Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster Uncategorized

Ein Blick in die Sammlung Mathematischer Modelle der Uni Göttingen

Abstrakte Formen, glatte Oberflächen, klare Linien – die Objekte aus der Sammlung mathematischer Modelle und Instrumente der Universität Göttingen erinnern ein bisschen an moderne Kunst. Doch hinter ihrer ästhetischen Erscheinung verbirgt sich ein tieferer Sinn: die Veranschaulichung komplexer mathematischer Konzepte. Die Modelle machen Mathematik begreifbar. Verwendet wurden Sie im Unterricht beispielweise im Bereich der Geometrie und der angewandten Mathematik.
Die Sammlung mathematischer Modelle der Universität Göttingen ist heute nicht nur eine der bedeutendsten in Deutschland, sondern auch die umfangreichste. Ihre Geschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert, in die Zeit bedeutender Mathematiker wie Carl Friedrich Gauß (1777-1855) und Alfred Clebsch (1833–1872).

Objekt aus der mathematischen Sammlung der Uni Göttingen
Stangenmodell eines beweglichen einschaligen Hyperboloid, Hermann Wiener, 1912

Historische Wurzeln und Entwicklungen

Zu Lebzeiten von Carl Friedrich Gauß (1777-1855), einem der herausragendsten Mathematiker seiner Zeit, gründete die Hannoversche Regierung das Mathematisch-physikalische Seminar in Göttingen. Daraus entstand 1922 das heutige Mathematische Institut.

Die Gründung des Instituts war der Beginn der Göttinger Sammlung Mathematischer Modelle und Instrumente. Hermann Amandus Schwarz (1843–1921) gilt als Gründer der Sammlung. Er und seine Zeitgenossen ließen Instrumente und Modelle für ihre Forschung anfertigen, die später  in die Sammlung eingingen. Im Zentrum der Sammlung stehen geometrische Modelle aus verschiedenen Materialien wie Gips, Holz, Karton und Metall. Besonders faszinierend sind die Hyperboloid-Modelle, die durch ihre einzigartige Form hervorstechen. Die Modelle wurden zur Veranschaulichung von Flächen und anderen mathematischen Objekten konstruiert. Viele wurden serienmäßig hergestellt und auch von anderen Universitäten zu Unterrichtszwecken erworben.

Mathematik zum Anfassen!

Die Objekte der Göttinger Sammlung bieten einen faszinierenden Einblick in die Mathematik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Von Kartonpolyedern, also dreidimensionalen Körpern mit ebenen Flächen, aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu Rechenmaschinen und Zeichengeräten dokumentieren die Objekte der Sammlung die Entwicklung der Mathematik an der Universität Göttingen. Die meisten davon stammen aus der Zeit zwischen 1870 und 1920 und geben einen guten Einblick in die Mathematik aus dieser Zeit, in der sich die Universität Göttingen zu einem der bedeutendsten mathematischen Zentren in Deutschland Entwickelte.

Einschaliges Hyperboloid aus der mathematischen Sammlung der Uni Göttingen
Einschaliges Hyperboloid und konfokales zweischaliges Hyperboloid aus Gips, um 1900

Ein Schaufenster in die Geschichte der Mathematik im Forum Wissen

Im Sammlungsschaufenster sind verschiedene Hyperboloid Modelle ausgestellt. Das Wort „Hyperboloid“ bedeutet, dass die Fläche aus einer Hyperbel entsteht, die man um eine senkrechte Achse dreht. Dabei handelt es sich also um den Rotationskörper einer Hyperbel. In der Geometrie ist die Hyperbel stark vereinfacht erklärt eine spezielle Kurve, die aus zwei zueinander symmetrischen, sich ins Unendliche erstreckenden Ästen besteht. Das Hyperboloid Modell sieht aus wie ein in sich verdrehter Zylinder, es gibt ein- und zweischalige Hyperboloid, die durch verschiedene Gleichungen gebildet werden. Typisch für diese geometrische Form in der Mathematik sind die Bögen, die am linken und rechten Rand der Figur zu erkennen sind, sowie ihre Taille.

Die Sammlung mathematischer Modelle der Universität Göttingen ist heute auch ein wertvolles Zeugnis der wissenschaftlichen Forschung und Lehre aus verschiedenen Epochen. Durch ihre Vielfalt und historische Bedeutung bietet die Sammlung die Möglichkeit, mathematische Entwicklungen und Innovationen vergangener Zeiten zu erkunden. Heute sind die mathematischen Modelle vor allem auch wissenschaftshistorisch von großem Interesse.

Objekt aus der Sammlung mathematischer Modelle und Instrumente
Modell eines Hyperboloid-Getriebes

Mehr aus dem Sammlungsschaufenster gibt es auf unserem Blog!

Categories
Forum Wissen Sammlung Uncategorized

Waldstillleben mit Reptilien und Insekten

Alles andere als „tot“

Der französische Ausdruck für Stillleben ist „Nature morte“, wörtlich übersetzt: Tote Natur. Das Waldstillleben des niederländischen Malers Otto Marseus van Schrieck (1619-1678) ist jedoch alles andere als „tot“: Es kreucht und fleucht auf dem Waldboden, wo sich Reptilien und Insekten tummeln. Das Besondere daran: Die dargestellten Tiere und Pflanzen sind bis ins Detail naturgetreu ausgearbeitet.

Sommerliche Tierwelt

Die Verhaltensweisen der Tiere sind aber unnatürlich: Schlangen machen naturgemäß keine Jagd auf Schmetterlinge. Marseus muss das gewusst haben. Er soll sowohl hinter seinem Haus als auch außerhalb Amsterdams in umschlossenen Gehegen Schlangen und andere Tiere gehalten haben, die ihm als Modelle seiner Gemälde dienten. Auch habe er Insekten und anderen Kleintieren eifrig nachgespürt. Tatsächlich zeigt das Bild eine Tierwelt, wie man sie in dieser Zusammenstellung im Monat August begegnet.

Wenn Kunst die Natur übertrifft

„Es steckt bestimmt auch hier die Idee jeden Stilllebens drin, dass die Kunst die Natur zu übertreffen vermag“, sagt Anne-Katrin Sors, Leiterin der Kunstsammlung der Universität Göttingen, aus der das Gemälde stammt. „Weil die Kunst imstande ist – vor der Zeit der beheizten Gewächshäuser – z.B. einen alle Jahreszeiten umfassenden Blumenstrauß zu kombinieren und zu malen.“

Wie der Künstler sein Werk schuf

Interessant ist auch die Technik, die Marseus anwandte. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Flügel der Schmetterlinge nicht gemalt, sondern im Abklatschverfahren hergestellt sind: Auf die in hellen Farben gehaltenen Schmetterlingssilhouetten sind die jeweiligen Flügelteile aufgelegt und vorsichtig angedrückt worden, so dass beim Entfernen die Schuppen in der feuchten Paste hafteten. Lediglich Fehlstellen und Adern wurden mit dem Pinsel nachgearbeitet.

Für die Struktur des Bodens stempelte der Maler einen Moosabdruck in die Farbe. Auch zumindest eines der Fliegenbeine ist nicht gemalt, sondern in die Paste eingelegt.

In diesem Schaukasten sind die Schmetterlingsarten zu sehen, die sich auch im Gemälde finden lassen.

Kein „Phantast mit realistischen Mitteln“

Marseus zielt in der Wiedergabe des Lebensraums Waldboden auf höchste Naturtreue, er kombiniert nicht Tiere nach seinem Belieben. Dies weist auf Marseus‘ wissenschaftliches Interesse an den dargestellten Wesen hin. Damit ist er nicht der „Phantast mit realistischen Mitteln“, als der er lange Zeit in der Kunstgeschichte galt.

Das Gemälde „Waldbodenstilleben“ ist nun im Raum „Feld“ in den Räumen des Wissens zu sehen.

Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Entdeckungsreise durch die Schätze der Erde

Die Geowissenschaftlichen Sammlungen der Universität Göttingen umfassen mehr als vier Millionen Objekte aus den Bereichen Paläontologie, Mineralogie, Geologie und Meteoritenkunde. Die vier Themenbereiche werden auch im Sammlungsschaufenster des Forum Wissens präsentiert. Die Objekte verdeutlichen uns, dass in der Geologie nicht einfach nur von „Steinen“ die Rede ist. Einer der Schwerpunkte der Sammlungen sind geowissenschaftliche Funde aus Niedersachsen. Eines der Ziele der Sammlungen ist es, die Geologie, Mineralogie und Erdgeschichte Niedersachsens zu dokumentieren und zu erforschen.

Ammonit der Gattung Arietites, eine ausgestorbene Art der Kopffüßer aus Eisenerzgrube Friederike (Harz). Geowissenschaftliche Sammlungen der Uni Göttingen.
Ammonit der Gattung Arietites, eine ausgestorbene Art der Kopffüßer aus der Eisenerzgrube Friederike (Harz). Foto: Martin Liebetruth

Steinerne Chroniken der Erdgeschichte

Blicken wir tiefer in die Welt der Geowissenschaftlichen Sammlungen, die durch die Objekte Arietites, Bändererz, Calcit und Meteorit repräsentiert werden: Jedes dieser Exponate erzählt eine eigene Geschichte, sei es die erdgeschichtliche Reise des Arietites oder die mineralogische Vielfalt des Calcits. Auch die bedeutende Rolle des Meteoriten in der Entstehung des Sonnensystems wird aufgegriffen.

Der Ammonit der Gattung Arietites ist ein Zeitzeuge des unterjurassischen Sinemurium. Ein Erdzeitalter, in dem das heutige Niedersachsen von einem Meer bedeckt und von marinen Sedimenten geprägt war. Der Ammonit, den wir ganz oben im Sammlungsschaufenster entdecken können, stammt aus der Eisenerzgrube Friederike im Harz, einem Ort von besonderer Bedeutung für die Paläontologie. Diese Grube, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Abbau begann und erst 1963 beendete, ist ein einzigartiges Fenster in die geologische Vergangenheit. Sie brachte eine Vielzahl von Fossilien hervor, darunter das hier gezeigte Exemplar.

Das Bändererz hingegen gewährt uns einen Blick in die Geschichte der Harzfaltung. Die Bad Grunder Erzgänge, die sich während der Harzfaltung bildeten, bieten einen Blick in die Zeit vom späten Oberkarbon bis ins untere Perm. Das Bändererz zeigt euch die mineralogische Vielfalt dieses Blei-Zink-Bergwerks. Auch die Verbindung zwischen geologischen Prozessen und den mineralischen Schätzen, die sich im Laufe der Zeit geformt haben, werden an diesem Objekt deutlich.

Bändererz aus dem ehemaligen Blei-Zink-Bergwerk Grund, Bad Grund (Harz) aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der Uni Göttingen.
Bändererz aus dem ehemaligen Blei-Zink-Bergwerk Grund, Bad Grund (Harz). Foto: Lena Heykes

Kosmische Relikte und Bergbaujuwelen

Der Campo del Cielo-Meteorit ist ein außergewöhnliches Objekt. Es ermöglicht uns, die ältesten verfügbaren Materialien unseres Planeten zu betrachten. Dank ihm können wir tiefer in die Entstehungsgeschichte des gesamten Sonnensystems blicken. Meteorite sind in den Geowissenschaften von unschätzbarem Wert, da sie wichtige Informationen über die Zusammensetzung und Entwicklung unseres Planeten liefern. Der Campo del Cielo-Meteorit dient nicht nur als Ausstellungsstück im Sammlungsschaufenster, sondern auch als unverzichtbares Werkzeug in der geologischen Forschung. Er bietet Einblicke in die kosmischen Prozesse, die vor Milliarden von Jahren unsere heutige Welt geprägt haben.

Das unterste geologische Objekt aus dem Sammlungsschaufenster ist ein Calcit aus dem St. Andreasberger Erzrevier. Die vielfältigen Formen dieses Minerals repräsentieren die Schönheit und Vielseitigkeit der Minerale dieser Region. Die im Bergbau gewonnenen Calcitstufen waren nicht nur im 18. Jahrhundert begehrte Sammelobjekte, sondern sind auch heute noch Zeugnisse der einstigen Bedeutung dieses Bergwerks.

Der Campo del Cielo-Meteoirt besteht fast ausschließlich aus den Elementen Eisen und Nickel. Aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der Uni Göttingen.
Der Campo del Cielo-Meteoirt besteht fast ausschließlich aus den Elementen Eisen und Nickel. Foto: Lena Heykes

Ein Blick in die lebendige Welt der Geowissenschaflichen Sammlungen

Die Sammlungen des Geowissenschaftlichen Museums bieten die Grundlage für eine beeindruckende Ausstellung. Sie sind aber auch eine zentrale Ressource für Forscher*innen und Student*innen – nicht nur an der Uni Göttingen.

In den Geowissenschaftlichen Sammlungen dienen die Objekte als entscheidende Schlüssel zur geowissenschaftlichen Forschung. Ein Netzwerk von lokalen, nationalen und internationalen Wissenschaftler*innen greift auf diese reichhaltigen Sammlungen zurück, um aktuelle und vielschichtige Forschungsfragen zu beantworten. Die enge Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Institutionen und Industriepartnern ermöglicht interdisziplinäre Forschungsansätze. Aktuelle Projekte reichen von der Untersuchung der geologischen Struktur lokaler Lagerstätten bis hin zur Erforschung globaler geowissenschaftlicher Phänomene.

Student*innen haben die außergewöhnliche Möglichkeit, die Geowissenschaftlichen Sammlungen als lehrreiches Instrument zu nutzen. Bestimmungskurse, die Untersuchung einzelner Objekte und die nahtlose Integration der Sammlung in den Lehrplan schaffen einen praxisnahen Zugang zu den Geowissenschaften. Die Studierenden erhalten nicht nur theoretisches Wissen, sondern können auch direkt mit den Schätzen der Erde arbeiten. Dies ermöglicht einen ganzheitlichen und tieferen Einblick in die geowissenschaftlichen Zusammenhänge und fördert ein lebendiges Verständnis für die Materie.

Calcit aus dem St. Andreasberger Erzrevier (Harz), aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der Uni Göttingen.
Calcit aus dem St. Andreasberger Erzrevier (Harz). Foto: Lena Heykes

Geopark und Museum am Nordcampus

Das Geowissenschaftliche Museum und der Geopark bilden eine Einheit, die unter anderem die Geologie, Mineralogie und Erdgeschichte Niedersachsens in den Mittelpunkt stellt. Hier wird nicht nur rein Geologisches, sondern auch der ständige Austausch zwischen Mensch und Umwelt untersucht. Der Geopark dient als lebendige Plattform, die tiefe Einblicke in die geowissenschaftliche Vergangenheit der Region ermöglicht. Gleichzeitig wird die Verbindung zwischen geologischen Prozessen und menschlicher Geschichte verdeutlicht.

Das Geowissenschaftliche Museum der Universität Göttingen bietet euch einen Blick in die Vergangenheit und ist auch eine lebendige Ressource für die aktuelle Forschung. Die Vielfalt der Sammlungen, die enge Verbindung zur Lehre und Forschung sowie die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen machen das Museum zu einem unverzichtbaren Ort für alle, die die Geheimnisse der Geowissenschaften, insbesondere Niedersachsens, erkunden möchten. Besucher*innen sind herzlich eingeladen, sich auf eine faszinierende Reise durch die geologischen Schätze zu begeben und die spannenden Geschichten hinter den Objekten zu entdecken.

Categories
Sammlung

100 und mehr: die Göttinger Sammlungen

Eine Ausstellung, eine Datenbank, ein Raum – für alle gemeinsam. Mittlerweile gibt es das und trotzdem treffen sie sich noch, die Kustod*innen aus den Sammlungen der Uni Göttingen. Nun schon zum einhundertsten Mal.

100. Forum in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen

Angefangen hat es 2009: Damals wollte sich die wissenschaftliche Kommission Niedersachsens (sie berät die Landesregierung) ein Bild von den akademischen Sammlungen machen. Ihr Weg führte sie daher auch nach Göttingen. „Wir hatten damals kaum Kontakt untereinander. Umso überraschender war es daher für uns zu merken: Wir haben die gleichen Interessen, die gleichen Bedürfnisse, auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Fächern kommen“, beschreibt Daniel Graepler die Situation. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Objekte von drei archäologischen Sammlungen. Er ist einer von rund 40 Kustod*innen an der Uni Göttingen.

Die Ausstellung

Sie setzen sich dafür ein, dass Münzen, Musikinstrumente oder mathematische Modelle artgerecht untergebracht sind und gepflegt werden. Immerhin wollen Forscher*innen und Student*innen sie nutzen, und auch Besucher*innen ihre Freude daran haben. Das war unter anderem 2012 der Fall: Zum 275-jährigen Jubiläum der Uni Göttingen luden die Kustod*innen zur Ausstellung „Dinge des Wissens“ in die Göttinger Paulinerkirche ein. Ein voller Erfolg! Über Zehntausend kamen damals. Viele von ihnen staunten über die Vielfalt der Objekte und die ungewöhnliche Welt des Sammelns, Ordnens und Erkennens.

Mathematische Modelle und Algenkulturen: die Kustodinnen Ina Kersten und Maike Lorenz

„Von der ersten Idee bis zu den Führungen oder dem Abbau der Ausstellung, wir haben damals alles gemeinsam organisiert und umgesetzt“, sagt Graepler immer noch stolz. Doch er und seine Mitstreiter merkten auch schnell, was fehlte: eine gemeinsame Plattform, in der alle Objekte beschrieben und auffindbar sind.

Das Sammlungsportal

Mit den Kolleg*innen vom Bibliotheksverbund, der Zentralen Kustodie und der Staats- und Universitätsbibliothek der Uni Göttingen haben sie daher begonnen, eine Datenbank aufzubauen – das Sammlungsportal. Aktuell verzeichnet es über 80.000 Objekte aus den Göttinger Sammlungen. Jeder kann darauf zugreifen, egal wo er oder sie sich befindet. „Das Portal war eine Antwort auf die Frage, wie wir Ressourcen besser und vor allem gemeinsam nutzen können“, erklärt der Kustos. Denn von sanierungsbedürftigen Räumen über die Restaurierung von Objekten bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – der Bedarf ist in den meisten Sammlungen gleich. „Er wird auch eher größer, ohne dass wir mehr Leute werden“, so Graepler. Daher war er froh, als 2012 die Zentrale Kustodie an der Uni Göttingen ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Kustod*innen in all diesen Anliegen zu unterstützen. Zumal die meisten von ihnen hauptberuflich in Forschung und Lehre unterwegs sind, die Pflege der Sammlungen daher überwiegend freiwillig ist.

Im Austausch – mit Daniel Graepler (steht) und Karsten Heck von der Zentralen Kustodie

Der gemeinsame Raum

Und obwohl die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist – zu unterschiedlich sind manchmal die Vorstellungen davon, was wie gemeinsam genutzt werden kann – ein Ergebnis fällt auf: das Forum Wissen. „Seit den 1980er-Jahren gab es die Idee eines gemeinsamen Raumes, eine Art Schaufenster unserer Sammlungen“, so Graepler. Im 2022 eröffneten Wissensmuseum ist die Idee nun verwirklicht: Hier sind Objekte aus den Sammlungen der Uni Göttingen öffentlich ausgestellt. Ob Reagenzglas, Schublade oder Fossil – mit ihnen lässt sich zeigen, wie Wissen entsteht.

Ryoto Akiyama (Musikinstrumentensammlung) mit seinem selbst gebackenen, diatonisch geschnittenen Kuchen

Ein besonderer Reiz dabei: Die Objekte kommen wie die Kustod*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Dadurch wechseln die Perspektiven und Geschichten. Langweilig wird es nicht.

Lust auf mehr

Das motiviert auch zu gemeinsamen Aktionen wie dem Tag der offenen Sammlung, der Vortragsreihe „Sachverstand“ oder den Sonntagsspaziergängen. Jeden Sonntag öffnen das Geowissenschaftliche Museum, die Kunstsammlung und die Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihre Türen für Besucher*innen. “Das ist möglich, weil wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen”, so Graepler, der auch Sprecher der Kustod*innen ist. Alle sechs Wochen kommen sie in einer ihrer Sammlungen zusammen, reden darüber, wo ihnen der Schuh drückt, entwickeln Visionen und – schauen sich natürlich auch Objekte an. „Egal ob die Kunsthistorikerin von ihren Bildern erzählt oder der Informatiker von seinen Rechnern, es hören trotzdem alle zu.“ Das ist für Graepler faszinierend und bestärkt offenbar nicht nur ihn, das Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen.

Fotos vom 100. Sammlungstreffen: Martin Liebetruth

Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Die Geburtsmedizin im Wandel der Zeit

Im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen spiegelt sich die Geschichte der Geburtsmedizin. Die Sammlung an der Uni Göttingen ist geprägt von vielseitigen Entwicklungen, ethischen Dilemmata und innovativen Persönlichkeiten. Ihre etwa 1.200 Objekte aus dem 18. und 19. Jahrhundert bieten heute spannende Einblicke in die Anfänge der vermutlich weltweit ersten akademischen Geburtsklinik.

Geburtstagebücher von F. B. Osiander aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Geburtstagebücher von F. B. Osiander aus dem frühen 19. Jahrhundert. Foto: Lena Heykes

Die Gelehrten Friedrich Benjamin Osiander, ein Verfechter der Geburtszange, und Eduard von Siebold, der frühzeitig Anästhesie einsetzte, waren im 18. und 19. Jahrhundert wegweisend für die Entwicklung der Geburtshilfe. Ihre unterschiedlichen Ansätze spiegeln sich in den historischen Praktiken wider. Die Sammlung, die die beiden Geburtshelfer maßgeblich aufgebaut haben, umfasst Instrumente, Modelle, Präparate und Geburtsprotokolle aus Forschung und Lehre. Die Objekte ermöglichen eine historische Reise durch die Entwicklung der Geburtshilfe.

Die Geburtsmedizin im Fokus

In der Göttinger Geburtsklinik wurden anfänglich vor allem gesellschaftlich stigmatisierte uneheliche Schwangere versorgt. Starben sie in der Schwangerschaft oder im Kindbett, konnten ihre Körper für Präparate „genutzt“ werden. Gelehrte wie Osiander setzten diese für die eigene Forschung und zur Veranschaulichung im Unterricht ein.

Objekte wie die Geburtszange stellen einen Meilenstein in der Geburtshilfe dar. Studenten übten ab etwa 1800 den Einsatz der Zange, die den Geburtsvorgang beschleunigen konnte. Dabei nutzten sie einen Lederball als Phantom.  Geburtstagebücher, von Friedrich Benjamin Osiander verfasst, geben Einblicke in die Situation der ledigen, armen Schwangeren. Die Frauen dienten der Ausbildung von Medizinstudenten und Hebammen.

Geburtszange und Lederball. Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin.
Geburtszange und Lederball. Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin. Foto: Lena Heykes

Entwicklung von Geburtspraktiken

Die Entwicklung von hygienischen Standards in Folge eines besseren Verständnisses für die Bedeutung von Asepsis (Keimfreiheit) und Antisepsis (Vernichtung von Krankheitskeimen) markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Geschichte der Geburtshilfe. Ignaz Philipp Semmelweis erkannte im 19. Jahrhundert die Bedeutung des Händewaschens mit einer Chlorkalklösung in dafür vorgehaltenen Waschschalen. Zuvor war die Sterberate von Müttern durch Kindbettfieber gerade in den Abteilungen mit ärztlichen Geburtshelfern sehr hoch gewesen.

Die Geburtszange wurde allmählich von schonenderen Instrumenten wie der Saugglocke abgelöst. Auch manch ein ethischer Konflikt verschwand mit der Zeit. Als der Kaiserschnitt noch hochriskant war, war das Leben von Frau und Kind in größter Gefahr, wenn das Kind nicht geboren werden konnte. Das Embryotomie-Besteck enthält Werkzeuge zur Zerstückelung des Ungeborenen und wurde in solchen Situationen eingesetzt, um zumindest das Leben der Frau zu retten.

Verschiedene Werkzeuge eines Embrytomie-Bestecks.
Verschiedene Werkzeuge eines Embrytomie-Bestecks. Foto: Lena Heykes

Weitere Objekte zur Geschichte der Geburtsmedizin

In der Sammlung zur Geschichte der Geburtsmedizin gab es Modelle, an denen Medizinstudenten und Hebammen die gynäkologische Untersuchung üben konnte. Ein Modell von Osiander bestand aus einem Präparat eines weiblichen Beckens, war mit Draht umwickelt und mit Leder überzogen. Nachbildungen des Muttermunds in den verschiedenen Stadien der Schwangerschaft konnten eingelegt werden. Sie bestanden aus Materialien wie Ton, Seife, elastischem Harz oder sogar Bernstein. Solche „Phantome“ ermöglichten den Studierenden und Hebammen ein taktiles Erleben und Üben. Sie konnten fühlend den Fortschritt einer Geburt und die Größe der Öffnung des Muttermunds feststellen.

Verbindung zur modernen Geburtshilfe

Die Sammlung ist heute Anziehungspunkt für Hebammenschüler*innen, Historiker*innen und Kulturwissenschaftler*innen. Die Sammlung wird aktiv für Forschungsprojekte genutzt, insbesondere für Erkenntnisse über die Akademisierung und Technisierung der Geburtshilfe und die gesellschaftliche Lage von unehelichen Schwangeren. Die Verbindung von Objekten und Geburtsprotokollen ermöglicht tiefe Einblicke in die historische Geburtshilfe.

Die Sammlung zur Geschichte der Geburtshilfe in Göttingen ist nicht nur ein Schaufenster in die Vergangenheit, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion für die moderne Geburtshilfe. Mit ihrer Hilfe kann zudem besser verstanden werden, wie mit ethischen Konflikten umgegangen werden soll.

Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Schatzkammer des Wissens: die Königliche Modellsammlung

Das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen zeigt viele Objekte mit besonderer Geschichte und Bedeutung für die Gegenwart. Dazu gehören auch einige Objekte der Königlichen Modellkammer. Die Sammlung ist eine der ältesten ihrer Art. Mit ihr öffnet sich für euch ein faszinierendes Fenster in die Welt der Wissenschaft und Technik des 18. Jahrhunderts.

Schöpfradmodell von 1750. Foto: Martin Liebetruth

Genutzt, Verkauft, Vermisst

Die Modellsammlung blickt auf eine lange und verworrene Geschichte zurück. Das Erste Objekt soll bereits 1737 in den Besitz der Georg-August-Universität Göttingen übergegangen sein. Um die 150 Modelle wurden in den folgenden Jahrzehnten angeschafft. Die Objekte der Königlichen Modellkammer zeigen unter anderem Darstellungen aus den Bereichen Bergbau, Wasserbau, und Landwirtschaft.

Die Modelle unterstützten vor allem die praktische Lehre und dienten als Anschauungsmaterial. Im 19. Jahrhundert wurde die Sammlung nach und nach aufgelöst und die Modelle verkauft. Sie schienen für die Lehre an der Universität Göttingen nicht mehr notwendig zu sein. Diese Sicht änderte sich im 21. Jahrhundert und es begannen Bemühungen, die Objekte wieder zu erlangen. Bis heute sind 25 Objekte in die Modellsammlung zurückgekehrt.

Die Zentrale Kustodie ist verantwortlich für die Erhaltung und Pflege dieser kostbaren Sammlung. Ihre Aufgabe ist es sicherzustellen, dass diese Schätze aus der Vergangenheit für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Denn die Objekte sind lebendige Zeugnisse des wissenschaftlichen Fortschritts und des Erbes der Universität Göttingen. Sie sind nun zum Teil öffentlich zu sehen – eine einzigartige Gelegenheit für euch, die Welt der Wissenschaft hautnah zu erleben.

Modell einer Wendeltreppe. Foto: Martin Liebetruth

Forschung und Innovation

Das Sammlungsschaufenster zeigt repräsentativ vier Objekte aus der Königlichen Modellkammer: Das Schöpfradmodell ist ein außergewöhnliches Exemplar, das um 1750 gebaut wurde. Im Gegensatz zu einem Wasserrad, das Mühlen antrieb, hatte ein Schöpfrad die Aufgabe, Wasser in die Höhe zu befördern und anderswo auszugießen. Dieses Prinzip war entscheidend für Wasserleitsysteme wie die Oberharzer Wasserwirtschaft.

Ein weiteres Exponat aus der Sammlung ist das Modell einer Treppe, das im Mathematikunterricht des 18. Jahrhunderts Verwendung fand. Es zeigt eine detaillierte Wendeltreppe, die sich über zwei Podeste erstreckt. Damals gehörte die zivile Baukunst zum Lehrstoff und Modelle wie dieses halfen den Studierenden, die komplexen mathematischen und architektonischen Prinzipien besser zu verstehen.

Modell einer Idealen Festung. Foto: Lena Heykes

Auch das Modell einer idealen Festung könnt ihr im Sammlungsschaufenster entdecken. Ein weiteres Objekt dieser Art haben wir auch in der Basis-Ausstellung. Diese Modelle basieren auf den Entwürfen des Kriegsbaumeisters Sébastien de Vauban, der im 17. Jahrhundert in ganz Europa maßgeblichen Einfluss auf militärische Befestigungen hatte. Die Modelle waren nicht nur beeindruckende Darstellungen von Festungsanlagen, sondern auch Werkzeuge der angewandten Geometrie in der Ausbildung von Ingenieuren.

Ein weiteres technisches Objekt aus der Sammlung ist das Modell eines doppelten Pumpwerks. Obwohl es kein vergleichbares Werk in der Realität gibt, diente das Modell dazu, die Funktionsweise eines Pumpwerks darzustellen. An diesem Modell wurden die Grundlagen der Mechanik und Hydraulik erklärt.

Modell eines doppelten Pumpwerkes. Foto: Martin Liebetruth

Bis heute von Bedeutung

Die Bedeutung solcher Modelle in der universitären Lehre und Forschung sollte nicht unterschätzt werden. Sie ermöglichen es Studierenden, abstrakte Konzepte in die Hand zu nehmen und praktisch zu erforschen. Diese Modelle sind nicht nur historische Artefakte, sondern bis heute auch lehrreiche Werkzeuge.

Die Modellsammlung ist eine Inspirationsquelle für Studierende und Forschende der Universität. Aber auch ihr könnt die Modelle betrachten und euch von der Wissenschaft sowie der eigenen Vorstellungskraft inspirieren lassen.

Categories
Sammlung

Kisten voller Überraschungen

Wenn sich im Althistorischen Seminar die Bananenkisten stapeln, bedeutet dies für das Altertumswissenschaftliche Filmarchiv und dessen Mitarbeiter zunächst drei Dinge: 1. Die Sammlung Stern hat wieder Zuwachs bekommen. 2. Eine Menge schwere Tragearbeit ins zweite Obergeschoss. 3. Eine spannende Zeit beim Öffnen der Kisten, die immer wieder neue Schätze und auch Kuriositäten offenbaren.

Bücher, Filmtechnik, Dias und Memorabilia aus den Neuzugängen

Die Sammlung Stern im Althistorischen Seminar

Unser Archiv ist zum größten Teil eine Sammlung von Filmen zu archäologischen, althistorischen und anderen altertumswissenschaftlichen Themen. Der Kern geht zurück auf eine Stiftung aus dem Nachlass des Archäologen, Filmforschers und Museumspädagogen Tom Stern (1958–2016). Er hatte sich mit diesen Filmen eine umfangreiche und vielfältige Privatsammlung aufgebaut. Die Filme bieten ein großes Spektrum an Formaten: von Spielfilmen über Kinderprogramme, Werbung und Propaganda hin zu Dokumentarfilmen und -serien, die den Großteil des Bestandes ausmachen.

DVDs, VHS-Kassette und eine Filmrolle aus den Neuzugängen

Der Alltag in der Sammlung

Eine unserer Hauptaufgaben als studentische Hilfskräfte in der Sammlung ist die Digitalisierung des Bestandes. Besonders Filme, die aufgrund ihrer alten Datenträger bald nicht mehr abspielbar sein werden, gilt es zu sichern. Auch gibt es Filme, die sonst kaum noch anderweitig erhalten oder sogar noch ganz unpubliziert sind. Das Ziel unserer Arbeit ist, jenseits der Bewahrung, das Material für Lehre und Forschung nutzbar und zugänglich zu machen. Neben dieser alltäglichen Arbeit gibt es immer abwechslungsreiche Aufgaben, zum Beispiel rund um Vorträge, Workshops, Nutzeranfragen oder Filmvorführungen. Vor allem aber gehören dazu das Sichten und Ordnen von Neuzugängen, die in den Bestand der Sammlung mit eingegliedert werden müssen. Und eine große Lieferung solcher Neuzugänge hat uns nun aus Essen erreicht.

Das sind wir beim Sichten des neuen Materials.

Kisten voller Überraschungen

Die Kisten mit ihren Inhalten stammen aus dem Nachlass von Tom Stern. Nachdem wir sie in die Räume der Sammlung gebracht haben, machen wir uns daran, das Material zu sichten. Auch wenn einige der Kisten beschriftet sind: Was genau sich darin befindet, sehen wir immer erst, wenn wir sie zum ersten Mal öffnen. Und dabei haben wir schon einige überraschende Entdeckungen gemacht. Unter anderem haben wir zwischen den Objekten und Unterlagen schon private Andenken wie Urlaubsfotos und Gebasteltes der Kinder gefunden. Das sammeln wir zunächst separat, um es dann wieder an die Familie zurückzugeben.

Bücher und Spiele aus der Sammlung

Unter den rund 500 neu eingetroffenen Büchern spielt Film die Hauptrolle. Aber dazu kommt eine Menge an geschichtlichen, archäologischen und museumspädagogischen Themen. Dabei handelt es sich nicht nur um Sach- und Fachbücher, sondern auch um eine Vielzahl an Kinderbüchern und Comicheften. Einige Ordner mit Arbeitsmaterialien beinhalten Tom Sterns Nachforschungen zu Filmthemen, für Vorträge, Ausstellungen oder Publikationen. Dazu kommt Material verschiedener Filmfestivals. Außerdem können wir unsere Sammlung um einige weitere Filme ergänzen, aber auch um Technik zum Abspielen und Reparieren von Filmen. So können wir teilweise Lücken schließen. Daneben sind auch neue Medien, etwa CDs und Dias, aufgetaucht.

Am meisten überrascht hat uns jedoch die Vielzahl an Memorabilia, die sich in den Kisten verstecken. Dies sind verschiedenste Objekte, die mit den Themen zu tun haben, zu denen Tom Stern geforscht hat. Sie reichen von Plakaten, über Spiele und Puppen bis hin zu haarigen Lampen. Diese sollen nun als die neuen „Bewohner“ der Sammlung aufgenommen werden.

Puppen und eine Lampe im „Steinzeit-Stil”

Der Weg in den Bestand

Wenn alle Bananenkisten gesichtet sind, ist der nächste Schritt, die Neuzugänge in den bisherigen Bestand der Sammlung einzupflegen. Alle Objekte bekommen Signaturen und werden entweder zu ihren bestehenden Kategorien, wie Medien und Technik, hinzugefügt oder es werden neue Kategorien, wie für die Memorabilia, erstellt. Wichtig ist zudem, dass wir die Objekte fotografieren und anschließend in die Objektdatenbanken der Universität einspeisen. So werden wir auch diesen Teil der Sammlung zugänglicher machen, damit er etwa für Ausstellungsprojekte oder Forschungsvorhaben recherchiert werden kann.

Den Buchnachlass von Tom Stern haben wir mit unserem Sammlungsleiter Martin Lindner thematisch nach Schwerpunkten sortiert. Diese Themengebiete machen die vielfältigen Arbeitsschwerpunkte des Forschers Tom Stern deutlich: Archäologie und ihre Theorie, Museumspädagogik, Ur- und Frühgeschichte, Germanien, Orient- und Afrikaforschung, historische Reiseberichte und Antikenrezeption in verschiedenen Medien. In einem neu dafür eingerichteten Nutzerraum bereichern diese Facetten die Bestände der Sammlung.  Alle Neuzugänge, wie auch der Rest der Sammlung, werden somit nutzbar für Forschung und Lehre, damit die Arbeit von Tom Stern erhalten und fortgeführt wird.

Autor*innen: Carolin Franziska Pilz und Konstantin Schwenke

Fotos: Xikai Chen

Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Im Schaufenster: das Physicalische Cabinet

Die Sammlung historischer physikalischer Instrumente der Universität Göttingen oder weniger sperrig: das “Physicalische Cabinet” lässt 250 Jahre Physikgeschichte in Göttingen lebendig werden. Es ist eng verknüpft mit Wissenschaftlern wie Lichtenberg, Gauß und Weber. Der Bestand reicht von den Anfängen der Physik im 18. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts und enthält so bedeutende Objekte wie den Gaußschen Vizeheliotrop und eine Replik des Gauß-Weber-Telegraphen zur Weltausstellung 1873 in Wien.

Blick in den Museumsraum des “Physicalischen Cabinets” im Foyer der Fakultät für Physik. Foto: Daniel Steil

Physik im 20. Jahrhundert

Das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen greift einen Objektbestand auf, der im Museumsraum des “Physicalischen Cabinets” etwas stiefmütterlich behandelt wird: Physik- und Technikinstrumente des frühen 20. Jahrhunderts. Diesen fehlt der Glanz von Messing, edlen Hölzern und Glas, welcher die Exponate des 18. und frühen 19. Jahrhunderts bestimmt. Damals war die Manufaktur das vorherrschende Produktionsverfahren und die Herstellung war kunsthandwerklich geprägt. Mit dem Übergang zur industriellen Massenproduktion, bei der große Stückzahlen kostengünstig produziert werden sollten, trat im 20. Jahrhundert die Funktion des Objekts in den Vordergrund. Es dominierten einfache geometrische Formen. Kunststoffe und lackiertes Blech kamen zum Einsatz und die Objekte waren typischerweise in gedeckten Farben gehalten.

Nutzung von Elektrizität

Im frühen 20. Jahrhundert erfolgte die weitgehende Elektrifizierung Deutschlands. Daher haben alle im Sammlungsschaufenster gezeigten Exponate etwas mit Elektrizität zu tun – beginnend mit der hier gezeigten Influenzmaschine nach James Wimshurst.

Influenzmaschine nach Wimshurst. Foto: Marie Ahlig und Lara Siegers

Influenzmaschinen dienen dazu, elektrische Ladungen voneinander zu trennen. Das passiert in dem Fall der Wimshurst-Maschine mittels mechanischer Arbeit und unter Nutzung gegenläufig rotierender Scheiben. Diese Maschinen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts dazu benutzt, um elektrische Hochspannung bis zu 100 kV bereitzustellen, womit beispielsweise frühe Röntgenröhren betrieben werden konnten. Das hier ausgestellte Exponat besitzt zur Ladungsspeicherung zwei Leidener Flaschen, also frühe Hochspannungskondensatoren. Es diente früher vermutlich als Demonstrationsversuch zur Erzeugung und Nutzung elektrischer Ladungen. Funkenentladungen werden in modernisierter Form noch heute in der Lehre in der Physik oder zur Freude von Groß und Klein beim Tag der offenen Tür oder der Nacht des Wissens gezeigt.

Elektrizitätslehre und Schwingungsphänomene in der Schule

Mit der breiteren Verfügbarkeit von elektrischem Strom und insbesondere Wechselstrom wurde es notwendig, dieses neue Phänomen in die technische Ausbildung zu integrieren.

Schleifenoszillograph von Siemens & Halske. Foto: Marie Ahlig und Lara Siegers

Da Menschen Spannung oder Strom nicht direkt wahrnehmen können, entwickelte in den 1930er-Jahren unter anderem die Firma Siemens & Halske (das heutige Siemens) einen einfachen und kostengünstigen Schleifenoszillographen. Auf diese Weise sollten elektrische (aber auch andere) Schwingungsvorgänge sichtbar gemacht werden. Hierbei wird Licht von einer Lichtquelle auf einen Schwingspiegel gelenkt, welcher auf einer Drahtschleife montiert ist (im Bild vorne). Der Spiegel auf der Drahtschleife befindet sich in einem Magnetfeld. Fließt ein Wechselstrom durch die Drahtschleife, so wird der Spiegel proportional zur Stromstärke ausgelenkt und erzeugt einen oszillierenden Lichtfleck entlang der Vertikalen. Um die Schwingung entlang der Vertikalen besser sichtbar zu machen, wird das Licht des Spiegels an dem Drehspiegel reflektiert, hier mit 10 Einzelspiegeln (im Bild hinten). Das führt zu einer zusätzlichen horizontalen Bewegung des Lichtflecks; die Schwingung wird auf einem Beobachtungsschirm sichtbar. Der hier gezeigte Schleifenoszillograph wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von Robert Wichard Pohl für Demonstrationsversuche in seiner Vorlesung zur Experimentalphysik beschafft.

Physikalische Forschung und Medizintechnik

Wurden frühe Röntgenapparate noch mit komplizierten und eher unzuverlässigen Hochspannungsquellen wie der weiter oben diskutierten Influenzmaschine betrieben, so stellt unser nächstes Exponat etwas dar, was heute gerne als Quantensprung oder bahnbrechende Innovation bezeichnet wird. Es handelt sich um die sogenannte Röntgenkugel der Siemens-Reiniger-Werke: 1934 auf den Markt gebracht, stellt sie eines der ersten transportablen Röntgengeräte dar.

Siemens-Röntgenkugel. Foto: Vanessa Scheller und Daniel Steil

Das Besondere an der Röntgenkugel ist, dass sie die Röntgenröhre und den notwendigen Hochspannungstransformator in einem kompakten, strahlensicheren Gehäuse unterbringt und das Gerät zum Betrieb nur noch an das 220V-Stromnetz angeschlossen werden muss. Mithilfe eines Stativs konnte die Röntgenkugel dann in recht beliebiger Lage für Röntgenaufnahmen an einem Patienten eingesetzt werden. Diese Eigenschaften führten dazu, dass die Röntgenkugel bis in die 1970er-Jahre weltweit einige Zehntausend Mal verkauft wurde. Das machte die Röntgenkugel – insbesondere in der Zahnmedizin – zu einem beliebten Röntgengerät. So erinnert sich auch der Verfasser vage daran, dass er in seiner Jugend mit Hilfe einer Röntgenkugel von seinem Zahnarzt geröntgt wurde. Auch in der Physik wurde die Röntgenkugel zur Bildgebung eingesetzt. Aktuell sind stolze drei Stück im Besitz der Sammlung: vom chromfarbenen Modell – wie hier gezeigt – bis zu einem schlicht cremefarben lackierten Gerät. Interessierte an historischer Röntgentechnik finden eine Vitrine mit Exponaten in unseren Sammlungsräumen.

… zu guter Letzt

Das “Physicalische Cabinet” öffnet aktuell regulär während der Vorlesungszeit montags um 16 Uhr vor den großen Physikkolloquien. Führungen für Gruppen sind außerhalb dieser Zeiten auf Anfrage möglich. Weitere Informationen sind auch auf unserer Webseite zu finden.

Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Im Schaufenster: das Universitätsarchiv

Eigentlich ist das Universitätsarchiv keine Sammlung. Zum Beispiel sammelt es nichts, auch wenn die Akte im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen den Eindruck erwecken könnte. Das Archiv nimmt, was ihm von Gesetz wegen übergeben wird. Dass seine Arbeit von einem Gesetz bestimmt wird, ist für eine akademische Sammlung auch ungewöhnlich. Dort steht nichts von herausragenden Exponaten, „Dingen des Wissens“ und den vielen Facetten der Verantwortung, die Kustod*innen für ihre Objekte haben, aber viel von nüchternen Dingen wie Datenschutz und Archivierungspflicht öffentlicher Einrichtungen.

Aktenordner im Sammlungsschaufenster. Foto: Martin Liebetruth

Das Archiv operiert hart an der Gegenwart, übernimmt laufend Aktenordner und elektronische Unterlagen der letzten Jahrzehnte aus den Büros der Universität Göttingen. Aber das tut es – bezieht man alle seiner Vorläufer mit ein – seit 1773. So haben sich Schicht für Schicht 2,3 Regal-Kilometer an Geschichte auf Papier seit der Gründung der Universität aufgetürmt.

Nur Papierkram?

Diese „Sammlung“ ist hochspezialisiert: Sie umfasst nur Verwaltungsakten der Dienststellen der Universität. Persönliche Korrespondenz oder Manuskripte eines Gauss, Lichtenberg oder Schlözer gibt es hier nicht – weil das Archiv nicht aktiv alle Unterlagen sammelt, die für die Universitätsgeschichte von Belang sein könnten. Aber die Personalakten der drei Koryphäen wurden schon vor sehr langer Zeit dem Archiv übergeben. Auch alle Promotionsakten finden ihren Weg dorthin; die Robert Oppenheimers ist gerade wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.

Promotionsurkunde Oppenheimer

Promotionsurkunde für Robert Oppenheimer, 1927 (UniA GÖ, Math-Nat. Prom. 27)

Solche Verwaltungsakten sind das Faktengerüst der Universitätsgeschichte. Aber auch das hat es in sich: In Besoldungsakten spiegeln sich Schicksale, etwa die der 1933 vertriebenen jüdischen Professor*innen. Bauakten kondensieren Wissenschaftsgeschichte wie die Anfänge der naturwissenschaftlichen Großforschung. In langen Reihen von Protokollen des Senats und der Fakultäten gehen wissenschaftliche, administrative und menschliche Themen durcheinander, wie das Leben so ist. Die Akten des längst abgeschafften Universitätsgerichts lassen tief in die allzumenschlichen Regungen der saufenden und raufenden Studenten vor 200 Jahren blicken. Die Matrikelbücher enthalten die eigenhändigen Einschreibungen aller Göttinger Studierender von 1734 bis 1968: Lebensspuren, die Familienforscher aus der ganzen Welt anziehen.


Matrikeleintrag Humboldt

Der Göttinger Student Alexander von Humboldt im Matrikelbuch, 1789 (UniA GÖ, Matr. 3)

Bewahrung des Authentischen

Die historische Wurzel dieses dokumentarischen Reichtums ist das „Dokument Nr. 1“, das Gründungsprivileg Georgs II. August für die Universität, die seinen Namen trägt, vom 7. Dezember 1736. Heute hat es keine Rechtskraft mehr. Aber die Georgia Augusta kann sich weiterhin auf Artikel 11, die damals revolutionäre Verleihung der Wissenschaftsfreiheit, als geistiges Fundament berufen. Kein Dokument veranschaulicht besser den Wandel, den die Bestände des Universitätsarchivs erfahren, wenn sie in Jahrzehnten und Jahrhunderten von rechtserheblichen Verwaltungsdokumenten zu historischen Zeugnissen mit einer ganz besonderen Aura des Authentischen und Unbestreitbaren werden.


Gründungsprivileg der Universität

Siegel und Unterschrift des Gründungsprivilegs der Universität, 1736 (UniA GÖ, Urk. 2)

Zum Auratischen trägt auch der Ort des Archivs bei. Sein Magazin nimmt auf zwei Ebenen das Untergeschoss der Paulinerkirche ein. Die Aktenregale stehen zwischen mächtigen Achteckpfeilern auf demselben Boden, auf dem am 17. September 1737 die Universität in einem Festakt feierlich eingeweiht wurde. Das Universitätsblog BLUG hat diesen „Schatz im Papendiek“ einmal besichtigt. Die Kirche gehört zum ehemaligen Dominikanerkloster, dem heutigen „Historischen Gebäude“ der Staats- und Universitätsbibliothek.


Regalreihen im Magazin

Regalreihen im Magazin des Universitätsarchivs in der Paulinerkirche. Foto: Holger Berwinkel

Zu dieser gehört seit einigen Jahren auch das Archiv, um die Synergien zu den vielfältigen historischen Beständen der Bibliothek auszuschöpfen. Im Handschriftenlesesaal des Gebäudes können Interessent*innen die Archivalien einsehen. Von den allerjüngsten Akten abgesehen, die oft dem Datenschutz unterliegen, ist alles für die Öffentlichkeit nutzbar. Auch das steht im Niedersächsischen Archivgesetz. Der größte Teil des Altbestands ist online im Arcinsys-Portal katalogisiert und wird sukzessive digitalisiert.

Eine Meta-Sammlung

Die Archive mancher Universität reichen um Jahrhunderte weiter zurück, aber das Göttinger zeichnet sich durch die besondere Vollständigkeit und Dichte seiner Aktenüberlieferung aus. Entsprechend intensiv wird es vorrangig von der Wissenschaftsgeschichte genutzt. Sie werten die Akten als historische Texte aus. Eine besondere Objektqualität kann man den Schriftstücken beim besten Willen oft nicht zugestehen. Sie sind „Flachware“. Aber inhaltlich dokumentieren sie mit der Geschichte der Universität auch die Entwicklung der Sammlungen! Wenn im 18. Jahrhundert Münzen, Kupferstiche und Materialien angekauft wurden, dann musste die Staatskasse Geld bereitstellen und forderte als Nachweis Inventarlisten an. Die Unterbringung der Sammlungen, der Bau des ersten Akademischen Museums, die Personalien der Kustoden, die Kriegsverluste von 1945 im Kalibergwerk Volpriehausen – alles ging zu den Akten.

Oft kann der Archivar der Universität im Lesesaal deshalb Kolleg*innen begrüßen, die als Kustod*innen Aspekte des Werdens ihrer Sammlung erforschen. Man kann das Archiv deshalb auch als eine Meta-Sammlung sehen. In der Basisausstellung des Forum Wissen begegnen Besucher*innen nur gelegentlich Exponaten aus dem Universtätsarchiv, aber in die Konzeption sind auch die Ergebnisse breiter sammlungsgeschichtlicher Archivrecherchen eingeflossen. So ist das Archiv in erster Linie Infrastruktur, die andere Akteur*innen bei der Vorbereitung von Ausstellungen unterstützt.

Fotos: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

Categories
Forum Wissen Sammlung Sammlungsschaufenster

Alles eine Frage der Geschichte

Das Münzkabinett der Universität Göttingen ist auf jeden Fall einen Blick wert und mit ein paar repräsentativen Objekten nun auch im Sammlungsschaufenster zu sehen. Das Münzkabinett gilt als die drittgrößte universitäre Sammlung von Münzen in Deutschland, hinter Leipzig und Tübingen. Über 40.000 Objekte verschiedener Herkunft sind vertreten. Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um originale Münzen, wie es der Name vielleicht annehmen lässt, sondern auch um Abgüsse von Münzen, um Medaillen oder um frühe Formen von Papiergeld.

Nachbildungen griechischer Silbermünzen aus Blei. Foto: Uni Göttingen.

Dr. Daniel Graepler, der Kustos der Sammlung, zeigt im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen dieses breite Spektrum. Ihr könnt Entwurfsmodelle zur Münchhausen-Medaille entdecken. Diese wurde zum 250. Jubiläum der Universität Göttingen zu Ehren ihres Begründers Gerlach Adolph von Münchhausen (1688–1770) angefertigt. Auch eine kleines Münzkästchen, in dem die Familie Schlözer ihre Münzsammlung aufbewahrte, ist zu sehen. In den unteren beiden Regalen findet ihr einige nachgebildete griechische Münzen aus Blei und Plattengeld aus Schweden. Das sind rechteckige Kupferplatten, die als Zahlungsmittel dienten. Doch die Sammlung hat noch viel mehr Aspekte zum Kennenlernen.

Die Geschichte der Sammlung

Daniel Graepler selbst fasziniert vor allem die große Vielfalt der diversen numismatischen, also auf das Geldwesen bezogenen Objekte, die von Anfang an das Münzkabinett prägten. Sie gingen als Ankäufe oder Schenkungen an die Universität und decken viele verschiedene Regionen und Zeiträume ab. Daher ist auch die Provenienzgeschichte besonders spannend, die hinter den unterschiedlichen Objekten steckt.

Nur wenige von ihnen stammen tatsächlich aus archäologischen Fundstellen. Daher ist die Frage berechtigt, warum das Münzkabinett zum Archäologischen Institut gehört. Dies erklärt sich aus der lange zurückreichenden Geschichte der Universität. Bereits als das Königlich Akademische Museum 1773 gegründet wurde, befanden sich Münzen in der Sammlung. Christian Gottlob Heyne war an dieser Museumsgründung federführend beteiligt. Der Altphilologe, der vor allem Griechisch und Latein lehrte, hielt auch die ersten Vorlesungen über Archäologie, erstmals 1767. Heyne war sehr interessiert an den Münzen. Daher sorgte er dafür, dass diese in seiner Obhut blieben, während die anderen Sammlungen vor allem von Johann Friedrich Blumenbach betreut wurden.

Christian Gottlob Heyne. Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1772)

Nach dem Tod von Heyne 1812 wurde verfügt, dass die Vorlesungen zur Archäologie weitergeführt werden sollten. Karl Ottfried Müller trat in Heynes Fußstapfen und schrieb auch das erste Handbuch für Archäologie. Er war ebenso wie Heyne an der Münzsammlung interessiert. Daher inventarisierte und katalogisierte er den Bestand. Als Müller 1840 im jungen Alter starb, folgte ihm Friedrich Wieseler. Dieser übernahm die Verantwortung für die Münzen und weitere archäologische Objekte wie Gipsabgüsse. Nach der Auflösung des Akademischen Museums setzte sich Wieseler für die Gründung eines eigenen Archäologisch-Numismatischen Institutes ein. Dabei wurden die archäologischen Objekte und das Münzkabinett aus den Sammlungen der Universitätsbibliothek ausgegliedert. Nun waren die Münzen nicht mehr von der Archäologie zu trennen. Der Begriff „Numismatisch“ entfiel mit der Zeit aus der Institutsbezeichnung, das Münzkabinett blieb aber an seinem Ursprungsort verankert.

Alte Sammlungen in der Gegenwart

Das Münzkabinett ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher Sammlungen von Münzen, Medaillen und anderen numismatischen Objekten. Die verschiedenen privaten Konvolute wurden zum Teil im Laufe der Geschichte des Instituts durch die Universität Göttingen aufgekauft oder gelangten durch Schenkungen an das Archäologische Institut.

So hinterließ Baron von Asch bereits im 18. Jahrhundert dem Institut eine große Originalsammlung mit russischen Münzen und Medaillen. Da diese schon so früh an das Archäologische Institut übergeben wurden, gilt ihre Echtheit als gesichert. Ein interessantes Beispiel dafür ist die sogenannte Bartkopeke, die selbst keinen Zahlungszweck hatte, sondern lediglich beweisen sollte, dass man die Steuern bezahlt hat, die Bartträger im 18. Jahrhundert in Russland zahlen mussten.

Sog. Bartkopeke, von Zar Peter dem Großen (1682-1725) in Russland 1705 eingeführt. Foto: Lena Heykes

Auch eine große Schenkung von arabischen Münzen durch den Arabisten Peter Bachmann aus den 1990er-Jahren ist mittlerweile bearbeitet und digitalisiert. Im Zweiten Weltkrieg hingegen wurden sogar Gelder aufgebracht, um eine Sammlung mittelalterlicher Münzen zu kaufen. Diese konnte bisher leider aus finanziellen und fachlichen Gründen noch nicht bearbeitet werden. Die Sammlung von Wilhelm Crönert war ebenfalls ein wichtiger Ankauf, da er griechische Münzen umfasste, die bis dahin eher weniger im Münzkabinett vertreten waren. Sie werden aktuell im Archäologischen Institut erforscht. Die über 9.000 römischen Münzen sind hingegen schon vor einiger Zeit aufgearbeitet und online publiziert worden.

Aber nicht nur Wissenschaftler*innen arbeiten mit den Münzen aus dem Münzkabinett. Auch Studierenden werden mit Seminaren oder Hilfskraftstellen immer wieder Möglichkeiten geboten, sich mit der Materie auseinanderzusetzen und an Objekten zu lernen.

Schublade mit mittelalterlichen Münzen aus dem Münzkabinett. Foto: Lena Heykes

Abgeschlossen zum Schutz von Kulturgütern

Aktuell werden von der Universität Göttingen Münzen oder Privatsammlungen nicht mehr angekauft. Vor allem damit der Handel mit antiken Münzen keinen Aufschwung erlebt. Das Befeuern des Antikenhandels versuchen viele Institute und andere Einrichtungen wie Museen zu verhindern. Zu hoch ist die Gefahr, dass es dadurch vermehrt zu Raubgrabungen kommt und so archäologische Stätten gefährdet werden.

Das Münzkabinett ist daher als überwiegend abgeschlossen zu bewerten. Nur gelegentlich kommen neue Medaillen hinzu, die die Universität Göttingen unter anderem für Studierende oder Dozierende als Auszeichnung besonderer Leistungen anfertigt. Ebenso selten sind Schenkungen einzelner Münzen. Sie nimmt Daniel Graepler gerne auf, wenn sie in die Sammlung passen.