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Sammlung

Un | entdeckt: Göttingens botanische Lehrtafeln

Über 2.000 botanische Wandtafeln schlummerten hinter Vorhängen und in Schränken verborgen im Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Göttingen. Unbewegt und über viele Jahre kaum genutzt, waren sie im Vorraum zum Hörsaal gelagert worden – bis die Zentrale Kustodie die Sammlung übernahm, sie bewahrte und ihr neues Leben einhauchte. 2018 wurden die Tafeln in einem zweiwöchigen Sprint digitalisiert und umgesiedelt, doch bis heute ist der Bearbeitungsprozess nicht ganz abgeschlossen. Dies ist die Geschichte des un | entdeckten Schatzes der Göttinger botanischen Lehrtafeln.

Lagerung der Tafeln im Albrecht-von-Haller Institut. Foto: Friederike Röpke.

Eingerollt, eingestaubt und wiederentdeckt

Ich hob die etwa einen Meter lange Papierrolle hoch und eine Staubwolke kam mir entgegen. Nach einem kurzen Hustenanfall war ich mir sicher, dass ich beim nächsten Mal einen Mundschutz tragen werde. Mit Handschuhen und einer Leiter ausgestattet stand ich im Albrecht-von-Haller-Institut und zählte die teils eingerollten, teils aufgehangenen, teils in Schränken verstauten Lehrtafeln. Es war im Februar 2018 und meine Aufgabe als studentische Hilfskraft der Zentralen Kustodie bestand darin, die Menge und den Zustand der pflanzenwissenschaftlichen Tafeln zu sichten. Dass unter diesen verstaubten Tafeln ein regelrechter Schatz an verschiedenen Wandtafeln aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert lagerte, habe ich zu dem Zeitpunkt schon geahnt, den Umfang aber bei weitem nicht einschätzen können.

Geputzt und fotografiert: der Digitalisierungssprint 2018

Der Digitalisierungssprint begann im März 2018. Eine Gruppe von sechs Student*innen, die zwei Wochen lang von morgens bis abends die Tafeln entstaubten, entrollten, ab- und wieder aufhängten, fotografierten, inventarisierten, alles in allem: digitalisierten. Dafür bauten wir eine Digitalisierungsstation im Hörsaal des Albrecht-von-Haller-Instituts auf.

Unsere Digitalisierungsstation. Foto: Karsten Heck.

Wir waren in Gruppen eingeteilt: Zwei von uns waren für das Säubern und Eintragen der Metadaten in die Datenbank naniweb zuständig. Zwei andere arbeiteten an der Fotostation – eine Person hinter der Kamera, die andere drehte die Tafel, sodass sowohl Vorder- als auch Rückseite abgelichtet werden konnten. Zwei weitere kümmerten sich um die Logistik: Eine transportierte die Lehrtafeln vom Vorraum des Hörsaals zu den jeweiligen Stationen und die andere holte die Tafeln von der Stange bzw. brachte sie entstaubt und fotografiert – also fertig digitalisiert – wieder zurück an ihren Platz. In diesem Video von Michael Markert wurde der Sprint eingefangen.

Umzug der Tafeln aus dem Albrecht-von-Haller-Institut in die Zentrale Kustodie. Foto: Detlef Schnier.

Übrig blieben die kleineren, liegenden, in der Regel älteren Tafeln aus den Schränken. Diese brachten wir in die Zentrale Kustodie im Auditorium. Wir digitalisierten sukzessive die restlichen Tafeln, unter anderem vor Publikum am Tag der offenen Sammlung im Mai. Somit konnten die Besucher*innen live einen Einblick in die Digitalisierungsarbeit der universitären Sammlungen erhalten. Im Juli 2018 waren dann alle Wandtafeln fotografiert, in der Datenbank erfasst und konnten in den neuen Depotraum umziehen.

Geordnet und veröffentlicht: die Datenbankarbeit 2018–2020

Bei der Eingabe der Tafeln in die Datenbank waren häufig zunächst vorläufige Inventarnummern vergeben worden. Nun arbeitete ich mich durch das System zur Ordnung der Lehrtafeln hindurch. Denn die insgesamt 2.095 Tafeln stammten entweder aus verschiedenen publizierten Reihen oder waren am Institut selbst hergestellt worden: etwa 1.400 handgezeichnet und koloriert! Ein kleiner Teil davon, der älteste, enthielt einige originale Vorlagen für Publikationen von Albert Peter, Professor für Botanik in Göttingen von 1888 bis 1923. Er hatte selbst Reihen von Lehrtafeln veröffentlicht. Neben Titeln und Metadaten erfasste ich auch Angaben zu den Hersteller*innen, beteiligten Personen und/oder  Institutionen.

Ich während der Digitalisierung beim Tag der offenen Sammlungen Mai 2018. Foto: Peter Heller.

Es stellte sich heraus, dass sich unser publizierter Bestand von fast 700 Tafeln aus etwa 20 verschiedenen Reihen von botanischen Lehrtafeln zusammensetzte. Die inhaltliche Vielfalt erstreckte sich von heimischen Giftpflanzen über Zellwachstum und morphologischen Darstellungen bis hin zur Verbreitung von Pflanzenarten. Die großformatigen Blätter waren oftmals Lithographien, die Pflanzen in Ansichten, Details und Schnitten zeigten, aber auch Landschaftsdarstellungen.  Selbst wenn das in den Tafeln dargestellte Fachwissen heute teilweise obsolet sein mag, ist doch die historische Bedeutung im Hinblick auf eine spezifische Lehrpraxis und einen wissenschaftlichen Kanon durch sie in anschaulicher Weise festgehalten. Zudem beeindrucken die botanischen Lehrtafeln durch ihren visuellen Reichtum.

Eine meiner Favoriten: Taxus baccata. Aus dem Dodel-Port Atlas. Carolina Dodel-Port sec. Dr. W. Kellermann & ad nat: del., J.F. SCHREIBER.ESSLINGEN. Foto: Zentrale Kustodie.

Ausgemalt und ausgestellt: Die Zukunft der Tafeln

Die Tafeln, die nun an ihrem neuen Platz schlummern, sind zumindest digital noch lebhaft in Bewegung. Sie sind im Sammlungsportal der Universität veröffentlicht und wurden zudem kürzlich im Rahmen des Coding da Vinci Niedersachsen (ein Hackathon für offene Kulturdaten) von einem Team ausgewählt. Dieses möchte aus dem Bildmaterial einen Mandala-Generator namens „Plantala“ generieren: Die entstandenen Mandalas kann man dann herunterladen, ausdrucken und beliebig ausmalen. Ein zweites Team interessiert sich dafür, ob die hochauflösenden Bilder, in denen viel Text versteckt ist, mittels Methoden des machine learnings analysiert werden können. Vielleicht entwickeln sich noch weitere Möglichkeiten zur digitalen Nutzung der Tafeln – sei es, um diese weiter zu erschließen und zum Beispiel die heutige, aktuelle Taxonomie zu ergänzen oder gar die Schrift zu transkribieren. Im Digitalen ist der Arbeit mit den Tafeln eigentlich kein Ende gesetzt. Während die Sammlung heute im Depot schlummert, holen wir die Tafeln digital ins 21. Jahrhundert.

Die Tafeln in ihrem neuen Depot im Auditorium. Foto: Detlef Schnier.

Zudem werden einige botanische Lehrtafeln im künftigen Forum Wissenкредитная карта без отказа онлайн с доставкой sichtbar sein. Welche das sind und wo sie hängen, wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Sie sollen ja die Möglichkeit haben, sie selbst zu entdecken!

Die Autorin ist studentische Hilfskraft in der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen.

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Ausstellung Hinter den Kulissen

Wie Hendrick Goltzius die Welt verwandelte

Sie haben mich von Anfang an fasziniert: die vier Kupferstiche der “Himmelsstürmer”, die mit unverkennbarer Leichtigkeit in luftleerem Raum zu schweben scheinen. In Wirklichkeit ist die Geschichte wesentlich tragischer, da die vier Antihelden (ganz individuell und moralisch wertvoll) in ihr Verderben stürzen.

Die vier “Himmelsstürmer” Tantalus, Ikarus, Phaeton und Ixion. Foto: Stephanie Stroh.

Goltzius’ Meisterblätter in Freiburger Ausstellung

Der Künstler dieser Blätter ist Hendrick Goltzius (1558–1616), ein niederländischer Kupferstecher und Maler des Manierismus, der mit seinem technischen Können und seinen kreativen Bilderfindungen in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Ihm widmet das Augustinermuseum in Freiburg die Kabinettausstellung “Verwandlung der Welt – Meisterblätter von Hendrick Goltzius“. Sie ist von Samstag, 31. Oktober 2020, bis Sonntag, 31. Januar 2021, im Haus der Graphischen Sammlung zu sehen. Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Kunstsammlung der Universität Göttingen entstanden – die erste Zusammenarbeit der beiden Institutionen. Aus Göttingen kommt der Großteil der insgesamt 66 Werke, die in Freiburg in sechs thematischen Ausstellungskapiteln gezeigt werden.

Beim Hängen der Bilder – lasst sie schweben! Foto: Juliane Hofer.

Wie erzähle ich die Geschichte?

Die Ausstellung ist etwas Besonderes, auch für mich ganz persönlich: Es ist das Projekt, das ich im Rahmen meines Volontariats am Museum betreut und von Anfang an begleitet habe. Im Studium habe ich mich viel mit Theorien des Museums beschäftigt und was es heißt, Ausstellungen zu machen und für wen. In der Praxis kommen dann noch ganz viele andere Fragen hinzu, beispielsweise: Wie viele Stellwände brauche ich, um alle Werke hängen zu können? Wo sollen diese platziert werden, damit ich die „Geschichte“ der Ausstellung sinnvoll erzählen kann und die Besucherinnen und Besucher die Bereiche problemlos durchlaufen können? Welche Inhalte will ich eigentlich vermitteln (und auf welche kann ich verzichten)?

Die Blätter der “Metamorphosen”, hier mal aus der Vogelperspektive. Foto: Stephanie Stroh.

Spurensuche in Göttingen

Zum Auftakt des Projekts bin ich im Juni letzten Jahres nach Göttingen gefahren, um die Kunstsammlung zu besuchen und mir die Werke vor Ort anzuschauen. Zusammen mit der Kustodin der Kunstsammlung, Anne-Katrin Sors, und den Studentinnen des Seminars (dort gab es ein Seminar zu Goltzius) haben wir die Blätter einzeln ausgelegt und überlegt, welche wir in der Ausstellung in Freiburg zeigen wollen. Das ist das Tolle an einer universitären Sammlung: dass Theorie und Praxis so eng miteinander verknüpft sind.

Mein liebster “Himmelsstürmer”: Phaeton. Er versuchte den Sonnenwagen seines Vaters Helios zu lenken und stürzte dabei in den Tod. Foto: Jonas Pucher.

Die Kupferstiche von mythischen und christlichen “Helden”, die wir an diesem Tag im Juni auswählten, sind aber nicht nur für die Ausstellung gedacht. Für jede Sonderausstellung produzieren wir auch einen Katalog, der alle in der Ausstellung präsentierten Werke aufführt und im Detail bespricht. Die 22 Beiträge im Katalog sind dabei so individuell wie die Autorinnen und Autoren, die sie geschrieben haben. Letztendlich ist ein Katalog ja auch das, was bleibt, nachdem die Ausstellung abgebaut ist und die Werke wieder in ihren Mappen im Depot verstaut werden.

Herzlich willkommen!

Die Stellwände im Ausstellungsraum sind jetzt aufgebaut und alles ist blau gestrichen. Es hat beinah etwas Magisches, dieser Zeitpunkt kurz vor der Eröffnung. So viele Monate in der Planung, und jetzt ist es fast soweit! Ich gehe zurück zum Eingang der Ausstellung und schaue in den Raum: Das erste, was man jetzt sieht, sind die “Himmelsstürmer”, wie sie im freien Fall an der Wand schweben. Bühne frei für Hendrick Goltzius!

Ich freue mich auf Ihren Besuch. Foto: Jonas Pucher.

Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.

Ihre, Stephanie Stroh

 

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Forum Wissen

Hybride Beratung fürs Forum Wissen

Der Countdown läuft: In gut zwölf Monaten soll das Forum Wissen eröffnet werden. Auf der letzten Bergetappe gilt es noch einige Weichen zu stellen. Daher ist es für die Universität besonders wichtig, den Externen Wissenschaftlichen Beirat zu befragen. Die regulär im Frühjahr des Jahres stattfindende Sitzung hatten wir coronabedingt absagen müssen.

Hybride Beiratssitzung im Alfred-Hessel-Saal der SUB Göttingen.

Der Beirat wurde 2013 gegründet, um unsere Arbeit und insbesondere die Konzeption und Umsetzung des Forum Wissen zu begleiten und zu unterstützen. Ihm gehören 15 Personen aus dem In- und Ausland an: allesamt erfahrene Wissenschaftler*innen, Direktor*innen großer Museen, Expert*innen der Konservierungswissenschaft und leitende Personen aus dem Stiftungssektor. Ihre Erfahrungen, Ideen, Ratschläge und kritischen Anmerkungen sind immer wieder hilfreich und willkommen. Je näher das Eröffnungsdatum des Forum Wissen rückt, desto wichtiger ist es nun, alles rechtzeitig zu bedenken und punktgenau zu realisieren.

Wie in Corona-Zeiten die vielfältige Unterstützung einzuholen?

Ivan Gaskell, Leiter der Focus Gallery am Bard Graduate Center in New York und Michael Conforti, ehemaliger Direktor des Clark Art Institutes in Massachusetts, dürfen aufgrund internationaler Covid-19-Reisebeschränkungen nicht anreisen – ebenso wenig David Gaimster, Direktor des Nationalmuseums in Auckland/Neuseeland und Steph Sholten, Direktor des Hunterian Museums der Universität Glasgow. Auch Marika Hedin, Direktorin der größten schwedischen Stiftung, zieht es aus Infektionsschutzgründen vor, auf Auslandsreisen zu verzichten. Dennoch tagt der Beirat am Montag, 28. September 2020, in Göttingen. Mit dabei: Bernhard Graf, ehemaliger Direktor des Institutes für Museumsforschung, Patricia Rahemipour, Direktorin des Instituts für Museumsforschung, und Anja Schaluschke, Direktorin des Museums für Kommunikation in Berlin. Auch Helmut Trischler, Leiter der Abteilung Forschung am Deutschen Museum in München, und Thomas Thiemeyer, Direktor des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen, reisen an.

Hybrid und mit Pioniergeist

Die Beiratssitzung findet als Hybridsitzung statt: Das bedeutet, dass wir im großen Vortragsraum der SUB Göttingen, im Alfred-Hessel-Saal, an weit voneinander entfernt stehenden Tischen sitzen – sechs Beiratsmitglieder, der Präsident der Universität, Reinhard Jahn, sowie das Team der Zentralen Kustodie. Auf der großen Leinwand im Hintergrund schalten sich sechs Beiratsmitglieder hinzu, die aus New York, Washington, Stockholm, Glasgow und Frankfurt und Kassel digital an der Sitzung teilnehmen. Die Fenster stehen während der ganzen Besprechung offen und alle halten wegen der Corona-Pandemie den erforderlichen Abstand. Sobald wir den zugewiesenen Platz eingenommen haben, dürfen wir die Masken abnehmen.

Zugeschaltet aus Stockhom, Dr. Marika Hedin, Chief Executive Officer Riksbankens Jubileumsfond.

Es hat einiges an technischer Vorbereitung dazugehört, um einerseits alle Vorkehrungen zum Infektionsschutz zu treffen und andererseits dafür zu sorgen, dass die Qualität der Diskussion möglichst genauso gut ist wie vor Corona-Zeiten. Damals traf sich der Beirat einmal im Jahr in Göttingen. Die Stimmen der Kolleg*innen, die weit entfernt an ihren Bildschirmen sitzen, sind über Raumlautsprecher zu hören. Die Teilnehmer*innen der Präsenzsitzung sprechen in Mikrofone – so sind ihre Worte in Göttingen ebenso gut zu hören wie in New York. „Die Qualität der Ton- und Bildübertragung war hervorragend. Wir konnten uns ohne technische Unterbrechungen mit den Inhalten auseinandersetzen“, so Anja Schaluschke.

Solange uns die Pandemie im Griff hat, sammeln wir Erfahrungen, wie wir derartige Sitzungen technisch optimieren können. Für den Moment entwickeln die Mitarbeiter*innen der Multimediaabteilung der Universität nicht nur technische Lösungen, sondern auch Pioniergeist.

Prof. Dr. Bernhard Graf, Prof. Dr. Thomas Thiemeyer, Dr. Patricia Rahemipour, Dr. Marie Lusia Allemeyer, Anja Schaluschke auf der Baustelle des Forum Wissen.

Brücke zwischen Universität und Gesellschaft

Einen großen Vorteil hatten diejenigen, die an der Präsenzsitzung teilnahmen: Vorab wurden sie nämlich von der Direktorin des Forum Wissen, Marie Luisa Allemeyer, durch die Baustelle geführt. Sie konnten sehen und ganz physisch erleben, wie weit das Projekt mittlerweile fortgeschritten ist. „Ich bin wirklich sehr beeindruckt. Was hier in Göttingen entsteht, ist einzigartig!“, so Bernhard Graf, Sprecher des Beirats. „Dem Forum Wissen gelingt es, eine Brücke zwischen der universitätsinternen Wissenscommunity und der außeruniversitären Wissensgesellschaft zu bilden. Es ist somit ein Tor zu den diversen Interessen einer sich wandelnden Gesellschaft. Ich freue mich sehr auf die Eröffnung.“ Thomas Thiemeyer ergänzt: „Was hier in Göttingen entsteht, ist genau das richtige Projekt zur richtigen Zeit. Machen Sie es und machen sie es so, wie Sie es geplant haben!”

Der Sprecher des Beirats, Prof. Dr. Bernhard Graf, hebt Bedeutung des Wissensmuseums hervor.

Es hat sich gelohntоформить кредит на покупку квартиры

Nachdem sich die angereisten Gäste schon wieder auf den Weg gemacht haben, löst sich langsam unsere Spannung. Vor Corona-Zeiten waren die Beiratssitzungen auch immer ein Ereignis, das viel Vorbereitung forderte und auf das große Aufmerksamkeit gerichtet war. Die Sorge, ob die Technik auch funktioniert und nicht plötzlich „Funkstille“ zwischen dem Vortragssaal der SUB und den Büros in New York, Stockholm, Glasgow, Frankfurt und Kassel herrscht, war uns anzumerken. Umso erleichterter waren alle, diese Herausforderung gut gemeistert zu haben.

Die Autorin ist Referentin für kulturelle Kooperationen in der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen.

 

 

 

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Hinter den Kulissen Sammlung

Eine bunte Göttin – Farbrekonstruktion der Artemis aus Pompeji

Seit langem ist bekannt, dass die Antike nicht marmorweiß war, sondern dass Griechen und Römer ihre Statuen, Büsten und Reliefs bunt bemalten. Das gilt auch für die Göttin der Jagd, Artemis – oder Diana, wie die Römer sie nannten.

Die originale Artemis-Statue im Depot des Nationalmuseums in Neapel, Foto: Vinzenz Brinkmann.

Frischer Gipsabguss in der Werkstatt, Foto: Jorun Ruppel.

Ende 2017 erhielten wir am Archäologischen Institut die Anfrage, ob wir einen Gipsabguss der Artemis aus Pompeji für das Winckelmann-Museum in Stendal anfertigen könnten.  Für die anschließende Farbrekonstruktion waren die Frankfurter Archäologen Ulrike Koch-Brinkmann und ihr Mann Vinzenz Brinkmann verantwortlich, die auch hinter der berühmten Ausstellung Bunte Götter stecken. Für die Ausstellung hatten wir bereits eine Artemis aus Gips produziert, die eigens dafür angefertigte Form aus Silikon und Glasfaserlaminat lag noch vor. Wir sagten daher zu und entschlossen uns, gleich zwei neue Abgüsse herzustellen: einen für Stendal und den anderen für uns, die Göttinger Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen.

Das Original

Wenn es darum geht, die Farben einer Skulptur zu rekonstruieren, kann man nicht einfach so drauflos malen, sondern benötigt Hinweise auf das ursprüngliche Aussehen. Als die Artemis-Statue vor 260 Jahren, am 19. Juli 1760, bei Ausgrabungen in Pompeji zum Vorschein kam, waren deutliche Spuren ihrer Bemalung sichtbar. Im Grabungstagebuch werden unter anderem hautfarbene Arme erwähnt – ein wichtiger Hinweis, denn bis heute ist die Fachwelt in der Frage “Hautfarbe ja oder nein” gespalten. Auch Johann Joachim Winckelmann, der die Statue eineinhalb Jahre später sah, äußerte sich in seinen Notizen zur Bemalung: “Die Haare der Hetrurischen Diana waren gelb gefärbet, auch die Augäpfel waren gemahlet. Der Riem des Köchers ist roth. Der äußere kleine Rand des Gewandes ist gelb und schmal, auf dem breiten rothen Streifen sind weiße Blumen gemahlet. An ihrem Diadema, welches rund um den Kopf gehet, sind 10 Rosen erhaben, roth gemahlet.” (Wiedergegeben von Oliver Primavesi in: Die Artemis von Pompeji und die Entdeckung der Farbigkeit griechischer Plastik, Stendal 2011).

Nicht nur die Bemalung der Artemis-Statue interessierte Winckelmann, sondern auch ihre stilistische Einordnung. Zunächst hielt er sie für ein etruskisches (= ‚hetrurisches‘) Werk, kam Jahre später aber zu dem Schluss, dass sie einen frühen griechischen Stil zeigte. Heutige Archäolog*innen sehen zwar ebenso frühgriechische Stilelemente der archaischen Kunst des 6. Jahrhunderts vor Christus, wissen jedoch, dass die Römer diesen Stil imitierten. So bezeichnen sie die Artemis als eine archaistische Skulptur und datieren sie in die Zeit von Kaiser Augustus. Typische Stilmerkmale sind die Zickzackfalten des Mantels oder die etwas steife Körperhaltung.

Die Suche nach den Farben

Mehr als 70 Jahre nach ihrer Auffindung erschien erstmals eine farbige Abbildung der Artemis aus Pompeji und zwar in einem Werk des französischen Archäologen Désiré Raoul Rochette, in dem er sich mit Farbe an griechischen und römischen Sakral- und Profanbauten befasste. Seinem Göttinger Kollegen Karl Otfried Müller, mit dem er regelmäßig korrespondierte, schickte er vorab einen kolorierten Probedruck des Stiches. Er zeigt Artemis mit goldgelbem Haar und einem weißen Gewand, dessen rosa und gelb bemalter Zickzacksaum mit einem floralen Ornament verziert ist. Auch Beschläge auf dem Köcherband sind zu erkennen.

Probedruck aus dem 1836 erschienenen Buch von Désiré Raoul Rochette (Nachlass K. O. Müller, Archäologisches Institut Göttingen, Foto: Stephan Eckardt). Bis zum 17. Januar 2021 wird der Stich in der Bunte Götter-Ausstellung im Liebieghaus in Frankfurt gezeigt.

Die letzte ausführliche Beschreibung der Bemalung stammt von 1888, verfasst vom Archäologen Franz Studniczka. Er hielt gezielt nach Farbresten Ausschau, die seine Vorgänger beschrieben und abgebildet hatten, und konnte auch noch Reste des Saum-Ornaments erkennen, die inzwischen vollständig verloren sind. Lediglich das Rosa und das Gelb des Saums sind heute noch auszumachen.

Der Zickzacksaum und das Diadem mit Resten der Bemalung, Fotos: Vinzenz Brinkmann.

Danach dauerte es 122 Jahre, bis Artemis zum ersten Mal mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht wurde: Es waren die Brinkmanns und der Restaurator Heinrich Piening, die mit Hilfe der UV-VIS-Absorptionsspektroskopie und verschiedenen fotografischen Techniken weitere Details über das Aussehen der römischen Statue herausfanden. Unter Infrarotlicht beispielsweise fluoreszieren auch kleinste Reste von Ägyptischblau, die mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen sind. Zu finden war das Blau am Diadem, an den Armstützen und, wie jüngst entdeckt, auch an den Ärmeln. Zudem konnten widersprüchliche Angaben zur Farbe der Rosetten geklärt werden: Sie waren nicht nur rot, wie Winckelmann schrieb, oder gelb, wie auf Raoul Rochettes Stich, sondern beide Farben kamen vor und obendrein noch rosa.

Wie bunt soll unsere Artemis werden?

Egal, wie gut die Faktenlage ist – letztlich gibt es bei Farbrekonstruktionen immer einen gewissen Spielraum. Bedeutet ein kleiner Farbrest an einer einzelnen Stelle, dass die gesamte Fläche in ebendieser Farbe bemalt war? Wie sahen die obersten Farbschichten aus, die immer als erste verloren gehen? Hier ist Raum für Interpretationen, das heißt unsere Göttinger Artemis musste nicht wie eine Drillingsschwester der vorherigen Brinkmannschen Rekonstruktionen aussehen, die sich untereinander ebenfalls unterschieden.

Das 2018 bemalte Exemplar für das Winckelmann-Museum in Stendal, Foto: Vinzenz Brinkmann.

Die Brinkmannsche Farbrekonstruktion in der Bunte Götter-Ausstellung in Berlin im Sommer 2010, Foto: Jorun Ruppel.

 

Unser Ziel war es, mit unserer Farbrekonstruktion näher an die erste farbige Abbildung von 1836 mit ihrem Göttingen-Bezug heranzurücken, ohne jedoch eindeutige Analyseergebnisse zu ignorieren. Wie konnten wir das umsetzen? Wir machten drei Bereiche aus, die Spielraum für eigene Interpretationen boten.

Beschläge auf dem Köcherband

Auf dem Stich von 1836 sind sie zu sehen, doch niemand zuvor erwähnte sie, und Studniczka, der gezielt danach Ausschau hielt, konnte von ihnen keine Spuren finden. Hat Raoul Rochette Fehlstellen im Rot des Köcherbands, die sich in mehr als sieben Jahrzehnten durch Abblättern der Farbe gebildet hatten, für weiße Beschläge gehalten? Oder existierten sie tatsächlich, wurden jedoch von Winckelmann & Co. nicht erwähnt, weil sie Beschlagknöpfe einfach zu gewöhnlich fanden? In der griechischen Vasenmalerei sind sie dies jedenfalls. Wir entschieden uns schließlich dafür, weiße Beschläge aufzumalen – wegen des Göttingen-Bezugs des kolorierten Stiches und um einen neuen Vorschlag zu machen.

Unsere Rekonstruktion mit Beschlagknöpfen auf dem Köcherband, Foto: Jorun Ruppel.

Ausschnitt aus dem kolorierten Stich. Die Knöpfe auf dem Stich waren ursprünglich silbrig-weiß, doch hat sich die Farbe verändert, Foto: Stephan Eckardt.

Die Farbe der Ärmel

Der linke Ärmel mit roten Farbresten, Foto: Vinzenz Brinkmann.

Auf Detailfotos vom linken Ärmel des Untergewandes sind Reste roter Farbe zu erkennen, doch beschreibt keiner der frühen Beobachter die Ärmel als rot und auch auf dem Stich sind sie weiß. In unserer Rekonstruktion haben wir uns entschieden, die roten Farbreste (vorerst) zu ignorieren und die Ärmel, genau wie das übrige Untergewand und den Mantel, weiß zu bemalen. Richtig: Die Römer haben das Gewand nicht marmorsichtig belassen, sondern haben weiße Farbe aufgetragen. Auch das neu nachgewiesene Ägyptischblau haben wir erst einmal weggelassen, hier bedarf es noch weiterer Versuche.

Das Ornament

Es ist unstrittig, dass auf dem pinken Saum ein weißes Ornament aufgemalt war, doch wie soll man die Beschreibungen von Blumen, Schnirkeln, Palmetten oder Ranken mit palmettenartigen Gliedern und Studniczkas Zusatz, das Ornament habe sich wahrscheinlich in Längsrichtung entwickelt, interpretieren? Schließlich suchten wir in der zeitgenössischen römischen Wandmalerei nach einer Vorlage und fanden sie in der Villa Farnesina in Rom. Da uns das Ornament jedoch zu detailreich erschien, glichen wir es durch Weglassen einiger Elemente an das bei Raoul Rochette abgebildete Muster an.

Ornament im Cubiculum B der Villa Farnesina, Rom. Ausschnitt aus dem kolorierten Stich von Raoul Rochette und unser Vorschlag, Fotos: Stephan Eckardt, Jorun Ruppel. Das ursprünglich mit Weiß aufgemalte Ornament auf dem Stich hat sich über die Jahre dunkel verfärbt.

Nach insgesamt zwei Jahren Arbeit ist die Bemalung nun (weitgehend) abgeschlossen. Die bunte Artemis aus Pompeji kann im Rahmen der Sonntagsspaziergänge der Uni Göttingen immer sonntags von 11 bis 16 Uhr in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen im Nikolausberger Weg 15 besucht werden.

Die Göttinger Farbrekonstruktion von 2018-20, Foto: Jorun Ruppel.

 

Gipsabguss: Nadja Kehe, Gesine Philipp, Julius Rammler, Jorun Ruppel

Bemalung: Jorun Ruppel, Nadja Kehe, Grundierung: tier. Leim, Calciumcarbonat

Farben: Naturpigmente

Bindemittel: Ei-Casein-Tempera

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Jorun Ruppel ist seit 2002 Restauratorin am Archäologischen Institut und in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen.

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Hinter den Kulissen Sammlung

Nesthäkchen – ein historisches Mädchenbuch mit emanzipatorischem Charakter

Soziale Rollen – und besonders Geschlechterrollen – begleiten uns im Alltag und sind gerade heute Thema eines vielschichtigen Diskurses. Ob ich mir jetzt auf YouTube Schminktutorials von schlanken Blondinen anschaue oder einen Liebesroman lese: Oft lassen sich Verhaltensmuster erkennen, die als besonders gut angesehen werden, oder eben als eher schlecht.

Nesthäkchen umarmt stürmisch ihren Bruder Hans.

Genau das findet man auch schon in Mädchenromanen der wilhelminischen Kaiserzeit, zum Beispiel in “Nesthäkchen” von Else Ury. Wenn die Titelheldin dadurch negativ auffällt, dass sie zu wild und zu unordentlich ist, dann hängt das vor allem damit zusammen, dass sie sich nicht so benimmt, wie ein Mädchen es sollte.

Vom Trotzkopf zur perfekten Hausfrau

Dass ein Mädchen sich zuerst nicht so verhält, wie es ihrer Rolle entspricht, ist typisch für die ‚Backfischliteratur‘. Bei diesem Genre kommt oft ein wildes, ungezähmtes Mädchen in ein Internat. Dort soll sie zu einer perfekten, also normgetreuen, jungen Frau zu werden. Wenn sie es dann geschafft hat, dem Frauenbild ihrer Zeit zu entsprechen, begegnet sie einem Mann. Diesen Mann heiratet sie und ist für immer glückliche Mutter und Hausfrau.

Das Mädchenbuch Emmy von Rhodens erschien erstmals 1885.

Dasselbe müsste auch für die “Nesthäkchen”-Reihe gelten. Eigentlich. Anders als bei anderen Backfischromanen (zum Beispiel “Der Trotzkopf”) werden die Gattungsmerkmale hier jedoch zum Teil nicht beachtet. Es gibt viele emanzipatorische Tendenzen, obwohl die Reihe schon vor etwa hundert Jahren veröffentlicht wurde.

Annemarie ist anders

So ist Bildung wichtiger als gewöhnlich und Annemarie arbeitet sogar nach ihrer Hochzeit. Sie ist eben mehr als bloß eine (Haus-)Frau, die tut, was man ihr sagt. Gerade weil sie ihren eigenen Kopf hat, erscheint sie dem Leser oder der Leserin so sympathisch.

Nesthäkchens Enkelin Marietta ist Kindergärtnerin geworden.

Vielleicht ist es gerade das, was dazu geführt hat, dass so viele Mädchen die Bücher gelesen und lieben gelernt haben. Bei unserer Ausstellung ZeitSpiegel im letzten Semester erzählten uns viele Besucherinnen und Besucher, wie sehr sie die Bände mochten. Auch mir hat es Spaß gemacht, die Reihe zu lesen, da Annemarie so interessant und kreativ ist.

Die eigene Rolle hinterfragen

Mir wurde dabei aber bewusst, dass es Geschlechterrollen auch heute noch gibt. Natürlich beschwert sich heute – anders als im Roman –  niemand, wenn wir ohne Hut auf die Straße gehen. Es gibt aber schon Dinge, die erwartet werden: Man denke an die eingangs erwähnten Zeitschriften und Videos für junge Mädchen. Wenn man “Nesthäkchen” liest, fallen vor dem Hintergrund der damaligen Geschlechterrollen auch die eigenen auf. Gerade diese Buchreihe eignet sich also, um sich mit sozialen Rollen auseinanderzusetzen, und das überzeitlich.

Gegen das Vergessen: Über die Autorin Else Ury.

Die Autorin und ihr Schicksal

Trotz der Beliebtheit ihrer Bücher hatte Else Ury aber kein sorgenfreies Leben. Bei unserer Ausstellung fiel auf, dass nicht viele Besucherinnen und Besucher über die Biografie der Autorin Bescheid wussten. Sie war eine erfolgreiche Autorin, doch im Zuge des Nationalsozialismus erlebte sie als Jüdin Repression und Verfolgung in Deutschland. So wurden ihre Bücher verbrannt, sie durfte keine neuen Bücher mehr veröffentlichen, und ein Großteil ihrer Familie emigrierte oder floh aus Deutschland. Um für ihre kranke Mutter zu sorgen, blieb Else Ury in Deutschland – und wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Besonders diese Seite ihrer Biografie sollte nicht vergessen oder verschleiert werden. Dieser Meinung war auch Marianne Brentzel, die 1992 mit ihrem Buch “Nesthäkchen kommt ins KZ” auf diesen Umstand aufmerksam machte.

Jaqueline Stephan in der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur.

Unsere Sammlung

Sowohl die “Nesthäkchen”-Bücher als auch “Nesthäkchen kommt ins KZ” und “Der Trotzkopf” befinden sich in der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur. Sobald die Sammlungen wieder öffnen können, ist bei uns jeder willkommen, sich diese und noch viele andere Bücher anzuschauen und durchzulesen.

Jaqueline Stephan

Die Autorin studiert Deutsch und Philosophie und betreut die Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur an der Universität Göttingen. Das Interview mit ihr über “Nesthäkchen, Else Ury und die Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur” finden Sie hier.

микрозайм с просрочками на карту Video-Interview mit Jaqueline Stephan.

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Durch Aula und Karzer am Wilhelmsplatz

Sonntagmorgen: Normalerweise schwinge ich mich jetzt auf mein Rad und fahre von Weende in Richtung Innenstadt, um eine Führung durch das Aulagebäude und den Karzer am Wilhelmsplatz zu geben. Da dies momentan nicht möglich ist, lade ich Sie herzlich zu diesem kurzen Online-Rundgang ein, damit Sie nicht ganz auf den Besuch verzichten müssen.

Wilhelmsplatz mit Aulagebäude und Denkmal für Wilhelm IV. Foto: Marc Oliver Schulz

Hallo und herzlich willkommen zur heutigen Führung …

Unsere Führung beginnt am „Willi“, einem der Lieblingstreffpunkte der Studierenden – neben dem Gänseliesel oder dem Nabel in Göttingen. Hier wurde die Aula am Wilhelmsplatz anlässlich des 100. Jubiläums der Universität Göttingen 1837 feierlich eröffnet. Das Gebäude sollte nicht nur ein repräsentativer Ort für Feierlichkeiten sein, sondern gleichsam als Versammlungsort, Arbeitsplatz und Studentengefängnis dienen. Die Universität war am Ende des 18. Jahrhunderts stark expandiert; es mangelte an Räumen für Lehre, Forschung und Verwaltung und eben auch an Orten zum Feiern.

Das Aulagebäude wurde auf dem „Neue Markt“ errichtet, der erst wenige Jahrzehnte vorher städtebaulich entwickelt worden war. Damit setzte sich die Universität ins urbane Leben und war sogleich in allen Ecken der Stadt durch repräsentative Bauten vertreten. König Wilhelm IV. von Großbritannien und Hannover stiftete die Aula. Als Dank errichteten ihm die Bürger der Stadt ein Standbild, das Sie noch heute auf dem Wilhelmsplatz sehen können. Erst mit der Aufstellung der Statue erfolgte dann die Umbenennung in „Wilhelmsplatz“. Heute kennt man ihn auch unterm liebevollen Kosenamen „Willi“.

Der Giebel mit den Fakultäten Medizin, Theologie, Jura, Philosophie. Foto: Gisa Kirschmann-Schröder

Bevor wir jetzt ins Innere des Gebäudes gehen, lohnt sich ein Blick auf den Giebel. Er zeigt die vier Gründerfakultäten, die den geflügelten Genius der Wissenschaft umgeben. In der im Zeichen der Aufklärung gegründeten Georgia Augusta waren alle Fakultäten gleichberechtigt, was bedeutet, dass die Theologische Fakultät kein Aufsichtsrecht gegenüber den anderen Fakultäten hatte – wie es andernorts üblich war; ganz nach dem Motto „In publica commoda – zum Wohle aller“!

Kleine Aula mit Büste Albrecht von Hallers. Foto: Ingo Bulla

Das Aulagebäude

Das Herzstück des Gebäudes sind die beiden Aularäume im ersten Obergeschoss. Die Kleine Aula wurde damals als Sitzungszimmer genutzt und dient bis heute als Expansionsmöglichkeit für die Große Aula. Durch die Büsten verschiedener Göttinger Wissenschaftler*innen sowie die Tafeln zum Gedenken an die Göttinger Sieben und die vertriebenen Göttinger Forscher*innen während das Nationalsozialismus ist sie zudem ein wichtiger Ort der Erinnerung.

Große Aula mit Königswand. Foto: Frank Stefan Kimmel

Die Große Aula samt Galerie bietet Platz für etwa 550 Personen. Die Königswand ist hier der Blickfang: Auf den Gemälden sehen Sie zum Beispiel den Gründer und Namensgeber unserer Universität, Georg II., den Stifter des Aulagebäudes, Wilhelm IV., und den ersten Deutschen Kaiser und König von Preußen, Wilhelm I. Er war der erste, der sich als Landesherr nicht mehr zugleich „Rector magnificentissimus“ nannte, also Rektor der Georgia Augusta. In Göttingen ließ sich dieser ohnehin von einem Stellvertreter vertreten, dem Prorektor, der aus den Reihen der ordentlichen Professoren gewählt wurde.

„Hotel zur akademischen Freiheit“

Wenn wir jetzt einer verwinkelten Treppe folgen, gelangen wir zum einstigen Universitätsgefängnis. Seine Geschichte beginnt im Prinzip mit der Gründung der Universität 1737. Denn die Georgia Augusta erhielt mit Ihrer Gründung gleichsam ihre eigene akademische Gerichtsbarkeit, also die alleinige Ausübung der Rechtsprechung in Zivil- und Strafrechtssachen. Dies bedeutet, dass jeder Universitätsangehörige und Studierende bei einem Vergehen vor das Universitätsgericht gestellt wurde. Der Richter war einer der ordentlichen Professoren der Juristischen Fakultät. Je nach Ausmaß der Tat kam die Isolationshaft im Karzer in Frage.

Ab 1837 befand sich dieser im neuen Aulagebäude. Mit Karzerhaft wurden zum Beispiel sexuelle Übergriffe, Schulden (Kolleggelder), ständiger Unfleiß, das Austreten von Laternen oder zu schnelles Reiten in der Stadt bestraft. Auch unerlaubtes Schwimmen in der Leine (außerhalb der gekennzeichneten Badeareale), die Haltung von sehr großen Hunden und deren Mitnahme zu Vorlesungen, Duelle, Glücksspiel, Trunkenheit und nächtliche Ruhestörung brachten die Studenten oft ins Gefängnis. Selbst das Trinken von auswärtigem (also nicht Göttinger) Bier war verboten!

Blick in einen Karzerraum. Foto: Frank Stefan Kimmel.

Stadtansichten, Wappen studentischer Verbindungen, Schmähgedichte, Silhouetten (die damalige Variante des Selfies) – die beschrifteten und bemalten Wände, Türen und Decken des Karzers, die Einritzungen in Boden und Fensterscheiben deuten darauf hin, dass die Karzerstrafe vor allem am Ende des 19. Jahrhunderts seine abschreckende Wirkung verloren hatte. Auch Isolationshaft gab es nicht mehr. Sie aber können in den acht erhaltenen Karzerräumen zukünftig noch viel entdecken.

Ausblick

Ich hoffe, mein kurzer Rundgang hat Ihnen gefallen und ich kann Sie bald wieder persönlich in der Aula am Wilhelmsplatz begrüßen. Dann werfen wir auf jeden Fall auch noch einen Blick in den Akademiesaal. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und bleiben Sie gesund!

Während der Führung stelle ich auch den Akademiesaal vor. Foto: Anna Rusteberg

Autorin
Friederike Röpke, Studentin der Kunstgeschichte und Komparatistik an der Universität Göttingen und studentische Hilfskraft in der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen
Kontakt: roepke@kustodie.uni-goettingen.deмикрозайм на карту онлайн срочно

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Rede, Buch, Ausstellung und Bühne

Wie Wissenschaftler*innen sich selbst darstellen, beschreibt der neue Band „Gesichter der Wissenschaft. Repräsentanz und Performanz von Gelehrten im Porträt“. Daniela Döring hat – noch vor Corona – die Präsentation des Buches in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen besucht.

Katharina Müller in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen.

Die Inszenierung

Der Wissenschaftler durchquert in lockerem Schritt den Raum, tritt an das Pult, stützt die Hände auf und wird größer, gewichtiger. Er räuspert sich. Sein Blick schweift über das zahlreich erschienene Publikum, das zu ihm aufsieht. Mit sicherer Stimme hebt er an zu sprechen, er begrüßt seine Zuhörenden und nach einer kleinen, bedeutungsschwangeren Pause, beginnt er seinen Vortrag mit einem Zitat eines allseits bekannten Wissenschaftlers.

Dieses Szenarium ist im Wissenschaftsbetrieb nur allzu bekannt. Wenngleich es in ganz unterschiedlichen Formen auftritt – etwa in Abhängigkeit von Herkunft oder Geschlecht –, gilt es für alle Statusgruppen, diesen traditionell männlich und bildungsbürgerlich konnotierten Habitus einzuüben, um die eigene wissenschaftliche Expertise, Autorität und Souveränität – im wahrsten Sinne des Wortes – zu verkörpern. Unzählige Male konnten wir diesem Schauspiel im universitären Alltag bereits beiwohnen, freilich ohne es genau zu sehen. Denn erst durch die Unsichtbarmachung entfaltet es seine volle Wirksamkeit.

Christian Vogel eröffnet die Veranstaltung.

Die Präsentation

Mit genau dieser Szene beginnt die Präsentation des Buches. Schon während sich Christian Vogel, der gemeinsam mit Sonja Nökel den Band herausgegeben hat, auf den Weg zum Pult macht, um den Eröffnungsvortrag zu halten, beschreibt die Schauspielerin Katharina Müller vom Deutschen Theater Göttingen jede seiner Gesten. Ihr Metakommentar macht aufs unterhaltsamste deutlich, wovon das Buch handelt: der performativen Herstellung von Wissenschaftler*innen im Porträt in seinen historischen wie gegenwärtigen Formen.

Von Gelehrten im Talar, arrangiert als Ahnengalerie, über Kupferstiche, Gemälde, Scherenschnitte, Cartes des Visites und Karikaturen bis hin zu aktuellen Plakaten und Social Media-Kanälen reicht das Spektrum, das in der Ausstellung „Face the Fact. Wissenschaftlichkeit im Porträt“ aufgefächert wurde. Die Ausstellung, die vom 27. September 2018 bis 3. März 2019 in der Kunstsammlung der Universität Göttingen zu sehen war (zur Rezension der Autorin), stellt die Vorarbeit zu diesem Band dar. Sie wurde von einer Vortragsreihe flankiert, die zusammen mit zahlreichen weiteren Essays, Eingang in die Publikation fand.

Wissenschaft und Theater

Weil der wissenschaftliche Auftritt eine enge Nähe zur Bühne aufweist, wurde das Veranstaltungsformat in Kooperation mit dem Deutschen Theater entwickelt und umgesetzt. Für die szenische Einrichtung zeichnete Johanna Schwung verantwortlich, die dafür verschiedene Elemente auf inspirierenden Weise zusammenbrachte. Bereits beim Betreten der Veranstaltungsräume ist die Schauspielerin Katharina Müller auf einem Sockel inmitten der Sammlung zu sehen. Wie eine lebende Gipsfigur setzt sie die weißen Körper der Gipsfiguren und einzelne Gesten in Szene, begleitet von einer Audio-Collage aus Zitaten des Buches und der Projektion von Porträts.

Inszenierte Gelehrsamkeit.

Müller verrät typisch akademische Verhaltens- und Sprechweisen und sensibilisiert das Publikum für die nun folgenden Lesungen. Mit schauspielerischer Qualität und souveräner Betonung werden sie zu einem besonderen Vergnügen. Zwischen jeder Präsentation werden vom Theater produzierte kurze Videoclips gezeigt, in denen Wissenschaftscoach Susanne Maier-Hofer dem Publikum nicht ganz ernst gemeinte Tipps zur Selbstvermarktung gibt. Angesichts der Tatsache, dass diese Formen der Selbstdarstellung für eine erfolgreiche Karriere unabdingbar und für so manche(n) harte und aufwendige Arbeit sind, kommt der Aufruf erfrischend daher. Zumal sich der Appell der Schauspielerin selbst nicht an die Regeln der Kunst hält, sondern vielmehr die – normalerweise entfernten – Versprecher, Ausrutscher und deplatzierten Gesten exponiert. Das Lachen darüber macht gewissermaßen den Weg frei.

Der Kustos der Sammlung, Dr. Daniel Graepler.

Die Reden

Zu hören ist Spannendes, beispielsweise von Ruth Finckh über das 1780 entstandene Porträt der gelehrten Dichterin Philippine Gatterer, in dem die zur damaligen Zeit geltenden Grenzen für das weibliche Geschlecht im Gemälde zunächst überschritten, um im darauffolgenden Stich – welcher aufgrund seiner medialen Eigenschaften weitaus größere Verbreitung erlangte – sorgsam wieder zurückgeholt zu werden. Oder von Daniel Graepler über das Porträt von Karl Otfried Müller, das 1830 entstand und Müller mit den entsprechenden Anleihen und Requisiten kunstvoll als Archäologen inszeniert.

Karsten Heck über den Mathematiker Carl Friedrich Gauß.

Wir erfahren vom Witz in einer Karikatur auf Carl Friedrich Gauß, der sich erst durch die ungemein schlaue wissenschaftliche Rekonstruktion und wortgewandte Lesung seines Autors Karsten Heck erschließt. Und schließlich liest Sonja Nökel – stellvertretend für Mario Schulze – seinen Essay über die Inszenierung des Windkanalingenieurs Carl Wieselsberger, der im Selbstversuch und Kampf gegen den Wind seine Professionalität und Männlichkeit unter Beweis stellt.

Resumee

Die Beiträge machen große Lust auf mehr und der im Wallstein Verlag erschienene Band ist aufs Wärmste zu empfehlen. Besonders aber hat der Abend dazu angeregt, das gängige Vortrags- und Präsentationsformat im akademischen Betrieb zu hinterfragen und vielleicht sogar zu verändern. Denn solch mutige Versuche mit offenem Ende müssen letztlich auch ein Stück Kontrolle sowohl über die Formen der Darstellung als auch über die Inhalte an andere Akteure abgegeben. Das in diesem Fall Inhalt und Form zusammenfielen, war nicht nur eine glückliche Fügung, sondern auch eine überaus gelungene Inszenierung.

Das Buch

Vogel, Christian / Nökel, Sonja (Hg.): Gesichter der Wissenschaft. Repräsentanz und Performanz von Gelehrten, 284 S., 111 z. T. farb. Abb., brosch., 18,5 x 27,0, ISBN 978-3-8353-3553-0, 24,90 €, Göttingen: Wallstein Verlag 2019.

Die Publikation wurde gefördert durch die Stiftung Niedersachsen.

Zur virtuellen Ausstellung „Face the Fact“ in 360°-Ansichten: facethefact.gbv.de

Fotos: Martin Liebetruth

Zur Autorin: Dr. Daniela Döring ist wissenschaftliche Koordinatorin und Postdoktorandin am Forschungskolleg „Wissen | Ausstellenбанки сделать рефинансирование“.

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Engagement

Leidenschaft, Wissen, Erfolg: promintente Frauen im Gespräch

Erfolg bedeutet, sich jeden Tag mit Freude und Leidenschaft für die Arbeit zu engagieren, Ziele zu erreichen und das zu tun, was wichtig ist. So beschreiben fünf erfolgreiche Frauen, deren Leben eng mit der Universitätsstadt Göttingen verknüpft ist, ihre berufliche Motivation.

Geballte Frauenpower – J. Amirfallah, Katrin Adt, Prof. Dr. Nivedita Mani, Dr. Margot Käßmann, und Naima Diesner.

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Sammlung

Ein Artefakt auf Umwegen

Manchmal stoßen Wissenschaftler*innen in den Unweiten der universitären Sammlungen auf rätselhafte Gegenstände, die bisher wenig Beachtung gefunden haben. Das mag daran liegen, dass niemand so richtig weiß, was damit anzufangen ist.

Klein, kompakt und kunstvoll verziert: die Teremok-Schatulle.

Im Falle dieses schmuckhaften und rätselhaften Gegenstandes entwickelte sich eine Zusammenarbeit verschiedener Forschungsbereiche, um der Spur des von Sammlung zu Sammlung gereichten Gegenstandes zu folgen. Angestoßen durch eine Reinigung begann die Reise des Artefaktes durch verschiedene Disziplinen der Wissenschaft, bei der Mitarbeiter*innen aus Ethnologie, Anthropologie, Ur- und Frühgeschichte, Geowissenschaften und Botanik zusammengekommen sind.

Etwas ganz Besonderes

Es ist klein, kompakt, kunstvoll verziert und wirkt wie ein eleganter Einrichtungsgegentand und ein sicherer Aufbewahrungsort für etwas ganz Besonderes – die Teremok-Schatulle, benannt nach ihrer Form. Mit dem oberen, walmdachähnlichen und dem unteren, rechteckigen Teil, sieht die Schatulle nämlich aus wie ein kleines Häuschen. „Teremok“ ist die russische Bezeichnung dafür. Aber wie ist dieser Gegenstand in die Anthropologie der Universität Göttingen gekommen? Über einige Umwege. Ich durfte sie mir anschauen und mit Dr. Birgit Großkopf vom Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Historische Anthropologie und Humanökologie über die interdisziplinäre Forschung an diesem besonderen Fund sprechen.

Birgit Großkopf mit Schatulle in der Sammlung Historische Anthropologie.

 Zettelkarteien-Wirtschaft in der Ethno

Die Geschichte beginnt im Königlichen Academischen Museum der Universität Göttingen. Nach dem Tod des Kurators des Museums Johann Friederich Blumenbach im Jahre 1840, wurde die enzyklopädische Sammlung zu einer systematischen umstrukturiert. Dabei fiel den Mitarbeiter*innen ein kleines mysteriöses kastenförmiges Objekt in die Hände, zu dem nicht viele Informationen vorhanden waren. Die ethnologisch angelegte Zettelkartei aus den 1940er Jahren verwies mit „Af 2789“ auf Afrika als Herkunftsland. Eine hinzugefügte Bleistiftnotiz „Ägypten?“ konkretisierte nicht wirklich. Interessanterweise ordnete die Kartei den Gegenstand der Sachgruppe „Geräte“ zu, obwohl sich in der Schatulle menschliche Knochen befanden.

Das Kästchen vor der Säuberung.

Der Weg in die Anthropologie

Zusammen mit allen anderen ethnologisch-betitelten Sammlungsinhalten fand die Schatulle ein neues Zuhause im 1877 fertiggestellten Zoologisch-Zootomischen Institut in der Berliner Straße (das Gebäude, in dem aktuell das Forum Wissen entsteht). Hier wurde sie mit der Nummer 217 im sogenannten Rühlschen Zettelkatalog eingeordnet. Mit der Fertigstellung des Ethnologischen Instituts (damals Institut für Völkerkunde) 1936 zog das Kästchen um an den Theaterplatz. Als die Ethnolog*innen in den 1990ern alle Mumienteile an die Sammlung Historische Anthropologie übergaben, war darunter auch die Teremok-Schatulle. Und da wären wir nun.

Karteikarte im Rühlschen Zettelkatalog.

Eine Frage der Provenienz

Statt einer direkten Auskunft bietet die Rühlsche Kartei nur die Angabe „a.S.“, was auf eine Zugehörigkeit zur ganz alten Ethnologischen Sammlung anno 1886 hinweist. Deshalb und auch des Aussehens wegen vermuten die Forscher*innen, dass das hübsche Kästchen Teil einer der zahlreichen Schenkungen durch den Baron Thomas von Asch gewesen sein könnte, der als Generalstabsarzt unter Katharina der Großen gerne auf seine Promotionszeit in Göttingen zurückblickte und allerhand Bedeutsames an die Göttinger Sammlungen schickte. Dies konnte zwar bislang nicht bewiesen werden, doch Dr. Jens Schneeweiß, ehemaliger Kustos der Lehrsammlung Ur- und Frühgeschichte, verweist auf ähnliche Schatullen, welche in russischen Museen, wie dem Staatlichen Museum in Moskau und dem Russischen Museum in St. Petersburg, besichtigt werden können. Vermutlich wurde demnach auch das Göttinger Kästchen so wie die in Russland befindlichen Teremok-Schatullen in der Gegend von Velikij Ustjug hergestellt. Analysen zur Beschaffenheit des Kästchens, die unter anderem die Restauratorin der Klassischen Archäologie und Mitarbeiter*innen vom Geowissenschaftlichen Zentrum durchführten, bestätigen diese Einschätzung. In den Schriften und Notizen, die den Sendungen des Barons von Asch zugehörig sind, wird derweil weiterhin nach Erwähnungen eines kleinen schmuckhaften Kästchens mit menschlichem Inhalt Ausschau gehalten.

Die geöffnete Schatulle samt Inhalt.

Ein ungewöhnlicher Aufbewahrungsort

Aber nun zum eigenartigen Teil: den menschlichen Knochen. An sich sind Knochen ziemlich alltäglich in einer Anthropologischen Sammlung. Aber warum lagen sie in dieser Kiste, die ja wohl keinesfalls einem Sarg ähnelt? Handelt es sich womöglich um Reliquien? Schauen wir sie uns doch mal genauer an – beziehungsweise schauen wir, was die Anthropolog*innen rund um Dr. Birgit Großkopf herausgefunden haben: Es handelt sich um 18 mumifizierte Fußknochen einer ausgewachsenen Person unbestimmten Geschlechts und unbestimmter Herkunft. Mehr kann dazu momentan nicht gesagt werden, denn durch die DNA-Analyse konnte nicht eindeutig geklärt werden, welches Geschlecht die Mumie hat, und wo sie herkommt. „Theoretisch kann man anhand der Robustizität der Knochen das Geschlecht feststellen. Da wir aber die regionale Herkunft nicht kennen, können wir das nicht mit Sicherheit sagen, ob männlich oder weiblich“, begründet Birgit Großkopf.

Diese Knochen hat die Anthropologin Dr. Birgit Großkopf untersucht.

Rätsel der Zukunft

Sie und ihre Kolleg*innen erhoffen sich weitere Angaben zu regionaler Herkunft und Geschlecht des Fundstücks durch eine NGS-Analyse (next-generation sequencing), die derweil außer Haus durchgeführt wird. Sollten sich dadurch keine neuen Erkenntnisse ergeben, so bleibt das mysteriöse Kästchen weiterhin ein Rätsel bis eventuell zufällig ein historischer Kontext auftaucht, zum Beispiel  in der russischen Literatur oder durch einen vergleichbaren Fund anderswo. Bis dahin ruhen die Knochen in ihrem hübschen Kästchen, in einem klimatisierten Raum in der Mumienteilsammlung der Historischen Anthropologie.

Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen wurden im Göttinger Jahrbuch 2018 des Göttinger Geschichtsverbandes publiziert. Alte Sammlungsobjekte – neue Erkenntnisse: Eine Teremok-Schatulle mit Mumienknochenвзять займ на карту без отказа под 0 процентов, von Birgit Grosskopf, Gudrun Bucher, Andreas Kronz, Jorun Rebekka Ruppel, Jens Schneeweiss, Lyudmila Shumilovskikh und Nicole Zornhagen.

Fotos: Meike Hartmann

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Ausstellung Sammlung

Der Göttinger Bernsteinschatz

Betritt man die Bernsteinausstellung, scheint es, als betrete man eine andere Welt. In schummrig-wohligem Licht wandelt man über dunkelbraunen Grund, während sich auf einem großen Banner an der Wand Säugetiere und Vögel im Dickicht von grünen Pflanzen und Bäumen tummeln.