung für Substanzen, die zu Heilzwecken verwendet wurden. Gemeint sind damit medizinisch wirksame Naturstoffe. Sie befinden sich in der Sammlung, die um 1836 durch den Göttinger Pharmazeuten Heinrich August Ludwig Wiggers wurde. Die Sammlung ist deutschlandweit vermutlich die älteste und umfangreichste Sammlung der Pharmakologie [auch „Arzneimittellehre“].
Zum Inventar der Sammlung gehören 8.500 Objekte, darunter größtenteils noch original verpackte Schachteln und Gläser, in denen sich unter anderem eine von Alexander von Humboldt (1769-1859) mitgebrachte Baumrinde aus Südamerika befindet. Im Sammlungsschaufenster ist außerdem in Glasgefäßen gelagertes sogenannter Walrat [auch Spermaceti] zu sehen, eine fett- und wachshaltige Substanz aus einem Organ von Pottwalen. Walrat wurde unter anderem zur Herstellung medizinischer Salben verwendet.

Vom Dachboden zurück in den Fokus der Wissenschaft: Neuentdeckung der Sammlung

Im Jahr 1935 wurde die Pharmazeutische Abteilung an der Universität Göttingen eingestellt. Die Objekte der Sammlung wurden in Kisten eingelagert und die Sammlung geriet schließlich in Vergessenheit. Auf dem Dachboden des Botanischen Instituts der Georg-August-Universität Göttingen lagerte in diversen Kisten über sechzig Jahre lang ein verborgener Schatz…
Schließlich wurde die Sammlung um das Jahr 2000 von Dr. Volker Wissemann auf dem Dachboden der Göttinger Botanik wiederentdeckt und wissenschaftlich aufbereitet.

Die Wiederentdeckung und Erforschung der Pharmakognostischen Sammlung ist von großem Wert für die Medizingeschichte und die Pharmazie. Sie vermittelt nicht nur ein lebendiges Bild des Wissens und der Arzneimittelpraxis vergangener Jahrhunderte, sondern auch die Bedeutung und Vielfalt der Naturstoffe, die in der Medizin eingesetzt wurden. Parallel zur Katalogisierung der Objekte wurde die Geschichte der Göttinger Sammlung nach ihrer Neuentdeckung rekonstruiert und natur- sowie kulturwissenschaftliche Studien an Teilbeständen durchgeführt. Auch heute noch sind die Objekte der Sammlung für die Medizin-, Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte interessant.

Noch mehr Wissen….

Mehr zur Pharmakognostischen Sammlung gibt es im Sammlungsführer der Universität Göttingen und hier: https://discovery.sub.uni-goettingen.de/id%7Bcolon%7D1024718816.

Prof. Dr. Volker Wissemann und Prof. Dr. Kärin Nickelsen haben einen besonderen Beitrag zur Wiederentdeckung und Erforschung dieser bedeutenden Sammlung geleistet. Ihre wissenschaftliche Perspektive auf die Pharmakognostische Sammlung aus Göttingen ist hier einsehbar: https://discovery.sub.uni-goettingen.de/id%7Bcolon%7D1018488782.

Foto: Anna Greger

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Forum Wissen Hinter den Kulissen

Was macht eigentlich…? – unsere Restauratorin

Von Materialeigenschaften über historischen Techniken bis zu Maßnahmen zur Schädlingsprophylaxe – in all diesen Bereichen kennt sich unsere Restauratorin Viola Tiltsch aus und lernt immer noch dazu, wie sie selbst sagt. Ihre Aufgabe ist es, die Objekte in der Ausstellung und in den Sammlungen der Zentralen Kustodie zu bewahren und zu schützen.

Einblick in die Werkstatt der Restauratorin.
Kleiner Einblick in die Restaurierungswerkstatt. Foto: Lena Heykes

Ein vielseitiger Beruf

Die Arbeit von Viola Tiltsch ist so vielseitig wie die Objekte, die im Forum Wissen zu sehen sind – von der Zentrifuge bis zur lebenden Alge. Aber was macht eine Restauratorin eigentlich genau? Die Antwort auf diese Frage ist komplex. Zu den drei grundlegenden Aufgaben gehören die präventive Konservierung, die Konservierung und die Restaurierung.

Präventive Konservierung

„Die präventive Konservierung umfasst vorbeugende Maßnahmen, um Schäden an Objekten durch äußere Einflüsse zu verhindern“, sagt Viola Tiltsch. „Die präventive Konservierung spielt eine große Rolle und ist unerlässlich für Sammlungen, die zum Teil auch  in der Lehre verwendet werden.“

Hierzu zählen Sauberkeit und Hygiene im Sammlungs- und Ausstellungsbereich. Außerdem der konservatorisch korrekte Umgang mit Objekten, die Verwendung von geeigneten Verpackungs- und Lagerungsmaterialien in Vitrinen, Depots und beim Transport, um Wechselwirkungen zu vermeiden. Hinzukommt die Überwachung von Klima, Licht, Staubbelastung und Museumsschädlingen.

Dazu zählt der Aufbau von Monitoringsystemen für das Klima, also Raumlufttemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit. Außerdem werden regelmäßig Insektenfallen im Gebäude aufgestellt und überprüft. Alle drei Monate macht sich unsere Restauratorin mit Unterstützung einer studentischen Hilfskraft auf den Weg in die Dauerausstellung, um die Insektenfallen zu überprüfen.

Im Forum Wissen sind ganz unterschiedliche Insektenfallen im Einsatz – meist gut versteckt, damit sie den Besucher*innen gar nicht auffallen. Es gibt einfache Klebefallen, die mit Rosinenduft als Lockstoff ausgestattet sind, und Photolumineszenz-Fallen, die tagsüber Sonnenlicht sammeln und in der Dunkelheit leuchten, um Insekten anzulocken.

Insekt unter dem Mikroskop der Restauratorin.
Larve eines Wollkrautblütenkäfer unter dem Mikroskop. Foto: Viola Tiltsch

Der Anblick der festgeklebten Tiere ist manchmal unangenehm, doch unter dem Mikroskop faszinierend. Neben den üblichen Verdächtigen , wie Spinnen und Fliegen, liegt das Hauptaugenmerk auf möglichen Museumsschädlingen. Die winzigen Wesen sind in der Lage, Objekte aus der Ausstellung ernsthaft zu beschädigen, indem sie sich z. B. von den Materialien ernähren. Zu erkennen ist dies z. B. durch Fraßspuren und Ausflugslöcher.

Natürlich versucht unsere Restauratorin alles, damit Museumsschädlinge gar nicht erst ins Gebäude kommen. Daher wurde und wird jedes Objekt, das in das Museum kommt, zuvor bis zu sechs Wochen in einer Stickstoffkammer behandelt. Darin sterben jegliche Schädlinge, die zuvor am Objekt oder im Verpackungsmaterial des Objektes versteckt waren.

Konservierung und Restaurierung

Eine weitere wichtige Aufgabe von Viola Tiltsch ist die Konservierung. Hier geht es vor allem um die Erhaltung von Objekten und darum, Schäden zu verhindern oder zu minimieren. Dazu zählt auch die Reinigung von Exponaten – ein wichtiger Schritt, um die Objekte in einem gepflegten Zustand zu präsentieren. Die Reinigung ist auch deshalb so wichtig, da Staub zusammen mit Feuchtigkeit schnell Schimmel bilden und dieser die Ausstellungsstücke dann angreifen kann.

Die Planung und Umsetzung von Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen und die damit verbundene praktische Arbeit mit den Objekten machen unserer Restauratorin am meisten Freude. „Der Umgang mit den verschiedenen Objekten erfordert viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Jedes Objekt ist anders, und nicht jede Oberfläche reagiert gleich auf Behandlungen. Besonders spannend sind Kompositobjekte, bei denen verschiedene Materialien aufeinandertreffen“, sagt sie.

Objekte die von der Restauratorin bearbeitet werden.
Kompositobjekte: Blumenmodelle bestehend aus Holz, Pflanzenfaser, Gips, z.T. Textil, Metall und Farbe.
Foto: Lena Heykes

Zur Konservierung und Restaurierung zählt allerdings auch ein ordentlicher Batzen Papierkram. Die Objekte müssen in ihrem Zustand schriftlich und fotografisch dokumentiert werden, Beschädigungen vermerkt, und durchgeführte Maßnahmen sowie die verwendeten Materialien in einem Protokoll festgehalten werden.

Gegenwärtige Aufgaben in der Restaurierungswerkstatt

Aktuell wird in der Werkstatt der Restauratorin neben den beschädigten Objekten aus der Ausstellung vor allem an den botanischen Nasspräparaten gearbeitet, die nun nach und nach in das Depot im Forum Wissen einziehen. Hierbei handelt es sich um Pflanzen, die in Glasgefäßen mit Ethanol oder Formaldehyd konserviert wurden. Letzteres ist sogar krebserregend.

Um sich vor den Gefahren des Formaldehyds zu schützen, sind strenge Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Bei der Reinigung der Glasgefäße muss unsere Restauratorin Handschuhe, Masken und Kittel tragen. Die Arbeit erfolgt unter einem Abzug, der die giftigen Dämpfe direkt absaugt und somit die Atemwege der Restauratorin schützt. Die Arbeit mit gefährlichen Stoffen gehört nicht unbedingt zu den Aufgaben, die unsere Restauratorin am liebsten macht: „Besonders anspruchsvoll wird es, wenn an stark schadstoffbelasteten Objekten gearbeitet werden muss. Der Eigenschutz ist dabei von größter Bedeutung, und das Tragen von Schutzanzügen kann sehr unangenehm sein, da es sehr warm werden kann.“

Botanisches Nasspräperat das in der Werkstatt der Restauratorin gereinigt wird.
Reinigung eines botanischen Nasspräparats. Foto: Lena Heykes

Eine Welt voller Vielfalt und Herausforderungen

Trotz der Herausforderungen, die der Beruf der Restauratorin mit sich bringt, bleibt ihre Motivation unerschütterlich.

Viola Tiltsch ist „fasziniert von authentischen Oberflächen mit Spuren der Vergangenheit sowie der vergangenen Handwerkskunst“. Nicht nur den Objekten mit hohen monetären Werten sollte Beachtung geschenkt werden, findet die Restauratorin. Auch die Objekte der Alltagskultur sind von Bedeutung und ziehen eine Brücke in die Vergangenheit. Restaurator *innen schaffen es, dass durch ihr Fachwissen und der Arbeit mit ihren Händen, Objekten eine größere Bedeutung eingeräumt wird.

Die Leidenschaft von Viola Tiltsch und in ihrem Engagement trägt dazu bei, dass unser kulturelles Erbe in sicheren Händen ist.

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Forum Wissen Sammlungsschaufenster

Biodiversität: Vielfalt in Gefahr

Die zoologische Sammlung des Biodiversitätsmuseums geht bis auf die Anfänge des Königlich Akademischen Museums Göttingen 1773 zurück. Sie besitzt mittlerweile über 100.000 Objekte. Damit ist sie eine der größten Sammlungen der Universität Göttingen. Im Forum Wissen soll im zweiten Obergeschoss eine eigene Ausstellung entstehen, in der die Sammlung umfangreich entdeckt werden kann. Da die Vorbereitung und der Aufbau noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, gibt es im Sammlungsschaufenster bereits einen kleinen Einblick in die Biodiversität der Tiere.

Schmetterlinge und Falter aus der zoologischen Sammlung. Foto: Uni Göttingen

Was ist eigentlich Biodiversität?

Mit dem im ersten Moment vielleicht etwas hochgestochenen Begriff „Biodiversität“ sind alle lebenden Organismen (wie zum Beispiel Tiere, Pflanzen, Einzeller und Bakterien) und ihre Interaktionen gemeint. Diese Organismen leben zusammen in komplexen Ökosystemen, Lebensgemeinschaften, die natürlich auch von der nicht belebten Umwelt beeinflusst werden. Diese Ökosysteme können sich ändern und anpassen. Es sind vor allem wir Menschen, die durch unsere Einflüsse auf die Umwelt (beispielsweise durch Plastikmüll, Abgase oder Giftstoffe) die Ökosysteme drastisch verändern. Das kann so weit gehen, dass sich die Systeme nicht mehr anpassen können und schließlich verschwinden. So gibt es zum Beispiel den Verlust vieler Korallenriffe oder Regenwaldbereiche zu verzeichnen. Wesentlicher Grund dafür ist die veränderte Land- und Meernutzung durch den Menschen. Mit den Ökosystemen verschwinden auch die von ihnen beheimateten Arten. Wissenschaftler*innen wie die Professorin Maria Teresa Aguado, die auch Leiterin und Kuratorin des Biodiversitätsmuseums ist, sprechen bereits vom sechsten großen Massenaussterben der Arten, das man als solches bezeichnen könnte.

Buntwaran aus der zoologischen Sammlung. Foto: Uni Göttingen

Was sagen uns die Objekte im Schaufenster?

Umso wichtiger ist es also, die Arten zu sehen, zu verstehen und zu schützen. Das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen zeigt ganz unten für alle gut sichtbar einen Kasten mit Schmetterlingen und Faltern aus verschiedenen Regionen der Welt. Sie sind sehr fragil und dennoch beeindruckende Wesen, die in ihrer Entwicklung eine Metamorphose durchlaufen. Sie verändern dabei ihre Lebensweise und Gestalt komplett von einer einfachen Raupe hin zum schönen Schmetterling. Diese Metamorphose und Anpassungsfähigkeit können wir als Metapher sehen, dass auch wir etwas verändern können.

Eine Ebene höher können wir einen Buntwaran entdecken. Ein Reptil, das ähnlich wie Schlangen mit seiner gespaltenen Zunge riechen kann. Geschöpfe seiner Art sind auch vom Aussterben bedroht, daher wurde das Tier so lebensecht wie möglich präpariert. Sein Aussehen soll uns dazu bringen, stehen zu bleiben und in uns den Wunsch zu entwickeln, den Buntwaran und seine Verwandten zu schützen.

Wie Biolog*innen mit den Objekten der Sammlung arbeiten, können und sollen uns die Schädel von Wildkatzen zeigen. Die vier Köpfe stammen von einem Löwen, einem Leoparden, einem Lux und einer Goldkatze. Sie können als nah verwandte, katzenartige Tiere gut miteinander verglichen werden. Die Wissenschaftler*innen untersuchen die unterschiedlichen Schädelgrößen, die Zähne, aber auch die Hohlräume zwischen Schädelknochen und Wangenknochen, die Platz für große Kiefermuskeln bieten. Dies ist ein notwendiges Utensil gerade bei Wildkatzen, die ihre Beute selbst jagen und genug Kieferkraft aufbringen müssen, um auch Knochen brechen zu können.

Ganz oben im Regal können wir Nasspräparate von Tieren entdecken. Darunter sind allgemein bekannte Arten wie der Seestern oder ein Seepferdchen. Aber auch eher unbekannte Tiere wie das Moostierchen Electra pilosa. Sie leben in Kolonien meistens auf Korallen oder Algen. Arten wie diese sollen uns verdeutlichen, dass wir eigentlich nur 10 bis 20 Prozent der Biodiversität kennen. Die meisten lebenden Organismen sind unbekannt. Es fällt uns gar nicht auf, wenn diese aussterben. Aber auch ein Großteil der weithin bekannten Arten derzeit vom Aussterben bedroht.

Moostierchen aus der zoologischen Sammlung. Foto: Uni Göttingen

Wie machen wir auf das Thema aufmerksam?

Die Biolog*innen der Universität Göttingen bieten unter anderem Kurse zur Wissenschaftskommunikation an. Dabei können Student*innen Projekte entwickeln, komplexe Themen wie Biodiversität bearbeiten und für Besucher*innen verständlich machen. Auch zum Wal, der im Atrium des Forum Wissen hängt, gab es verschiedene Projekte. Eines davon ist ein Buch, das mit Bildern aus der Aktion „Mal den Wal“ entstanden ist und Leser*innen die Welt der Wale näherbringen soll.

Und wie können wir die Biodiversität und all das Leben um uns herum schützen? Zuerst sollten wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass die Biodiversität in Gefahr ist. Die Objekte unterstützen uns dabei. Sie zeigen die Vielfalt und welche Bereiche in Gefahr sind. Danach können wir anfangen, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu handeln.

Studierendenprojekt zur Wissenschaftskommunikation. Foto: Lena Heykes